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Auf Plateausohlen zum Mond: Letzte Vorbereitungen für den Karneval in Potsdam

Uniformen aus Kellnerjacken und manchmal wohl Stasi im Saal: Der LKC wird 40 Jahre alt und feiert das mit einer Retro-Show.

Potsdam - Vier Männer hängen ein Plakat auf: drei halten, knüpfen und balancieren gefährlich auf Leitern und Hocker, einer gibt Anweisungen. Das zieht sich. Aber nein, das ist noch keine Nummer der diesjährigen tollen Tage, es gehört allerdings zum Vorprogramm. Im Lindenpark sind die Mitglieder des LKC, des Lindenpark Karnevals Club e.V., seit Dienstag mit dem Aufbau für das Faschingswochenende beschäftigt: Publikumstribünen, ein Einmarschtor neben der Bühne, eines vor am Saal. Alles verkleidet und dekoriert. Bis Freitag muss alles fertig sein, dann läuft die erste Show.

„Für den Fasching wird insgesamt eine Woche lang aufwendig umgebaut. So viel wie für keine andere Veranstaltung im Lindenpark, aber das ist es uns wert“, sagt Raiko Käske vom Haus. „Der Fasching gehört einfach zu uns.“ Vor 40 Jahren feierte der LKC das erste Mal und die jetzige Jubiläumsshow wird ein Rückblick auf vier Jahrzehnte „LKC -Helau“ – so der Motivationsschrei der Faschingsgemeinde. Dieter Scherbarth, „Schappi“, 65 Jahre alt, ist seit 1980 und damit fast von Anfang an dabei. Er erinnert sich: „Es gab ja punktuell Fasching im Lindenpark, aber so langweiliger Sitzkarneval. Wir wollten was Frisches für die Jugend.“ Sie wollten es richtig machen, dazu gehörte ein Prinzenpaar, Tanzeinlagen und Sketche. Der Elferrat brauchte Uniformen. „Dafür haben wir uns Kellnerjacken gekauft und schwarze Revers und Manschetten angenäht.“ Inhaltlich wollte man vor allem lustig sein und weniger politisch. Es war ja sowieso gefährlich: „Man wusste ja nie, was im Saal sitzt“, sagt Schappi. Und die Büttenrede wurde in der Generalprobe von einer befugten Autorität abgenommen.

Heute dürfte man alles sagen – aber Büttenreden sind beim Publikum nicht mehr gefragt, sagt Ralph Richter, der für den LKC die Öffentlichkeitsarbeit macht. „Die Leute wollen Spaß und Tanzen, für’s Zuhören haben sie wenig Geduld.“ Der LKC geht mit dem Publikum mit und nach wie vor ist der Lindenpark-Fasching sehr angesagt in Potsdam. Zu DDR-Zeiten verkauften sie 1000 Karten pro Abend, heute sind so viele nicht mehr erlaubt im Saal, aber trotzdem ist der Samstag schnell ausverkauft – und der Saal rappelvoll. Freitag geht auch gut, und zur Sonntagsvorstellung kommen traditionell befreundete Vereine aus der Region, aber auch aus dem Erzgebirge.

Zahlreiche Preise für Gardegruppe

Man pflegt den Austausch. Die Tanzgruppen nehmen sogar an Wettbewerben teil. Die Gardetruppe hat zahlreiche Meistertitel vorzuweisen und Funkenmariechen Ellen Lehmann wurde einmal sogar Deutscher Meister. Auch das Männerballett ist rege. Vor wenigen Tagen belegten die LKC-Männer in Königs Wusterhausen den dritten von neun Plätzen. Auf 16 hüpfende Männer mit Perücken und Polster-BHs ist stets Verlass. Das Ballett ist Publikumsliebling. Dafür nehmen sie einiges auf sich. Einmal haben sie sich Plateauschuhe in Männergrößen gebastelt. „Einfach Styropor unter die Sohle geklebt“, sagt Schappi. „Muss ja nur ein Wochenende halten.“

