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Das Team von "Nackte Tiere" um Regisseurin Melanie Waelde (l.).

© Manfred Thomas

Potsdam auf der Berlinale 2020: Ein Film, der leuchtet

Es ist durch und durch eine Potsdamer Produktion: Ein Gespräch mit der Crew des Films "Nackte Tiere", der am Freitag auf der Berlinale Weltpremiere feierte.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Mehr als 1000 Kilometer sind sie gefahren, um die passenden Drehorte zu finden. Durch Berlin und Brandenburg,  durch den Potsdamer Schlaatz, durch Rehbrücke - nicht unbedingt in die schönen Ecken. Schön sollten sie auch nicht sein, die Orte, die Isabelle C. Schnabel und Marcel Bonewald für „Nackte Tiere“ aussuchen mussten. Denn der Film der Potsdamer Regisseurin Melanie Waelde, der am gestrigen Freitag Weltpremiere auf der Berlinale feierte, erzählt von fünf eher orientierungslosen Brandenburger Jugendlichen.

Im Mittelpunkt der Clique, die kurz vor dem Abitur steht, bewegt sich Katja, grandios eindringlich gespielt von Marie Tragousti. Wie die meisten ihrer Freunde hat sie zu Hause Probleme, die Clique ist die Familie. Im Ju Jutsu kann sie sich ausdrücken, kämpft hart im eigenen Training und motiviert ihre Schüler mit spielerischer Strenge. Ihre Kampfleidenschaft teilt sie mit Sascha (intensiv: Sammy Scheuritzel), mit dem sie sich auch privat öfter mal kabbelt. Die zarte Gewalt ist ihr Ausdrucksmittel, was nicht immer nur Respekt, sondern auch Angst bei ihren Freunden auslöst. Bei Benni (herzzerreißend: Michelangelo Fortuzzi) zum Beispiel, der in der Welt der Heranwachsenden verloren scheint.

Marcel Bonewald (Production Design) im Gespräch mit PNN-Redakteurin Sarah Kugler.
Marcel Bonewald (Production Design) im Gespräch mit PNN-Redakteurin Sarah Kugler.

© Manfred Thomas

Das Filmteam kennt sich schon lange

Dementsprechend karg sind die Landschaften des Films, eher trostlos die Gebäude. Weil sie eben auch den emotionalen Zustand der Protagonisten transportieren sollen, wie Marcel Bonewald sagt. Sowohl er als auch Isabelle C. Schnabel studieren derzeit im Master „Production Design“ an der Babelsberger Filmuniversität und waren für sämtliche Drehorte des Films sowie deren Gestaltung zuständig. „Wir erschaffen die Welten, hauchen ihnen Leben ein“, sagt Bonewald am Freitag kurz vor der Filmpremiere in Berlin

Für ein kurzes Gespräch trifft sich die - bereits festlich gekleidete - Filmcrew mit den PNN im Cinemaxx am Potsdamer Platz. Viel Zeit hat sie nicht, umso schneller und euphorischer sprechen alle von ihrem Film. Sie kennen sich schon lange, haben bereits mehrere Kurzfilme miteinander produziert. „Es ist so absurd schön, dass wir jetzt unseren ersten Langfilm gemeinsam kreiert haben“, sagt Marcel Bonewald. Er und Drehbuchautorin sowie Regisseurin Melanie Waelde haben zusammen auf dem Babelsberger Filmgymnasium ihr Abitur absolviert, beide leben in Potsdam. „Ich zwar nicht, aber ich fühle mich wie eine Potsdamerin“, wirft Isabelle C. Schnabel ein und lacht dabei. Die Stimmung ist fröhlich, aufgeregt wegen der Premiere sind sie aber alle.

Das Schauspielteam von "Nackte Tiere" mit Regisseurin Melanie Waelde vor der Weltpremiere auf der Berlinale.
Das Schauspielteam von "Nackte Tiere" mit Regisseurin Melanie Waelde vor der Weltpremiere auf der Berlinale.

