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Meinung: Aus Furcht vor den Wählern

Die Bewegung im Streit um den amerikanischen Haushalt gibt Anlass zur Hoffnung

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben – also den Budgetkompromiss zwischen den Verhandlungsführern der Demokraten und Republikaner nicht preisen, ehe beide Kammern des US-Kongresses zugestimmt haben. Der Politikschwenk von prinzipieller Blockade zu begrenzter Kooperation ist jedoch schon für sich genommen ein Hoffnungszeichen.

Jahrelang hatten vor allem bei den Republikanern jene die Oberhand, die jeden Kompromiss über Haushalt und Schulden als Verrat verunglimpften. Die übrige Welt sah mit Befremden auf ein Amerika, das anderen Vernunft predigte, die eigene Regierung aber in immer kürzeren Abständen in die Handlungs- und Zahlungsunfähigkeit trieb – und die schwache Weltwirtschaft zusätzlich bedrohte.

Wie alle Kompromisse hat auch dieser seine Schattenseiten. Der Schuldenabbau wird gestreckt, die Haushaltssanierung verzögert. Schwache trifft er besonders hart. Zum Beispiel läuft die Hilfe für Langzeitarbeitslose aus. Insgesamt ist das Paket aber klüger als der „Sequester“, der mit seinen pauschalen Rasenmäher-Kürzungen auch wichtige Zukunftsbereiche wie Bildung und Investitionen in die vernachlässigte Infrastruktur traf.

So ist die Hoffnung berechtigt, dass dieser Haushaltskompromiss eine Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat findet. Ein Restrisiko bleibt. Natürlich werden die Nein-Sager von der Tea Party und Demokraten vom linken Flügel dagegen stimmen. Wenn die Anführer beider Lager ihre Arbeit jedoch richtig machen, klären sie rechtzeitig, wie viele Neins sich jede Fraktion erlauben darf und wie viele Jas sie liefern muss, um die parteiübergreifende Mehrheit zu gewährleisten. Die Mitte in den USA war immer stark genug dafür. Das Problem waren die Machtkämpfe innerhalb beider Lager, die die Vorsitzenden hinderten, Voten über nötige Kompromisse zuzulassen.

Warum kam gerade jetzt die Rückkehr zur Vernunft? Aus Angst vor den Wählern. Im November 2014 wird der Kongress gewählt, 2016 der nächste Präsident. In den ersten Monaten nach Obamas Wiederwahl hatten sich die Ideologen trotzig in blinde Blockade geflüchtet. Die Zwangsschließung der Regierung im Oktober mussten die Republikaner jedoch mit deutlichen Verlusten in den Umfragen bezahlen. Erst nach diesem Realitätstest wagen sich jene aus der Deckung, die Ambitionen auf die Präsidentschaftskandidatur 2016 haben und als Pragmatiker gewinnen wollen wie Paul Ryan. Der Vizekandidat von 2012 hat den Kompromiss für die Republikaner ausgehandelt. Er ist, wenn die Abstimmung gelingt, der Nutznießer. So leitet der Budgetkompromiss zum Showdown zwischen den „Young Guns“ in der Republikanischen Partei über. Marco Rubio aus Florida setzt mit seiner Fundamentalkritik dagegen auf den Tea-Party-Flügel.

Den USA ist zu wünschen, dass das Beispiel Schule macht. Nur wenn die Republikaner ihre internen Meinungsverschiedenheiten so offen austragen, kann die Blockade der zweiten Amtszeit Obamas überwunden werden und zum Beispiel die Reform des Einwanderungsrechts beginnen. Auch da hilft die Furcht vor den Wählern, in diesem Fall den Latinos.

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