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Nahverkehr in Potsdam: Spitzenplatz für Potsdams Nahverkehr

Umfangreich und preisgünstig: In einer bundesweiten Studie schneidet Potsdams öffentlicher Nahverkehr sehr gut ab. Doch der Erfolg hat auch Schattenseiten.

Potsdam - Steigende Ticketpreise, überfüllte Trams und Busse, nicht barrierefreie Straßenbahnen oder Beschwerden über schlechte Taktzeiten – geht es um den Nahverkehr in Potsdam, stehen meistens die Probleme im Vordergrund. Es fällt eben auf, wenn etwas nicht wie gewünscht funktioniert oder teurer wird. Für sich genommen sind die Kritikpunkte meist berechtigt und oft gibt es sogar Pläne, die Missstände abzustellen – zum Beispiel bei der Modernisierung der Fahrzeugflotte oder dem Ausbau des Straßenbahnnetzes. Schaut man über den Tellerrand, entpuppt sich manches Problem allerdings als Petitesse.

Eine bundesweite Vergleichsstudie zeigt nämlich, dass das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs in Potsdam geradezu beispielhaft gut und zudem erschwinglich ist. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Hamburger Beratungsunternehmens Civity im Auftrag der Wochenzeitung „Die Zeit“. Demnach gehört das Nahverkehrsangebot in Potsdam zu den umfangreichsten Deutschlands und ist gleichzeitig sehr preisgünstig.

In Potsdam 32 Abfahrten auf 100 Einwohner

Mehr als 50 große deutsche Städte wurden für die Studie unter die Lupe genommen. Als Vergleichskriterium für das Angebot wurden dabei die Abfahrten herangezogen. Die Zahl der Abfahrten aller Busse und Bahnen von allen Haltestellen wurde zusammengezählt und durch die Zahl der Einwohner geteilt. „Die Zahlen zeigen, wie groß das Gefälle innerhalb der Republik ist“, schreibt „Die Zeit“. Nur sieben Städte sind besser als Potsdam, darunter Bonn, Würzburg und Dresden mit jeweils 35 Abfahrten je 100 Einwohner. In Potsdam sind es täglich 32 Abfahrten. In Berlin sind es nur 26 Abfahrten. Schlusslichter sind Köln, Duisburg und Hamm.

Noch besser schneidet Potsdam ab, wenn man neben dem Angebot auch den Preis berücksichtigt. Civity hat dabei aktuelle Preise für Einzelfahrscheine verglichen. In Potsdam kostet so ein Ticket seit der jüngsten Preiserhöhung zu Jahresbeginn 2,10 Euro – fast zehn Prozent mehr als zuvor. Die Preiserhöhung war umstritten, weil sie deutlich höher ausfiel als im Durchschnitt des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg. Dennoch ist der Einzelfahrschein in den 50 untersuchten Städten nur in Erfurt billiger. Dort kostet er zwei Euro. Dafür werden aber auch lediglich 19 Abfahrten pro 100 Einwohner geboten.

Immer mehr Menschen fahren mit den Trams und Bussen in Potsdam

Alle Städte mit einem besseren oder gleich guten Angebot – gemessen an der Zahl der Abfahrten – verlangen deutlich mehr Geld für den Einzelfahrschein als der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP). Kassel nimmt für das quantitativ gleiche Angebot 2,90 Euro. In Bonn und Wiesbaden, mit 35 beziehungsweise 34 Abfahrten besser als Potsdam, werden 2,80 Euro für den Einzelfahrschein kassiert. Hohe Preise bedeuten der Untersuchung zufolge auch nicht automatisch einen guten Nahverkehr: In Köln und Duisburg fahren Busse und Bahnen nur 17 mal je 100 Einwohner. Zahlen müssen Fahrgäste dort jedoch 2,80 Euro beziehungsweise 2,70 Euro.

