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Landeshauptstadt: Suche nach neuen Mehrheiten

Die Potsdamer SPD will ein festes Bündnis ausloten – und nicht auf wechselnde Mehrheiten setzen. Das dürfte schwierig werden. Eine Analyse

Zumindest ein Ziel hat Mike Schubert. Der SPD-Chef sagt: „Die Potsdamer Tagespolitik muss berechenbar bleiben.“ Dafür will er ein Bündnis schmieden. Doch mit wem? Am Montag nach der Kommunalwahl ist in der Potsdamer Politik noch unklar, auf welche Mehrheiten sich Oberbürgermeister Jann Jakobs in den letzten vier Jahren seiner Amtszeit stützen kann.

Die Verhältnisse in der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung sind schwierig. Zehn Parteien und Wählergruppen sind ins Stadtparlament eingezogen, vorher waren es acht. Ein Bündnis benötigt für eine Mehrheit mindestens 28 Stimmen. Die SPD hat bei der Wahl 3,7 Prozent eingebüßt und hat jetzt 13 Stadtverordnete und zusätzlich die Stimme von Jakobs. Die Linke verlor sogar 5,7 Prozent, mit 14 Stadtverordneten stellt sie dennoch die stärkste Fraktion. Ein rot-rotes Modell wie auf Landesebene hätte damit keine Mehrheit und wäre auf einen dritten Partner angewiesen. Doch ist ein festes Bündnis auch gar nicht das Ziel der Linken, wie Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg (siehe Interview rechts) und Parteichef Sascha Krämer betonen. „Eine feste Kooperation für fünf Jahre wird es mit uns nicht geben – für mich vorstellbar ist maximal ein Schwerpunktpapier dazu, was in Potsdam erreicht werden soll“, sagt Krämer. Allerdings werde sich die Linke nicht zwingen lassen, alle Projekte der SPD und womöglich der Grünen als dritter Partner mitzutragen, so der Linke-Parteichef, der erstmals auch in die Stadtverordnetenversammlung einzieht.

So läuft es möglicherweise auf eine Neuauflage einer verkleinerten, vor allem bürgerlich orientierten Rathauskooperation hinaus. Schon nach 2008 hatte die SPD so ein Bündnis mit CDU/ANW, Grünen und FDP geschmiedet. Doch kurz vor der Wahl zerbrach es am Streit um Steuererhöhungen zugunsten der Finanzierung dringend benötigter neuer Schulen – Liberale und Union sperrten sich gegen stärkere finanzielle Belastungen für die Potsdamer. Doch in der CDU, die ihr katastrophales Ergebnis von 2008 um 2,3 Prozent verbessern konnte und nun neun Statdverordnete stellt, ist man um versöhnliche Töne bemüht. „Ich glaube, dass sich die Kooperation wieder finden wird“, sagt Fraktionschef Horst Heinzel. Noch am Wahlabend hatte auch CDU-Chefin Katherina Reiche erklärt, die Jahre der Kooperation seien gut für Potsdam gewesen. Ihr Parteivize Steeven Bretz sagt, ein Modell mit SPD und Linken wäre eine Verliererkonstellation, die für eine vielseitige Stadt wie Potsdam zu einseitig sei. Es liege nun an den Verantwortlichen, die Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu räumen.

Doch die Probleme sind zahlreich: SPD-Chef Schubert erinnerte daran, dass das Paket zum Bau neuer Schulen zwar für die nächsten Jahre, aber eben noch nicht vollständig ausfinanziert sei. So hatte Kämmerer Burkhard Exner (SPD) schon vor der Wahl durchblicken lassen, dass er zur Finanzierung der Infrastruktur der im Eiltempo wachsenden Landeshauptstadt – speziell für die Schulen – eine weitere Erhöhung der Grundsteuer auf Immobilien und Grundstücke für nötig hält.

