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Fremde Milch: Von wegen Brandenburg

Jeder kennt sie und glaubt: Die Milch in den blauen Milchkartons kommt aus der Region. Auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele dachte das

Potsdam - Zwei Liter frische Vollmilch trinkt Hans-Christian Ströbele (71) nach eigenem Bekenntnis täglich. Und wenn der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete zweimal wöchentlich seine Milchrationen kauft, dann achtet er darauf, dass sein Getränk aus der Region stammt, um so die heimische Wirtschaft und die Bauern Brandenburgs zu unterstützen. Doch nun musste er erfahren, dass sein Milchkonsum regionalpolitisch nicht voll korrekt ist. Denn Ströbele kaufte neben anderen Milchsorten aus der Region auch die der „Mark Brandenburg“ – eine Marke des niederländischen Konzerns FrieslandCampina. Und dieser Hersteller, so fand Ströbele heraus, erweckt zwar auf seinen Packungen groß und breit den Eindruck, ein Brandenburger Produkt auszuliefern, liefert aber tatsächlich seine Milch von sonst woher.

Er habe, sagte Ströbele am Montag den PNN, in seiner „Funktion als Verbraucher in einem Moment der Langeweile die Aufdrucke auf den Milchkartons studiert“. Ergebnis: Die Frischmilch wird in Köln abgefüllt. Milch von Brandenburger Kühen ist nicht drin. Das hat ihm die Molkerei jetzt schriftlich gegeben. „Die Frischmilch wird aufgrund der kurzen Transportwege zum Werk Köln überwiegend von Landwirten aus Nordrhein-Westfalen bezogen, der Rest kommt aus Hessen und Rheinland- Pfalz“, heißt es in dem Brief. Ströbeles Fazit: „Ich fühle mich als Verbraucher betrogen. So etwas gehört nicht nur abgemahnt, das gehört verboten.“ Er sei empört gewesen. Dabei stört ihn nicht einmal, dass es sich um eine bundesrepublikanische Mixmilch handelt und dass in Berliner und Brandenburger Regalen Milch aus Köln stehe. Er will nur, dass es groß und breit auf der Verpackung steht. „Dann sollen sie doch einfach – gut lesbar – draufschreiben, dass 20 Prozent der Milch aus Brandenburg und der Rest aus Nordrhein-Westfalen oder so kommen.“ Der Verbraucher könne dann immer noch entscheiden, ob er das Produkt will.

Er selbst habe den Hinweis mit Köln als Herkunftsort für die schein-brandenburgische Milch mit bloßem Auge gar nicht erkennen können, dafür „aber an fünf Stellen sehr groß und auffällig Mark Brandenburg“ gefunden. „Das ist Irreführung des Verbrauchers“, so der Grünen-Politiker mit Bundestagsdirektmandat in Friedrichshain-Kreuzberg. Daher will er sich – als Bundespolitiker und als Verbraucher – mit den Ergebnissen seiner privaten Milchrecherche an das Bundesverbraucherministerium von Ilse Aigner (CSU) wenden. „Denn hier werden Verbraucher wie ich getäuscht, die ökologisch bewusst Regionalprodukte kaufen möchten“, schrieb Ströbele an den Bundesverband Verbraucherzentrale. „Konkurrierende tatsächliche Regionalanbieter hingegen werden benachteiligt.“ Der Verbraucher Ströbele hat ein Ziel: „Deutliche Hinweise auf die Herkunft des Produktes, sodass der Verbraucher frei entscheiden kann, ob er das Produkt zu dem höheren Preis auch aus Köln kaufen will.“ Schließlich, so Ströbele, seien die Preise für regionale Milch um etwa 40 Prozent höher als die für die Eigenmarken der Supermarktketten.

Den Vorwurf der Irreführung hatten Berliner Verbraucherschützer schon 2007 erhoben und eine Unterlassungserklärung von Campina erwirkt. Damals stand der Hinweis zum Abfüllort bei den Nährwertangaben und schon damals stammte die Vollmilch aus Köln. Die Verbraucherzentrale erklärte seinerzeit, die Irreführung sei offenbar gewollt, denn die Milch werde nur in Berlin und den neuen Bundesländern verkauft. Campina verpflichtete sich, deutlich auf die Herkunft der Produkte hinzuweisen. Seither steht auf dem Vollmilchkarton unter dem Markenbild „Abgefüllt in Köln“. Bei der haltbaren H-Milch steht auf dem Tetrapack „Abgefüllt in Weißenfels“, also Sachsen-Anhalt. Und so lässt sich das bei allen Produkten der Marke prüfen: Der Magerquark kommt aus Köln, die Butter wird abgepackt in Prenzlau. Auch der Kräuterquark wird in Prenzlau hergestellt – aus Milch von Brandenburger Kühen. Auf dem Becher prangt das Siegel: „Produkt aus unserer Region.“ FrieslandCampina versicherte, dass der „überwiegende Teil der Milch“, die man für die anderen Produkte einsetze, aus der Mark kommt und in Prenzlau und Elsterwerda verarbeitet wird. Die bereits vor Jahren durchgeführte Verlagerung der Produktion für Frischmilch nach Köln sei „ausschließlich aus Gründen der Qualitätssicherung“ erfolgt. Die Technologie dafür sei in den Brandenburger Werken nicht vorhanden, die Umrüstung zu teuer.

Der Verbraucherzentrale Brandenburg aber reicht die 2007 erwirkte Kennzeichnung noch nicht. Der Verbaucher könne leicht getäuscht werden, da es eine geschützte Marke sei und nicht unbedingt auf die Herkunft hinweise, sagte Veronika Wrobel den PNN. Das erkenne man erst auf den zweiten Blick. Klarheit bringe nur das europäische, ovale Identitätskennzeichen. „Wenn dort das Kennzeichen mit BB anfängt, ist das Produkt aus Brandenburg“, sagte Wrobel. Jetzt setzen die Verbraucherschützer auf eine Neuregelung durch Bund und EU.

Erst 2011 stellte die Verbraucherzentrale bei mehr als 90 Prozent von 61 regional beworbenen Produkten Informationsmängel fest. Firmennamen suggerierten oft eine regionale Herkunft, hieß es. Erwähnt wurden auch „Eberswalder“ (Bratwurst) und „Werder Feinkost“ (Ketchup). Die fehlende rechtliche Regelung von Regionalwerbung führe die Verbraucher in die Irre, kritisierte die Verbraucherzentrale. „Für eine klare Information der Verbraucher benötigen wir gesetzlich verbindliche und einheitliche Kriterien, die Verlässlichkeit schaffen.“ Auch der Bauernverband ist nicht glücklich. „Es ist korrekt, aber nicht schön“, sagte ein Sprecher am Montag. Denn „Mark Brandenburg“ sei keine Herkunftsbezeichnung, die geschützt ist wie Thüringer Rostbratwurst, Spreewälder Gurken oder Schwarzwälder Schinken. „Damit ist die Markenbezeichnung nicht gleichzusetzen.“ Auch Sachsenmilch ist so eine Marke, produziert wird in Sachsen, aber laut Kundenservice ein Milchmix aus Sachsen, Thüringen, Polen, Tschechien – und Brandenburg.(mit thm)

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