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Potsdam-Mittelmark: Verzicht auf den Tapetenwechsel

Im restaurierten Landarbeiterhaus am Zehlendorfer Damm wird es jetzt Kulturveranstaltungen geben

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Sanierung bedeutet nicht zwangsläufig neue Wände und Böden und das Aufhübschen des Alten. In Kleinmachnow versteht man darunter etwas anderes: Im gerade fertiggestellten Kunst- und Kulturraum im Zehlendorfer Damm 200 sind die von Generationen übereinandergeklebten Tapeten an den Wänden geblieben. Die Böden wurden nur ausgebessert, wo es nötig war. An jeder Wand des 140 Quadratmeter großen Erdgeschosses sind Spuren aus der Vergangenheit zu erkennen – sei es Schmutz, Farbe oder Abdrücke.

Der Kleinmachnower Architekt Thomas Klatt hat mit der Geltower Restauratorin und Künstlerin Elka Beutel das ehemalige Landarbeiterhaus aus der Jahrhundertwende nach drei Prinzipien umgebaut: „Oberste Maxime war, so viel wie möglich zu erhalten“, erklärt der Architekt vom Büro Werkgruppe bei der Bauabnahme am Donnerstag. „Unser zweites Ziel war es, das Haus auf seine ursprüngliche Grundstruktur zurückzubauen.“

Nach sechs Jahren Leerstand erstrahlt das Backsteinhaus seit Donnerstag also in neuem alten Glanz. Die früheren Besitzer mussten damals ausziehen, weil das Gebäude baufällig geworden war. Zuletzt hatte die Familie Schöwel, die wenige Meter weiter ihre Gärtnerei betreibt, dort gelebt, erzählt Bürgermeister Michael Grubert (SPD). Jetzt gehört es der Kommune. In den vergangenen Jahren fanden im Erdgeschoss immer wieder einzelne Kulturveranstaltungen statt – ein dauerhafter Betrieb war aufgrund des Zustands nicht möglich.

Wie berichtet beschloss die Gemeinde im vergangenen Jahr eine Notsanierung, um das Erdgeschoss für Kleinkunst nutzbar zu machen. Insgesamt flossen fast 195 000 Euro, um das Erdgeschoss zu entkernen, einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen und moderne Haustechnik einzusetzen. Früher hatten in dem Haus vier Familien gelebt. Im Laufe der Jahre wurde die Aufteilung von den Besitzern verändert. Jetzt wurden zwei der Wohnungen zu einem Saal zusammengelegt. Mit seinen 75 Quadratmetern bietet er Platz für 90 Personen. Dort sollen künftig Lesungen und Aufführungen stattfinden. Die drei weiteren Räume mit je 25 Quadratmetern können für Ausstellungen genutzt werden.

In jedem Raum blitzt helles Holz inmitten ausgebleichter Holzdielen auf – ein weiteres Prinzip bei der Sanierung der Innenräume. „Wenn etwas ausgebessert werden musste, dann wurde helles Holz verwendet“, erklärt Restauratorin Beutel. Es steht im Kontrast zu den verblichenen Farben an den Wänden und Türen und den ausgetretenen Dielen. Auf einen Blick erkennt man so, was alt und was neu ist. Stärker wird der Kontrast in den komplett neuen Bereichen, den Toiletten etwa und der kleinen Küche. Sie sind mit dunklem Holz ausgestattet. „Für alles neu Gebaute haben wir Furnier-Sperrholzplatten benutzt“, erklärt Klatt.

Die Liebe zum Detail erkennt man erst auf den zweiten Blick. Was aussieht wie nicht fertigtapeziert, ist eigentlich vorsichtig freigelegt worden. Restauratorin Beutel ist dafür selbst ans Werk gegangen: „Damit die Tapetenreste von mehreren Generationen an der Wand kleben bleiben, habe ich sie mit einem speziellen Leim befestigt.“ Beim Pinseln ist sie auf Zeitreise gegangen, die älteste Tapete ist von 1928. Beutel hat auch eine alte DDR-Zeitschrift entdeckt, die als Makulatur für die Tapete hergehalten hatte. „Einer der Bauarbeiter kannte die Zeitung noch“, erzählt Beutel mit einem Lachen.

Stolz zeigen Klatt und Beutel auch auf eine alte Treppenwange, die im Eingangsbereich an Stahlseilen hängt. Die alte Holztreppe nach oben wurde entfernt, die schwarzen Spuren des Treppenlaufs sind an der Wand zu erkennen. Für das Sanierungsteam ist das echtes Bewahren. Die Fantasie wird angeregt durch ein Holzstück und alte Tapetenreste.

Das Gebäude soll laut Bürgermeister Grubert den Kleinmachnower Vereinen „Die Brücke“ und „Kultraum“ zur Nutzung im Herbst übergeben werden. Auch die Außenanlagen wurden mit zwölf Parkplätzen und Fahrradständern neu gestaltet. Zur Langen Nacht der Kultur öffnet das neue „Z200-Landarbeiterhaus“ am 8. Juni erstmals seine Türen. Um 18 Uhr zeigt Fridolin Frenzel Malereien und Objekte. Von 20 bis 22 Uhr spielt die Band „The Beez“ und ab 23 Uhr gibt es eine Licht- und Feuerperformance.

Für den Heimatverein, der auch nach einem neuen Standort sucht, sei bereits ein anderes Objekt in Aussicht, kündigte Grubert an, und zwar in der Karl-Marx-Straße 117.

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