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Martin Sonneborn im Interview: „Merkel weicht mir gern aus“

„Sonneborn rettet die Welt“: Einer muss es ja tun – warum also nicht der Satiriker Martin Sonneborn?

Herr Sonneborn, Sie wollen in Ihrer neuen Sendung die Welt retten. Warum?

Stimmt, man könnte sie auch so lassen, wie sie ist. Im Ernst, wir haben’s für Geld gemacht. ZDFneo hat mir Geld geboten, ich hab’ mir einen Anzug gekauft und bin losgezogen.

Wo fängt man mit der Rettung an?

In Rom. Wir hatten das Glück, dass Zukunftsforscher Jorgen Randers dort seinen neuen Bericht an den „Club of Rome“ vorstellte. Randers sagte mir wörtlich: Die Welt fährt bis 2052 zur Hölle.

Das klingt unausweichlich.

Vielleicht. Wir haben in unserer Reportagesendung aber dann doch versucht, die drei großen Probleme, die Randers charakterisiert hat, zu lösen: den Zusammenbruch der Finanzmärkte, die Umweltzerstörung sowie Korruption.

Immer nur lustig. Mit der Mentalität kann das nichts werden mit der Weltrettung.

Deswegen müssen andere ihr Scherflein dazu beitragen. Wir haben bei „Sonneborn rettet die Welt“ auch Politiker besucht. Gregor Gysi spricht über Korruption und Lobbyismus. Und gibt dabei eine gute Figur ab. Andere Kollegen wollten nicht mit uns reden.

Zum Beispiel?

Herr Götzer, CDU-Rechtsexperte. Bei dem habe ich mich mitten in eine Besuchergruppe angehender Grundschullehrerinnen reingeschmuggelt, er musste sich unseren Fragen stellen. Wir haben mit allen schmutzigen Tricks gearbeitet, die uns nach fast zwanzig Jahren „Titanic“ und „heute-show“ zur Verfügung stehen. Leider sind die Reportagen dadurch vollkommen unseriös geworden. Wir nennen es Gonzo-Journalismus. Gonzo 2.0.

Man kennt Ihr Gesicht aus dem Fernsehen. Wie ist das, wenn Martin Sonneborn mit Mikrofon auf Politiker zugeht?

Angela Merkel weicht mir gerne aus. Am Tag der offenen Tür haben wir im Kanzleramt gedreht. Die Kanzlerin kam mir auf einem engen Flur entgegen, musste auf 1 Meter 50 an mir vorbei. Strahlendes Lächeln, Leute jubeln ihr zu, angenehme Stimmung.

Was haben Sie Merkel gefragt?

Ob’s eher ein guter Tag oder ein Scheiß- Tag für sie wäre.

Ihre Antwort?

Nichts. Es kam ein extrem böser kalter Blick. Ich habe noch nie jemanden so gefühlskalt blicken sehen. Sie mag mich wohl nicht, weil ich ihr zu „Titanic“-Zeiten immer unsere Titel zugeschickt habe. „Deutschland wählt: Ein neues Gesicht für Angela Merkel“ und so.

Wie reagieren die anderen Politiker, denen Sie für die „heute-show“ nachstellen?

Leute, die uns erkennen, drängen vor die Kamera. Und sind damit unbrauchbar. Die Spitzenpolitikern sind ja alle geschult. Steinmeier oder Gabriel gehen schnell an der Kamera vorbei, mit einem lustigen schnellen Spruch. Das ist ihnen eingebläut worden von ihren PR-Leuten.

Wortwörtlich? Das heißt ja, Sie müssen ernst genommen werden.

Im Prinzip ist es ja nicht wichtig, was die Politiker vor der Kamera sagen. Dem unsympathischen Brüderle hat die „heute- show“ den Kopf gerettet. Er hatte enorm negative Umfragewerte. Nachdem sich die „heute-show“ regelmäßig über ihn lustig machte, konnte er sich in einer entscheidenden FDP-Sitzung retten, weil sein Bekanntheitsgrad bei den 14- bis 49-Jährigen deutlich höher war als vorher.

Lässt Ihnen das Zweite eigentlich freie Hand, was die Art Ihrer Satire betrifft?

Für die „heute-show“ haben wir relativ große Freiheiten. Der Erfolg rechtfertigt dieses Format. Natürlich gab es am Anfang viele Bedenken, aber Oliver Welke und sein Team haben es geschafft, eine teilweise recht aggressive Satire zu etablieren. Nur Harald Schmidt ist im deutschen Fernsehen zu solcher Aggression fähig.

Bei der sogenannten Nazi-Safari hörte aber der Spaß auch fürs ZDF auf.

Na ja. Wir sind für die „heute-show“ in Safarimanier durch Köpenick gefahren, haben über Herren mit Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefeln berichtet. Zwei von ihnen sind an die Öffentlichkeit gegangen, obwohl sie gepixelt waren, sagten, man hätte sie erkannt und „Nazi raus“ an die Hauswand geschrieben.

Es wurde ein Anwalt eingeschaltet, sollten rechtliche Schritte geprüft werden.

Mir ist von Konsequenzen nichts bekannt. Das Einzige, was mich mal Geld gekostet hat, waren die „Gas geben!“-Plakate der NPD. Wir hatten darauf Udo Voigt gegen Jörg Haider ausgetauscht, die NPD hat geklagt. Ich habe 300 Euro an den Jüdischen Nationalverband gespendet, das Verfahren wurde eingestellt. Im Moment ist gegen mich nichts anhängig. Mir hat mal Holger Apfel ...

... der NPD-Chef ...

... bei einem Parteitag, wo wir ihn ein bisschen geärgert haben, gesagt: Mit schmierigen Journalisten wie Ihnen spreche ich gar nicht.

Keine Angst, dass da mal einer dieser Betroffenen nachts vor ihrer Wohnung auf der Straße steht, und sagt, na, Herr Sonneborn, wo bleibt Ihr Humor?

Ich fürchte, wir sind keine ernst zu nehmenden Gegner. Wir machen nur Spaß.

Das mochte Hitler aber auch nicht.

Das stimmt. Aber wenn jemand Hitler im Lande ist, dann doch eher ich als die NPD-Leute, die ihre Vorsitzenden dauernd wechseln.

Anders als „Die Partei“, der Sie seit Jahren vorstehen.

Ja, wir betreiben einen viel sympathischeren Führerkult. Das ist natürlich immer noch seriöser als Basisdemokratie. Sehen Sie sich doch das vorübergehende Phänomen der Piraten an. Das funktioniert nicht. „Die Partei“ gibt’s schon seit neun Jahren, sie stand wieder zur Wahl.

Sind Sie denn mit 0,2 Prozent zufrieden?

Selbstverständlich, das waren die 0,2 Prozent, die der FDP gefehlt haben. Wir haben eine Spaßpartei aus dem Bundestag gekickt.

Noch mal zu Ihrer Sendung, das ist ja kein Spaß, wenn die Welt vor die Wand fährt. Wie retten Sie persönlich die Welt?

Ich bin ein sehr nachlässiger Idealist.

Was heißt das?

Wenn ich Batterien wegschmeiße, gucke ich vorher, dass keiner zusieht.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg. „Sonneborn rettet die Welt“, ZDFneo, Donnerstag, 22 Uhr 45.

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