Das gute Angebot zum günstigen Preis hat Folgen: Immer mehr Menschen fahren mit den Trams und Bussen des Potsdamer Verkehrsbetriebs. Im Jahr 2015 beförderte der ViP rund 31,9 Millionen Fahrgäste. 2012 waren es noch 29,3 Millionen gewesen. Beim ViP geht man davon aus, dass die Nachfrage weiter zunimmt – schon wegen der absehbar weiter steigenden Einwohnerzahl.

Ziel: Nicht noch mehr Autos auf Potsdams Straßen

Aber der Boom beim öffentlichen Nahverkehr ist auch politisch gewollt. Um das Wachstum der Stadt zu beherrschen, haben die Stadtverordneten das Stadtentwicklungskonzept Verkehr beschlossen. Laut seiner neuesten Version soll der Autoanteil am gesamten Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2025 auf 24 Prozent sinken. Derzeit sind es noch 29 Prozent. Mit einem attraktiven öffentlichen Nahverkehr will man erreichen, dass trotz steigender Einwohnerzahl nicht noch mehr Autos die Straßen verstopfen. Deswegen soll es Autofahrern auch nicht zu leicht gemacht werden, sich insbesondere in der Innenstadt wohl zu fühlen.

Auch Civity ist der Frage nachgegangen, wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit der Attraktivität für den Autoverkehr zusammenhängt. So seien die Preise für Bus und Bahn in elf ausgewählten großen Städten deutlich stärker gestiegen als die Parkgebühren. Inflationsbereinigt wurde Parken seit 2006 sogar um 1,5 Prozent billiger, heißt es in der „Zeit“. Vielerorts bekomme das Auto immer noch den Vorzug eingeräumt.

15 Millionen Euro Einnahmen im vergangenen Jahr, doch auch die Kosten steigen 

In Potsdam sieht es anders aus: In der barocken Innenstadt befindet sich die Parkzone 1. Wer in den Straßen zwischen der Hegelallee, der Hebbelstraße, der Charlottenstraße und der Schopenhauerstraße einen Parkplatz findet, muss heute pro Stunde doppelt so viel zahlen wie im Jahr 2006. In der Parkzone 2, dem Randbereich der Innenstadt, sind es immerhin noch 50 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor.

Dass immer mehr Menschen in Potsdam Busse und Trams benutzen, beschert dem Verkehrsbetrieb steigende Einnahmen. Etwa 15 Millionen Euro erwartete der Verkehrsbetrieb im vergangenen Jahr. Doch gleichzeitig entstehen auch neue Kosten. Und die sind höher als die Einnahmen. Tatsächlich decken die Ticketeinnahmen nur rund 40 Prozent des Budgets, der Rest kommt aus dem Querverbund mit den Stadtwerken, als Subvention von der Stadt oder als Fördermittel vom Land.

Tatra-Trams werden in Prag modernisiert

Das Wachstum verursacht Kosten: So lässt der ViP derzeit in Prag zwölf seiner alten Tatra-Straßenbahnwaggons aus den 1980er-Jahren modernisieren, damit sie noch acht weitere Jahre auf Potsdams Gleisen durchhalten. Kostenpunkt: 3,6 Millionen Euro. Und für die Verlängerung von acht Combino-Straßenbahnen werden in den nächsten zwei Jahren inklusive der Anpassung des Werkstattgebäudes 18 Millionen Euro fällig.

Damit auch künftige Neu-Potsdamer von Anfang an Bus und Tram benutzen, soll das Netz genau dort ausgebaut werden, wo neue Wohngebiete entstehen, also vor allem im Norden der Stadt. In diesem Jahr wird der sogenannte Nordast der Tram von der Viereckremise zum Jungfernsee um einen guten Kilometer verlängert. So sollen der Plattner-Campus am Jungfernsee und das SAP Innovation Center angebunden werden. 7,5 Millionen Euro werden investiert. Ein Schnäppchen verglichen mit dem, was in ein paar Jahren nötig sein wird, wenn die Tramstrecke in das geplante neue Stadtviertel für gut 3800 Bewohner auf dem ehemaligen Kasernengelände Krampnitz verlängert wird. Dafür rechnet der ViP mit 36 Millionen Euro – und mit vielen neuen Fahrgästen.

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