Und noch ist nicht einmal ausgemacht, ob etwa die Grünen noch einmal eine Kooperation mittragen würden. Viele in der Partei hatten vor der Wahl wegen Dauerquerelen zwischen Fraktion und dem Grünen-Baudezernent Matthias Klipp mit einem Desaster gerechnet – doch mit 3,6 Prozent mehr stellen sie nun sieben Stadtverordnete, zwei mehr als bislang. „Damit hätten wir nie gerechnet“, sagt Parteichef Uwe Fröhlich. Zu möglichen Konstellationen müsse man sich nun beraten. Nur so viel: „Wir werden selbstbewusst in die Verhandlungen gehen.“ Zusammen hätten SPD, CDU und Grüne genau 29 Stimmen, eine knappe Mehrheit also. Dass das nach den Erfahrungen im Streit um die Schulfinanzierung tatsächlich für eine verlässliche Kooperation in den nächsten Jahren reicht, ist fraglich.

Doch weitere potenzielle Partner sind nicht in Sicht oder so klein, dass ihre Stimme nur wenig Gewicht hat. So ist die FDP-Fraktion Geschichte, einzig Parteichef Johannes von der Osten-Sacken schaffte es ins Stadtparlament. Die Hauptursache für den Absturz sei der ungünstige Bundestrend, sagt er. „Doch auch in der Stadtpolitik konnten wir unsere Standpunkte nicht klar genug machen.“ Einen Rücktritt – wie es als Konsequenz aus dem Debakel am Montag der Chef der Potsdamer Jungliberalen Dominique Römhild vollzog – schloss Osten-Sacken aus: „Alles hinzuschmeißen wäre keine sachgerechte Lösung.“ Die Teilnahme an einer weiteren Rathauskooperation kann er sich vorstellen: „Das kommt auf die Inhalte an.“

Zurückhaltender in punkto Regierungsbeteiligung gibt sich Peter Schultheiß, der auch zu den Wahlverlierern zählt: „Ich weiß noch nicht, was ich als Einzelkämpfer mache.“ Denn die Potsdamer Demokraten des einstigen CDU-Politikers verloren einen ihrer beiden Sitze – trotz vieler Plakate und einiger prominenter Namen. Dabei habe eine Partei wie die Alternative für Deutschland (AfD) aus dem Stand drei Mandate geholt, „obwohl die in Potsdam nichts weiter gemacht haben“, wie Schultheiß enttäuscht bemerkt.

Die AfD ist in Potsdam tatsächlich noch weitgehend unbekannt. In ihrem Wahlprogramm fordert sie, auf geplante Flüchtlingswohnungen im Wohngebiet Am Stern und im Staudenhof zu verzichten. Auch spricht sie sich für eine nicht näher ausgeführte „deutliche Reduzierung“ des Schulneubaupakets und gegen höhere Steuern aus. „Wir werden uns als Partei der Vernunft mit gesundem Menschenverstand einbringen“, sagt Parteichef Thomas Jung. Verhandlungen mit der AfD schließt die SPD aus. Auch eine Zusammenarbeit mit dem auf drei Fraktionssitze gewachsenen Bürgerbündnis, das im Wahlkampf gegen SPD-Filz im Rathaus wetterte, wird von den Sozialdemokraten derzeit nicht ernsthaft erwogen. Auch Bauunternehmer Wolfhard Kirsch, wohl der künftige Fraktionschef, klingt eher zurückhaltend: „Wir werden uns in aller Ruhe überlegen, mit wem wir zusammenarbeiten.“ Trotz aller Vorwürfe gegen ihn habe das Bürgerbündnis enorm zugelegt – unter anderem hatte die SPD erklärt, Kirsch verdiene sich mit einem auch von den Linken genehmigten Bauprojekt am Stern eine goldene Nase.

Zu den Gewinnern zählt auch Die Andere, die nun vier Stadtverordnete stellen und selbstbewusst Sitze in den Aufsichtsräten der städtischen Betriebe fordern. Zur Übernahme von Verwantwortung in einem Bündnis jedoch verlor die Wählergruppe kein Wort.

Da sich Jakobs auf das Risiko wechselnder Mehrheiten offenbar nicht einlassen will, muss er künftigen Bündnispartnern politisch entgegenkommen. Ende Juni soll eine neue Kooperation stehen. Die Verhandlungen dürften hart werden.

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