Schappi ist heute Mitglied der Deko-AG. Jedes Vereinsmitglied ist irgendwo aktiv dabei, in der Programmkommission oder in der Abteilung Kostüm. Neue müssen sich ein Jahr lang beweisen, bevor sie fest aufgenommen werden. Knapp 70 sind sie zurzeit, dazu kommt die Gardetanzgruppe. Ältestes Mitglied ist Eva Wilk, 82, sie macht die Kasse. Die Jüngsten sind Teenager und manche schon einige Jahre dabei, immer mit den Eltern mitgegangen. Die Begeisterung für Verkleiden und Spaß haben wollen ist so alt wie die Menschheit, sagt Ralph Richter: „Schon die Ureinwohner in Australien bemalten sich ihre Gesichter und tanzten ums Feuer“, sagt er.

Geschichtsstunde mit dem LKC

Diese ewige Lust an Kostüm und Klamauk ist auch Thema des diesjährigen Programms. In einer fiktiven Schulstunde wird die Geschichte der Menschheit erzählt, und egal, um welche Epoche es geht: Der LKC war immer dabei, in der Steinzeit, im Mittelalter, in der Zukunft auf dem Mond, alles Themen der vergangenen Jahre. Die Gesamtleitung liegt dabei stets in den Händen der Potsdamer Choreografin Marita Erxleben. Und wenn die Woche vorbei ist, geht alles von vorne los. Spätestens im Sommer wird das neue Programm zusammengestellt. „Für mich ist das alles total entspannend“, sagt Ellen Schlieben, die den in Potsdam berühmten LKC-Kinderfasching Sonntagnachmittag leitet und außerdem beim Aufbauen und Dekorieren hilft. „Kein Telefon, dafür Pinsel und Farbe, das ist ein guter Ausgleich zum Job.“

Während am Mittwoch im Saal die Tänzer proben und Wände bemalt werden, richten andere draußen das Standesamt her: ein plüschiger Bauwagen mit Schubidubeleuchtung, in dem unter der Maxime der Kussfreiheit sehr kurze Ehen geschlossen werden. Ein Prinzenpaar habe mal in echt am 11.11. geheiratet, aber die Ehe hielt leider nicht, erzählt Schappi. „Aber Fasching wird es immer geben“, sagt PR-Mann Richter. „Die Menschen verkleiden sich einfach gerne.“

Das närrische Potsdam: Wer feiert wo und wann:

Der Potsdamer Karnevalsclub e.V., der PKC, feiert am Samstag im Gasthaus zum Lindenhof an der Neuendorfer Straße 70 in Potsdam-Drewitz, Karten gibt es unter Tel. 9514518 und kosten 13 Euro, Beginn ist um 18 Uhr. Am Samstag, dem 9. März, ist der PKC zu einer After-Karnevals-Party auf dem Restaurantschiff John Barnett in der Schiffbauergasse zu Gast, Beginn ist um 19,30 Uhr, der Eintritt ist frei. Der Lindenpark Karnevals Club, der LKC-Babelsberg e.V., feiert Freitag bis Montag täglich im Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76/78. Die Show beginnt um 20 Uhr, Einlass ist ab 18.30 Uhr. Getanzt wird, bis der Letzte geht. Am Rosenmontag gibt es abends für Studenten den Spezialpreis von 5 Euro Eintritt. Das Motto dieses Jahr: „Love, Peace and Kisses for free, 79 erwachte der LKC“, wobei das ,C’ englisch ausgesprochen wird, damit es sich reimt. Am Sonntag findet im Lindenpark zudem der traditionelle Kinderfasching statt. Um 15 Uhr geht’s los, der Eintritt kostet pro Nase, ob klein oder groß, 3.50 Euro.

Wissenswertes: Karneval heißt in Brandenburg Fasching, auch wenn das in Vereinsnamen nie vorkommt. Gäste sind angehalten, sich zu kostümieren. Die Definition ist weit gefasst: Auch eine lustige Mütze oder besonderes Make-Up und Frisur werden akzeptiert. So saß Regine Hildebrandt einst mit Perücke im Elferrat des LKC. Während der Faschingszeit herrscht Kussfreiheit und im Lindenpark-Standesamt darf man sogar heiraten. Diese Ehen lösen sich allerdings Aschermittwoch von selbst auf.

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