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Die Registrarin Anne Barz war zuvor selbst Galeristin.

© Andreas Klaer

Serie | Barberini - die Kunst hinter der Kunst: Die Reisebegleiter der Kunst

Im Barberini läuft der Umbau zur Schau „Impressionismus in Russland“. Wir stellen Menschen vor, die daran beteiligt sind. Teil 5: Die Registrars Anne Barz und Matthias Heitbrink.

Potsdam - Wer mit Anne Barz und Matthias Heitbrink einen Vormittag verbringt, kommt weit herum in der Welt. Reist im Kopf mit dem Flieger von New York nach Berlin oder mit dem Lkw nach Madrid. Oder nimmt den abenteuerlichen Weg von Moskau nach Potsdam auf sich: bis zur russisch-finnischen Grenze zunächst in Polizeibegleitung, dann von Helsinki mit der Fähre bis Travemünde oder Kiel. Im Gepäck 58 Werke russischer Impressionisten aus der Tretjakow-Galerie.

Registrar Matthias Heitbrink ist seit Juli 2021 am Museum Barberini, seine Kollegin Anne Barz geht im März in den Ruhestand.
Registrar Matthias Heitbrink ist seit Juli 2021 am Museum Barberini, seine Kollegin Anne Barz geht im März in den Ruhestand.

© Andreas Klaer

Ein noch junger Beruf

Anne Barz und Matthias Heitbrink haben einen Beruf, den kaum einer kennt: Sie sind Registrars. Ausdrücklich mit englischem „g“ in der Mitte und „s“ am Ende: Denn der noch junge Beruf wurde im angelsächsischen Raum erfunden. Registrars sind die Reisebegleiter der Kunst, so könnte man sagen. Matthias Heitbrink nennt es lieber französisch: „convoyeur“. 

Das klingt nicht nur eleganter, sondern auch so komplex wie es ist. Denn Registrars reisen nicht nur mit der Kunst von Ort zu Ort, sie sorgen auch für das Davor und Danach: Abbau und Aufbau der Werke, Kommunikation mit Kunstspeditionen, Versicherungen, Leihgebern. Im Fall von „Impressionismus in Russland“, der neuen Schau im Museum Barberini, waren es vergleichsweise wenige. Acht. 

Zum zweiten Mal aufgebaut

Die Kunst kommt aus Madrid, Amsterdam, London, New York, Berlin – und, das Gros, aus der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau. „Insgesamt leicht zu organisieren“, sagen die beiden Registrars. Daran änderte auch Corona nichts – obwohl die Ausstellung jetzt bereits zum zweiten Mal aufgebaut wird. 

Zunächst sollte sie ab 7. November in Potsdam zu sehen sein, der Lockdown verhinderte das. Das Museum zeigte die Schau stattdessen online, bevor sie wie geplant nach Baden Baden weiterreiste. Juristisch nicht weiter kompliziert, sagt Anne Barz. Online-Formate waren ohnehin vertraglich vorgesehen – dass daraus eine ganze Online-Schau wurde, begrüßten die Leihgeber sehr. Dass in letzter Minute ein Schengen-Visum für einen Kurier fehlte und mit dem Innenministerium telefoniert werden musste: Alltag.

Beim Auspacken des Gemäldes "Der Wald" von Natalja Gontscharowa (1913), verschickt von einem Leihgeber aus Madrid.
Beim Auspacken des Gemäldes "Der Wald" von Natalja Gontscharowa (1913), verschickt von einem Leihgeber aus Madrid.

© Andreas Klaer

Kunstwerke werden begleitet wie Kinder

Heutzutage ist es gang und gäbe, dass Leihgeber Werke auf Reisen so eng begleiten wie andere ihre Kinder. Früher schickte man Werke los und fragte nach zwei Wochen mal, ob sie gut angekommen seien, sagt Barz. Früher machte man auch nicht eine Ausstellung im Quartal, sondern eine im Jahr. Der Ausstellungsbetrieb ist reger, internationaler geworden. 