© Manfred Thomas

Ein blaues Leuchten durchzieht den Film

Auch weil das Team den Film schon so lange begleitet. Am Drehbuch hat Waelde einige Zeit gearbeitet, die fertige Version ist bereits die siebte Fassung. Eine der allerersten hat Maskenbildnerin Franziska Mayntz schon vor einigen Jahren gelesen. Auch sie hat ihr Abitur am Filmgymnasium absolviert und eng mit den beiden Production Designern zusammengearbeitet. Überhaupt sei der Film das Ergebnis einer sehr engen Teamarbeit, wie Melanie Waelde betont, die verschiedenen Gewerke haben schon früh viel besprochen, um an einem Strang zu ziehen. „Es sollte sich eine bestimmte Atmosphäre durch den Film ziehen, farblich, vom Look her“, sagt Franziska Mayntz.

Und das ist gelungen. Nichts ist hier glamourös, alles wirkt etwas trostlos, die Teenager haben ein „kränkliches, radikales Aussehen“, wie Mayntz es nennt. „Sie wirken ja quasi ungeschminkt, manche Pickel habe ich dazu kreiert.“ Stets fließen dabei Maske, Kulisse und Kostüm zusammen, ergänzen sich, gehen ineinander über. Das Fantastische: Trotz grauer Betonwände und unstylischem Look der Jugendlichen, leuchtet der Film. Weil er in ein ganz besonderes Licht getaucht ist – und weil sich eine Farbmischung durchzieht, in der Blau stets zu dominieren scheint.

Fliesen aus Pappe

So auch im Bad einer der Teenager-Wohnungen, das mit grün-bläulichen Fliesen bestückt ist. Isabelle C. Schnabel und Marcel Bonewald haben sie selbst hergestellt: aus Pappe, Lack und Acrylfarbe. Mehrere Farbschichten waren nötig, um den richtigen Look schaffen zu können. „Der war herkömmlich nicht zu bekommen“, sagt Bonewald. Auch beim Licht mussten sie improvisieren, da kein professionelles Lichtdepartment beim Dreh dabei war. „Wir hatten nur diverse Lampen, die man vielleicht noch dimmen konnte“, erzählt Schnabel. Eine der größten Herausforderungen sei es gewesen, trotzdem den Stil des Films durchzuziehen.

Dass all diese Schwierigkeiten dem Film nicht anzumerken sind, ist nicht unwesentlich Jessica Schneller zu verdanken. Sie hat das Filmmaterial geschnitten, zunächst auf drei Stunden, dann auf die finalen 83 Minuten. Auch mit ihr arbeitet Melanie Waelde schon lange zusammen. „Ohne sie geht gar nichts“, sagt die Regisseurin. „Sie guckt das Material nochmal vollkommen neu an.“ Sehr intuitiv habe Jessica Schneller gearbeitet, wie sie selbst sagt, beim Schneiden immer wieder etwas vom Material runtergenommen. „Ich war auch beim Dreh dabei, kannte die Motive vor Ort, das hat sehr geholfen, um ein Gefühl für den Film zu bekommen“, sagt sie. Umgekehrt habe auch sie Input zum Dreh gegeben. „Insgesamt herrschte ein unglaubliches Vertrauen auf allen Seiten, wir haben uns alle gegenseitig inspiriert“, sagt Marcel Bonewald.

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Herausgekommen ist dabei mit „Nackte Tiere“ ein Film, der nicht nur mit einem faszinierenden Look und einem grandiosen Schauspiel überzeugt, sondern der auch Brandenburger Jugendliche in einer rauen Zartheit zeigt, die selten ist. Das authentische Schwanken zwischen Kind- und Erwachsensein, das nicht Zulassenwollen der Gefühle, die gleichzeitige Suche nach Geborgenheit: Das alles zeigt der Film ohne seine Figuren in Teenager-Klischee-Schubladen zu stecken. Fast unnahbar sind sie, diese fünf - allen voran Katja – und doch hat man sie liebgewonnen am Ende des Films. Glaubt sie gar zu kennen, diese ganz und gar unperfekten und dadurch so schönen Figuren.

>>Regulärer Kinostart am 17. September

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