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Potsdam: Versperrter Uferweg am Groß Glienicker See

Enteignungsverfahren laufen, doch der Weg am Groß Glienicker See ist noch lange nicht frei. Ein Spaziergang mit dem Ortsvorsteher.

Von Valerie Barsig

Potsdam/Groß Glienicke - Winfried Sträter könnte stundenlang über den See reden. Am Ufer ist er gern, er geht oft schwimmen. Allerdings von der Spandauer Seite aus. „Denn auf der Badestelle steht dort abends die Sonne“, sagt er. Vor den meterhohen Hecken, die den Uferweg immer wieder versperren, erklärt er den mittlerweile Jahre währenden Konflikt um das Land am Wasser. Der Tonfall: gelassen.

Sträter ist ein Zugezogener, er kommt aus Nordrhein-Westfalen. Er lebte nicht am See, als der Uferweg noch der Postenweg der DDR-Grenzer an der Mauer war. Damals, als sie im Osten den Blick auf den See versperrte. Doch es war für ihn trotzdem schnell zu verstehen, dass es eine der ersten und wichtigsten Errungenschaften des Ortes nach dem Mauerfall war, den Uferweg für alle Bürger freizumachen. Frei für jeden, dessen Sicht und Leben vorher von der Mauer versperrt war. Am See, der schon immer zur Hälfte Berlin und zur anderen Hälfte – ja, wem eigentlich gehörte? Zunächst einmal dem Bund, bis zum ersten Seenpaket im Jahr 2012. Das Land Brandenburg einigte sich zu diesem Zeitpunkt mit der bundeseigenen Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft mbH (BVVG), 65 Seen zu übernehmen. Kostenpunkt: 3,74 Millionen Euro. Nach und nach folgten weitere See-Pakete – jüngst darin enthalten: der Groß Glienicker See.

Groß Glienicker See: Natur, die man gestalten kann

Als Sträter 1997 in den Ort zog, war er zunächst mit dem privaten Hausbau beschäftigt. „Viele Leute waren damals unzufrieden mit der Ortsentwicklung“, sagt er heute. Besonders der Zustand der Straßen sei ein großes Thema gewesen. Irgendwann beschloss er: Da muss man was machen. So entstand aus bürgerschaftlichem Engagement 2002 das Groß Glienicker Forum. Mit einem Bürgerentscheid 2003 wurde Groß Glienicke dann Ortsteil von Potsdam. „Ich habe mich in die Kommunalpolitik eingefuchst“, sagt Sträter, der seit damals im Ortsbeirat sitzt. Heute seien die Straßen im Ort bis auf eine einzige wieder in gutem Zustand.

An der Groß Glienicker Badewiese kann man von oben nach unten zum Wasser schauen, ein kleiner Flecken Sand lädt ein, selbst bei kühlem Sommerwetter die Schuhe auszuziehen und mit den Füßen im See zu waten. Ein paar Enten dümpeln im flachen Wasser, in der Ferne sieht man zwei Inseln. Der Blick aufs Wasser ist Sträter wichtig. „Man sieht den See viel zu wenig“, sagt er. Natürlich nicht an dieser Stelle. Geht man aber nur ein kurzes Stück nach links, blickt man auf dichtes Unterholz. „Natürlich muss man das Landschaftsschutzgebiet hier respektieren“, sagt er. „Aber das bedeutet ja nicht, dass man die Natur nicht gestalten kann.“ Damit unterscheidet sich Sträter vom Verein „Freies Groß Glienicker Seeufer“, der ein freies, wildes Ufer will.

Juristisch ist der Uferweg nicht mehr anfechtbar - trotzdem gibt es Probleme

Seit 1999 gibt es einen gültigen Bebauungsplan, der den zweieinhalb Kilometer langen Uferweg vorsieht. Er ist juristisch nicht mehr anfechtbar. Einige Anwohner haben dennoch den Uferweg, der über ihre Grundstücke führt, mit hohen Hecken gesperrt. Gut 65 Prozent der Uferwegflächen gehören der Stadt Potsdam. Eine Einigung mit den Eigentümern der anderen Grundstücke ist laut Stadt nur in zwei Fällen gelungen. Deshalb laufen nun seit geraumer Zeit Enteignungsverfahren (PNN berichteten). Ein Antrag auf eine schnelle Entscheidung bei der Enteignungsbehörde des Landes hat bisher nichts bewegt. So wachsen die Hecken, der Weg ist versperrt. „Das läuft alles einfach viel zu lange“, beklagt Sträter. Bei vielen Groß Glienickern wachse die Ungeduld, weil sich auf Landesebene nichts tue.

Was hinter dem Beharren der Grundstückseigentümer steckt, vermag Sträter nicht zu erklären – zumal die Lage anders ist als am Ufer des Griebnitzsees, wo der erste Bebauungsplan erfolgreich angefochten wurde. „Die Eigentümer hätten ja selber einen Nutzen davon, wenn sie um den See spazieren könnten“, findet Sträter. Inzwischen steht er vor einer Hecke, die das Ende des Weges markiert, der rechts von der Badewiese abgeht. Rund zwei Meter hoch ist sie und so dicht gewachsen, dass man den Zaunpfahl darin nur schemenhaft erkennen kann. Die Besitzer der Villa, die auch die Hecke gepflanzt haben, haben Kameras installiert, um den Weg zu überwachen.

Dass immerhin die Hälfte des Sees, die früher dem Bund gehörte, Anfang Juli vom Land an die Stadt übergeben wurde, erleichtere ihn, sagt der Ortsvorsteher. „Das macht die Situation auf jeden Fall nicht schlechter“, sagt er. Schon vor zehn Jahren habe man darauf aufmerksam gemacht, dass es besser wäre, wenn der See der Stadt gehören würde. Sträter wünscht sich, dass Stadt, Ortsbeirat und Eigentümer gemeinsam den Uferweg gestalten.

Zumindest der Ortsbeirat hat damit angefangen. Ein Stück weiter am See liegen die Boote des Angelvereins. Kurz dahinter stehen eine Bank und die silberne Skulptur des Künstlers Volkmar Haase, die an die Form des Sees erinnert. Ihr silberglänzendes Metall in Form einer Welle wirkt wie ein Fremdkörper zwischen den Bäumen. Welche Beziehung hat sie zum Uferweg? „Der Weg ist ein bürgerliches Unterfangen“, erklärt Sträter. Er solle entstehen, um die Natur zu nutzen. „Er soll aber mehr werden als nur ein Weg durch die Natur, er soll auch ein Uferkulturweg sein.“ Die silberne Welle ist der Anfang eines Skulpturenpfads. Eine zweite Figur, bestehend aus drei Steinen, entsteht bereits – gemeinsam von einer Künstlerin und Dorfbewohnern wird sie seit April gemeißelt. Im Oktober soll sie an der Badewiese aufgestellt werden. Ein weiterer kleiner Schritt, der als sichtbares Zeichen den Uferweg zurückholen soll.

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