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Oliver Welke

© dpa

Oliver Welke: Die „heute-show“ wird fünf Jahre alt - nie war sie so wertvoll

Gewinne sind für uns, Verluste sind für euch: Die „heute-show“ ist das Beste, was das Fernsehen zum Thema Aufklärung und Politikverdruss beizutragen hat.

Oliver Welke ist ein vielbeschäftigter Mann. Zwischen zwei satirischen Wochenrückblicken am Dienstag schnell mal nach Hamburg zur Moderation des Fußball-Länderspiels gegen Polen. Danach zurück nach Köln, Witze und Nummern für die nächste „heute-show“ sammeln. Hier die smarte Primetime-Fußball-Präsentation eines lahmen Spiels an der Seite von Oliver Kahn, dort „Arschkriecherwochen bei McMutti“, sprich Merkels Besuch bei Obama, Europa-Wahl-Krampf, Gefahr von Rechtspopulisten, Homophobie, Gernot Hassknechts Wutbürger-Tiraden, auch mal viel Nonsens und vor allem, viel FDP. Dazu später.

In diesen Tagen feiert die „heute-show“ ihr fünfjähriges Bestehen. Und läuft, um es gleich vorweg zu sagen, zur Bestform auf. Nie erschien die Satire so wertvoll wie heute, in Zeiten der großen Koalition, nie war – seit den Zeiten von „Notizen aus der Provinz“ und „Scheibenwischer“ mit Dieter Hildebrandt – die Satire im Fernsehen besser als mit der Comediantruppe um Oliver Welke. Auch wenn das der Anchorman selber nicht so gerne hören mag, der sich in diesen fußballstressigen Tagen Zeit für ein Telefongespräch nimmt. Das mit Dieter Hildebrandt sei ja eine sehr nett gemeinte Unterstellung. „Die genannten Schuhe sind aber tatsächlich gleich mehrere Nummern zu groß. Die ,heute-show’ ist ein satirischer Wochenrückblick, aber gleichzeitig eine Art Schnittmenge aus Satire und Comedy. Wir gönnen uns bei aller Haltung zu bestimmten Themen auch immer wieder Momente von komplett botschaftsloser Albernheit.“

Man hat das Gefühl, dass diese Mischung in jüngster Zeit noch besser ankommt. Anlässlich der Jubiläumsshow zum 50. Geburtstag des ZDF wurde per Online-Abstimmung die beliebteste Sendung der Sendergeschichte gesucht. Die „heute-show“ belegte den ersten Platz, vor „ Wetten, dass..?“. Mit rund 500 000 Abrufen in der Spitze ist die „heute-show“ das erfolgreichste Regelformat in der ZDF-Mediathek, die aktuelle Staffel mit durchschnittlich 3,19 Millionen Zuschauern bei einem Marktanteil von 13,2 Prozent die bislang erfolgreichste. Bei der Zielgruppe der 14–49-Jährigen werden durchschnittlich 0,97 Millionen Zuschauer (10,1 Prozent Marktanteil) erreicht. Nummern wie das Telekolleg „Entspannt verarscht werden“ mit Welke und Birte Schneider, die im Schneidersitz angesichts diverser Abgeordnetenbestechungen um Tiefenentspannung ringen, gehören zum Witzigsten, was derzeit über den Bildschirm läuft („Ruhig bleiben und Verarschungen akzeptieren“). Oder zuletzt am Freitag, zum Thema Energiewende/Atomindustrie: die Spenden-Gala-Persiflage „terre de strom – Hilfe für Stromkonzerne in Not“. 40 Millionen Menschen in Deutschland aus der Seele gesprochen, die ungläubig auf ihre Stromrechnung schauen. Aufklärung mit Genuss in Zeiten des Politikverdrusses, wie es die Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises lobte.