Diese Beschleunigung hat den Beruf des Registrars erst entstehen lassen. 2009 gab es erst 90 Registrars in Deutschland, heute sind es 140. Einige Museen wie die Schirn Kunsthalle in Frankfurt bieten Volontariate für Registrars an. Die meisten jedoch haben den Beruf durch Learning by Doing gelernt. 

Anne Barz kommt „aus der Produktion“, hatte selbst eine Galerie, war davor 20 Jahre an der Hamburger Kunsthalle. Im März 2022 geht sie in den Ruhestand – und wird daher seit Juli von Matthias Heitbrink unterstützt. Heitbrink ist studierter Historiker. Beide sagen: Als Registrar muss man gerne Listen schreiben. Muss mit Kuratoren reden können, aber auch mit Aufsichtspersonal.

Aufgrund der Pandemie kann kein Leihgeber vor Ort sein - per Livestream nehmen die Registrars jeden Schritt der Ankunft des Bildes auf. 
Aufgrund der Pandemie kann kein Leihgeber vor Ort sein - per Livestream nehmen die Registrars jeden Schritt der Ankunft des Bildes auf. 

© Andreas Klaer

Nur im Frachtraum allein

Allein gelassen werden Kunstwerke heute nur, wenn es unbedingt sein muss – im Frachtraum eines Flugzeuges etwa. Beim Verpacken, dem Transport zum Flugzeug oder Lkw, dem Entpacken: Immer sind die Registrars da. Oft reisen sie als Kuriere mit. Sie sind das wachsame Auge, das alle Schwächen des Schützlings kennt, auf Temperatur und Stoßempfindlichkeit achtet.

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Dass Registrars selbst Hand anlegen, ist selten: Das machen die „Art Handler“. Registrars organisieren. „Im Konzert der Museumsberufe sind wir die Controllettis“, sagt Anne Barz. Matthias Heitbrink findet einen Vergleich, der frecher klingt, als er gemeint ist: „Wir sind die Wasserträger der Kuratoren.“ Sie kontrollieren nicht nur, sie kommunizieren, ermöglichen. 

Versicherungshöhen: Der Markt entscheidet

Auch ein weiterer, wesentlicher Faktor in der Entstehung von Ausstellungen liegt in der Verantwortung der Registrars: Sie sorgen für die Versicherung der Kunst. Wie viel Geld in die Versicherung der Kunstwerke fließt, ist ein gut gehütetes Geheimnis der Macher:innen, das auch Anne Barz für die künftige Schau im Barberini nicht lüften will. „Aber wir reden in der Regel von Summen zwischen 20 und 800 Millionen Euro pro Ausstellung“, sagt sie. 

Wie hoch die Summe genau ist, hängt vom Marktwert eines Werkes ab. „Es entscheidet Angebot und Nachfrage.“ Monet ist nachgefragter als Mattheuer, klar. Und bekommt man nicht weiche Knie, wenn man mit so vielen Nullen jongliert? Dafür ist Anne Barz zu lange dabei. „Nicht mehr.“

Das Museum Barberini ist Potsdams meistbesuchte Kultureinrichtung. Mit hochkarätigen Ausstellungen zieht es ein Publikum aus der ganzen Republik und darüber hinaus an. Aber welche konzeptionellen, handwerklichen und logistischen Herausforderungen sind für die Vorbereitung einer Schau eigentlich zu bewältigen? Die PNN begleiten den Umbau für die Ausstellung „Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ und stellen die Menschen vor, die daran beteiligt sind – ein Einblick in die Kunst hinter der Kunst.

Teil 1: Museumsdirektorin und Kuratorin Ortrud Westheider

Teil 2: Malermeister Frank Herber

Teil 3: Vermittlung und Rahmenprogramm mit Achim Klapp, Andrea Schmidt und Julia Teller

Teil 4: Haustechniker Carsten Loeper

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