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Landeshauptstadt: Wo ist Lenin?

Eine 2004 verschwundene Statue des früheren Kommunistenführers soll wieder nach Potsdam zurückkehren. Wo sich das eingetragene Denkmal befindet, ist allerdings unklar. Eine Spurensuche

Von Matthias Matern

Wo ist Lenin? Selbst in der Potsdamer Stadtverwaltung ist man momentan etwas überfragt. Die einzigen beiden Mitarbeiter, die es angeblich genau wissen sollen, seien derzeit im Urlaub beziehungsweise länger außer Dienst, entschuldigt sich Stadtsprecherin Christine Weber. Seit die umstrittene bronzene Statue vor zehn Jahren von ihrem Sockel in der Hegelallee verschwand, hat sie aus der Stadt vermutlich keiner mehr gesehen. Dabei ist das etwa lebensgroße Abbild des früheren Kommunistenführers ein eingetragenes Denkmal und muss möglichst bald wieder in Potsdam aufgestellt werden, fordert jetzt das brandenburgische Landesdenkmalamt. Doch die letzte verlässliche Nachricht vom Verbleib der Statue ist mehr als ein Jahr alt.

Demnach liegt oder steht die Bronzefigur nach wie vor eingemottet in oder bei Oldenburg und wartet, so weit man den Angaben ihres Besitzers glauben darf, dort auf ihre Sanierung und baldige Rückkehr nach Potsdam. Das zumindest hätte der Eigentümer noch Anfang 2013 der Stadt auf Nachfrage mitgeteilt, so Stadtsprecherin Weber nach ausführlicher interner Recherche. „Wann und wo das sein soll, dazu haben wir keine konkreten Informationen.“

Bei dem, dem Lenin gehört, handelt es sich um den Oldenburger Projektentwickler Dirk Onnen, der mit seiner Firma Norddeutsche Boden AG auch in Potsdam schon mehrere Vorhaben verwirklicht hat. Auf seiner Internetseite preist sich Onnen als Experte für knifflige Bauvorhaben mit denkmalpflegerischen Charakter an. 2003 erwarb er in Potsdam den kleinen Park vor dem ehemaligen Konzerthaus und späteren Haus der Offiziere. Nach PNN-Informationen ließ Onnen ein Jahr später die dortige Leninfigur ohne Segen der Denkmalschützer vom Sockel heben und abtransportieren. Trotz mehrerer Anfragen war von Onnen keine aktuelle Stellungnahme zu bekommen. Man habe ihm die Anfrage ausgerichtet, doch Herr Onnen sei leider nicht zu erreichen, hieß es aus seiner Firma.

Dabei dürfte es vor allem der Potsdamer CDU nur zu recht sein, wenn das Abbild des ehemaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Russlands und späteren Regierungschef der Sowjetunion verschollen bliebe. Bereits 2006 hatte die Partei im Stadtparlament mit einem eigenen Antrag versucht, das Wiederaufstellen Lenins zu verhindern, ihn stattdessen ins Depot zu verbannen und eine Streichung der Statue aus der Denkmalliste des Landes zu erreichen. Das Argument: Der Terror in der Sowjetunion habe nicht mit Stalin, sondern schon mit Lenin begonnen, Hunderttausende Menschenleben habe er auf dem Gewissen. Nach heftigen Debatten, nicht zuletzt mit der Linken, einigten sich die Verordneten stattdessen darauf, die Verwaltung zu beauftragen, „in Gesprächen mit dem Eigentümer dafür zu werben, dass die angekündigte Wiederaufstellung des Lenindenkmals in der Hegelallee unterbleibt und gleichzeitig die Überprüfung seines Denkmalstatus zu beantragen.“ Empfohlen werde, „dass die Statue in angemessenem Kontext der zeithistorischen Präsentationen des Potsdam-Museums seinen Platz findet.“ Ein Kompromiss, zu dem die CDU noch immer stehe, so Matthias Finken, neuer Chef der Stadtfraktion.

Die Streichung des Schutzstatus hat das Landesamt im vergangenen Jahr abgelehnt. Und das, obwohl vom 1987 unter Schutz gestellten Denkmal außer der Statue nichts mehr übrig ist. „Solange ein Denkmal noch vorhanden ist, wenn auch nur in Teilen, bleibt es auf der Liste“, stellt Brandenburgs oberster Denkmalschützer und Landeskonservator, Thomas Drachenberg, klar. Eine Ausstellung im Museum sei durchaus eine Lösung, aber dies müsse die Stadt mit dem Eigentümer klären. Hauptsache, das Denkmal sei bald wieder „sichtbar da“, so Drachenberg.

Wie berichtet entzündet sich immer wieder Streit über den richtigen Umgang mit Lenin. Gerade wird etwa in Finsterwalde darüber gestritten, ob ein Relief mit seinem Profil als Teil eines Parkensembles unter Schutz gestellt werden darf. Wieder macht vor allem die CDU gegen die Pläne mobil. In Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin erhitzen sich dagegen derzeit die Gemüter, ob DDR-Opfer ein dortiges Lenin-Denkmal symbolträchtig verhüllen dürfen. Schwerins Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Linke) hatte die Verhüllung zunächst verboten.

Zumindest in Potsdam aber hat der Elan der CDU offenbar etwas nachgelassen. Noch 2006 etwa forderte der damalige CDU-Stadtverordnete und heutige Landtagsabgeordnete Steeven Bretz die Verbannung eines weiteren Lenins. Die steinerne Büste, die im Waldpark des früheren Buga-Geländes auf einem Hügel steht, müsse unverzüglich weg, hatte Bretz gefordert – allerdings vergeblich. Sie ist immer noch da. Für Finken kein Problem: „Der liegt da ja mehr oder weniger nur rum und ist schon fast vergessen.“

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