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Und natürlich ein Thema: die große Koalition. „Die Groko macht es uns nicht ganz leicht. Fast alle innenpolitischen Streitthemen werden unter einer Harmoniesauce erstickt“, sagt Welke. Auf Dauer könne der Frieden natürlich nicht halten. „Da vertraue ich unter anderem auf Sigmar Gabriel, der diese neue Rolle als kontrollierter Staatsmann in keinem Fall bis 2017 durchhält. So gesehen gib es Hoffnung, für die ,heute-show’ und für das Land. In der Reihenfolge.“

Oliver Welke in seinem Element. Bekannt geworden ist der lustige Ostwestfale in den 1990ern als Fußball-Präsentator bei Sat1. Die bissige Satireshow im Zweiten ist ihm, dem Ansager, wie auf den Leib geschnitten, geprägt von seiner Zeit in den 1980ern als Volontär beim niedersächsischen „Frühstyxradio“ mit Oliver Kalkofe und Dietmar Wischmeyer. Letzterer steht Welke auch bei der „heute show“ zur Seite. Mit Ralf Kabelka, den Comedians Olaf Schubert oder Martina Hill als „Tina Hausten“, den Außenreportern Lutz van der Horst, Ulrich von Heesen und Carsten van Ryssen hat Welke das Beste um sich versammelt, was der Satire-Comedian-Markt in Deutschland so hergibt. Der Lohn: diverse Fernsehpreise. Die Jury des Adolf-Grimme-Preises nannte die „heute-show“ „ein entschlossenes System“, das wage statt nur abzuwägen. Sie beschleunige „weit in den roten Bereich, ohne es sich im wohnlichen Satiresessel bequem zu machen“.

Fünf Autoren betreuen die drei bis vier Themen, die pro Sendung gebraucht werden, während Head-Autor Morten Kühne und Welke die Reporternummern für das Ensemble schreiben. „Ungefähr die Hälfte unseres Materials aus der Woche fliegt bis Freitag wieder raus, meistens zu Recht.“ Oliver Welkes Anspruch: „Die Leute sollen am Ende immer sagen, och, schon vorbei.“ Mit den Jahren stieg auch der Mut, dem Haussender auf die Füße zu treten. Unerschrocken werden Auffälligkeiten beim ZDF thematisiert: Fernsehrat, „Wetten-dass..?“-Flaute, Talk-Wahnsinn. Das kommt selten genug vor im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Im Unterschied zu den ersten Jahren traut sich die „heute-show“ nun häufiger die komplexeren Themen zu, die nicht mit einem Haufen lustiger TV-Ausschnitte daherkommen: das Freihandelsabkommen mit den USA zum Beispiel, welches neulich in der Show mit dem Bild eines in Chlor badenden Huhns thematisiert wurde.

Ob sich da nicht doch schon mal jemand besonders geärgert hat? „Beschwerden werden in aller Regel nicht an uns weitergereicht, was die Lebensqualität ungemein erhöht“, sagt Welke. Er erinnere sich gern an den wütenden Brief eines FDP-Ortsverbands aus Rheinland-Pfalz, in dem einer seiner absoluten Lieblings-Beschwerdesätze stand. „Meinungsäußerungen haben in einer Satiresendung nichts zu suchen.“ Über den Satz habe Welke lange nachgedacht.

Ach ja, die FDP. Was wäre sie ohne „heute-show“? Oder umgekehrt: Was wäre die „heute-show“ ohne die FDP? In der Sendung vom Freitag wurde „Das neue fdp.tv“ aus der Taufe gehoben. Welkes Lieblingsmoment aus fünf Jahren war der Talk mit Wolfgang Kubicki, als dieser 2011 zu Welke gesagt hat: „Ich wähle den Rösler noch mal zum Parteivorsitzenden. Aber nur, wenn wirklich kein anderer antritt.“ Wie lange will Oliver Welke noch mit der „heute-show“ antreten? „Mein ganz persönliches Ziel wäre das Zehnjährige. Klingt irgendwie rund.“

Die nächste "heute-show" läuft am kommenden Freitag im ZDF, 22 Uhr 30. Und in der ZDF-Mediathek.

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