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Meinung: Brandenburgs Staatskohle

Der Kauf von Vattenfalls Kohlesparte wäre ein Irrweg, eine Flucht der Politik

Natürlich muss sich die Landesregierung Brandenburgs Gedanken darüber machen, was wird, wenn der schwedische Staatskonzern Vattenfall seine Braunkohlesparte und damit die Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz verkauft. Man muss sich in der Politik selbstverständlich fragen, was danach kommt – und vor allem: wer, und was der macht und wie man als Land darauf reagiert. Aber darf die Angst, der schwedische Staat könne seine Kohle-Tochter dem Falschen verkaufen, dazu führen, Steuergeld in die Hand zu nehmen? Müssen dafür alle Brandenburger zahlen? Ist der Staat überhaupt dazu da, Firmen zu kaufen? Wem dient der Staat? Geht es um das Gestalten von wirtschafts- und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen? Oder geht es um den Eingriff in die Wirtschaft, um das Abschotten des Marktes vor unliebsamen Investoren aus den falschen Ländern Russland oder China? Geht es um staatliche Lenkung, politische Steuerung? Sollen unternehmerische Ziele erreicht werden oder politische? Geht es um Rendite oder um Struktur- und Arbeitsmarktpolitik?

Die Antwort: Die Politik will ihre Ziele erreichen – über den Umweg der Wirtschaft. Und das ist für keinen gut; für die Wirtschaft nicht und für die Politik erst recht nicht. In Brandenburg scheinen die Regierenden zunehmend einem alten, eigentlich verschütt geglaubten Entwurf wieder anzuhängen – dem von der Staatswirtschaft. Es kehrt wieder: der Glaube an die Allmacht des Staates und – schlimmer noch – an die umfassende Zuständigkeit von Politikern. Es ist aber eben nicht ihre Aufgabe, Unternehmen zu kaufen. Der Staat, die Politik müssen für vernünftige Rahmenbedingungen sorgen, unter denen Wirtschaft erfolgreich und gemeinwohlfördernd stattfinden kann. Wenn es nationale oder auch nur regionale Interessen zu sichern gilt, dann politisch.

Zudem ist die Braunkohlesparte nicht von der Niederschlagung bedroht – allenfalls von Verkauf und Aufteilung. Die Einheit von Braunkohleabbau und Braunkohleverstromung ist – um in der Rettungsterminologie der deutschen Politik zu bleiben – aber nicht systemrelevant für das Land Brandenburg. Braunkohle ist wichtig für Arbeitsplätze in einer Wirtschaftsparte in Brandenburg und für das Steueraufkommen der Kommunen in der Kohleregion und besonders für viele, viele Menschen, die von der Kohleindustrie in der Lausitz leben. Aber sie ist es nicht für die Existenz des Landes, nicht für das Funktionieren der Wirtschaft in und des Gemeinwesens Brandenburg. Es ist nicht einmal systemrelevant für die Energieversorgung im Land Brandenburg: Vattenfall exportiert einen großen Teil des Kohlestroms.

Mit einem Kauf der Kohlesparte steuerte Brandenburg in einen andauernden Interessenskonflikt. Denn die Landesregierung hätte als Eigner ein ökonomisches Interesse an einer der klimaschädlichsten Technologien und an landfressenden Tagebauen, hat aber eigene Klimaziele, die dem entgegenstehen. Und jede Ablehnung von neuen Tagebauen, jede Einengung/Beschränkung für „Märkisch Vattenfall“ hätte direkte ökonomische Auswirkungen auf die Landeskasse.

Das Dilemma der märkischen Politiker: Beim Ausstieg Vattenfalls aus der Lausitz bräche eine wirtschaftliche Monokultur zusammen – größtenteils alternativlos für viele Menschen. In 23 Jahren haben sich alle Regierungen in Brandenburg geweigert, ihrer eigentlichen Pflicht für die Lausitz nachzukommen: Es hat nie auch nur den Ansatz einer umfassenden eigenen Strukturpolitik für die Lausitz gegeben. Diese Region hätte von Beginn an einen Sonderweg gebraucht. Die Politik hat ihn den Menschen dort verweigert. Jetzt suchen die Politiker einen Ausweg. Es ist eine Flucht – raus aus der Politik, rein in die Wirtschaft. Ein Irrweg.  

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