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Hollywood in Babelsberg: Spielberg dreht auf der Glienicker Brücke

Oscar-Preisträger Steven Spielberg verfilmt die Geschichte hinter dem Agentenaustausch von 1962 – mit Tom Hanks in der Hauptrolle.

Potsdam/New York - Der dreifache Oscar-Preisträger Steven Spielberg („Schindlers Liste“) kommt für den Dreh seines neuen Agententhrillers mit Tom Hanks in der Hauptrolle nach Potsdam. Studio Babelsberg ist als Koproduzent und ausführender Produzent für die gesamten Dreharbeiten in Deutschland zuständig, bestätigte Unternehmenssprecher Eike Wolf am Montag auf PNN-Anfrage: „Drehstart ist noch im Herbst.“ Spielberg bringt mit dem Film die historischen Ereignisse auf die Leinwand, mit denen die Glienicker Brücke im Kalten Krieg ihren weltweiten Ruf als Agentenbrücke begründete (PNN berichteten): Er verfilmt die Hintergründe des spektakulären Agentenaustausches vom 10. Februar 1962, als auf der damaligen Grenzbrücke zwischen Ost und West der CIA-Spion und Air-Force-Pilot Francis Gary Powers und KGB-Agent Rudolf Iwanowitsch Abel die Seiten wechselten.

Neben Hanks stehen unter anderem auch Amy Ryan („The Wire“), Billy Magnussen („Boardwalk Empire“) und Sebastian Koch („Stauffenberg“) vor der Kamera. Das Drehbuch für die Leinwandadaption der Agentenstory schrieben die Coen-Brüder („The Big Lebowski“) nach einer Vorlage des Briten Matt Charman. In New York wird für den Film laut der US-Produktionsfirma Dreamworks bereits seit Anfang September gedreht. „Wir freuen uns natürlich, nach so bekannten Regiegrößen wie Roman Polanski, Quentin Tarantino und Roland Emmerich nun auch Steven Spielberg bei uns in Babelsberg begrüßen zu dürfen“, sagte Studiosprecher Eike Wolf. Finanzielle Unterstützung für das Projekt kommt auch vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der gemeinsamen Filmförderung beider Länder: 500 000 Euro fließen in den Spielberg-Film, wie Medienboard am Montag mitteilte.

Nach PNN-Informationen wird Spielberg auch am historischen Schauplatz auf der Glienicker Brücke drehen und die Brücke dafür komplett gesperrt werden. Eine Sperrung werde es aber nicht vor den Feierlichkeiten zum 25. Jubiläum des Mauerfalls am 9. und 10. November geben, sagte eine Stadtsprecherin auf PNN-Anfrage.

Tom Hanks spielt in dem Film den New Yorker Anwalt James Donovan, der den Agentenaustausch seinerzeit in mehrjährigen Verhandlungen hinter den Kulissen einfädelte. Donovan war zunächst als Strafverteidiger für den KGB-Spion Rudolf Abel bekannt geworden. Abel, der heute als berühmtester Spion des Kalten Krieges gilt, war im Juni 1957 im New Yorker Hotel Latham vom FBI festgenommen worden. Er war 1948 über Kanada illegal in die USA gekommen, wie Thomas Blees und Jürgen Ast für das Buch „Die Villa Schöningen an der Glienicker Brücke“, das 2009 erschien, recherchierten. Während Abel sich offiziell als Künstler tarnte, spionierte er mittels eines Agentennetzes die Atomgeheimnisse der USA aus. Dass er um die Todesstrafe herumkam, hat er seinem Verteidiger Donovan zu verdanken: Er plädierte damals für eine Haftstrafe, um Abel als möglichen Tauschpartner für US-Spione nutzen zu können.

Diese Idee wurde dann aktuell, als am 1. Mai 1960 der U2-Pilot Gary Powers bei einem Spionageflug über der Sowjetunion abgeschossen wurde – Powers überlebte dank des Fallschirms und wurde im Herbst 1960 von den Sowjets zu zehn Jahren Haft verurteilt. Für die Verhandlungen über einen Austausch reiste James Donovan hinter den Eisernen Vorhang. Er erwirkte unter anderem, dass auch ein in Ostdeutschland festgehaltener US-amerikanischer Student zurückkehren durfte.

Dass man sich ausgerechnet auf die Glienicker Brücke in Potsdam als Schauplatz für den Agententausch einigte, hat mit der geografischen Lage zu tun: „Es war einer der wenigen Orte auf der Welt, wo sich Amerikaner und Sowjets direkt gegenüberstanden“, wird der CIA-Direktor William Colby im Villa-Schöningen-Buch zitiert. „Die Grenze zwischen Ost und West verläuft auf der Mitte der Brücke“, war bereits am 10. Februar 1962, also dem Tag des Austausches, auf der Titelseite der „New York Times“ über die „Glienicker Bridge“ und die spektakuläre Austauschaktion zu lesen. Das Weiße Haus hatte demnach nachts um 3.20 Uhr New Yorker Zeit eine Pressemitteilung zum geglückten Austausch veröffentlicht – nur eine knappe halbe Stunde nach den Ereignissen in Potsdam.

Für Steven Spielberg ist es nach „Der Soldat James Ryan“, „Catch Me If You Can“ und „Terminal“ die vierte Zusammenarbeit mit Tom Hanks. Hanks selbst hat aus seiner Begeisterung für DDR-Geschichte nie einen Hehl gemacht: Erst im Frühjahr war der Schauspieler, der für Dreharbeiten zum X-Filme-Drama „Ein Hologramm für den König“ in Berlin weilte, zum zweiten Mal in Eisenhüttenstadt und besuchte unter anderem das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR – er bekam auch einen gletscherblauen Trabant geschenkt, den er gemeinsam mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) probefuhr (PNN berichteten). In Babelsberg war Hanks zuletzt für den Dreh von „Cloud Atlas“. Seine Pläne für einen Film über den US-amerikanischen Defa-Star Dean Reed haben sich indes zerschlagen.

Spielbergs Agentenfilm soll laut Dreamworks am 16. Oktober 2015 in die US-amerikanischen Kinos kommen. Zum deutschen Kinostart ist noch nichts bekannt.

GESCHICHTE

Die Glienicker Brücke verbindet seit rund 350 Jahren Berlin mit Potsdam. Eine erste Holzbrücke mit aufklappbarem Schiffsdurchlass an dieser Stelle wurde von 1660 bis 1663 gebaut, wie im 2010 erschienenen Potsdam-Lexikon nachzulesen ist. 1831 wurde mit dem Bau einer Ziegelsteinbrücke nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel begonnen, 1834 war Einweihung. Seine heutige Form hat das Bauwerk als Stahlträgerbrücke seit 1907. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke zerstört und bis 1949 wieder repariert. Damals verlief in der Mitte der Brücke ein weißer Strich, der die Grenze zwischen Westberlin und der DDR markierte – nach Beginn des Mauerbaus am 13. August 1961 durfte sie nur noch von Alliierten und Diplomaten genutzt werden.

Dreimal fanden auf der Brücke Agentenaustausche statt: Am frühen Morgen des 10. Februar 1962 wurde der US-Pilot und Spion Gary Powers gegen den KGB-Spion Rudolf Abel ausgetauscht. Am 12. Juni 1985 wechselten insgesamt 23 Mitarbeiter US-amerikanischer Geheimdienste und vier Mitarbeiter östlicher Geheimdienste die Seiten. Der medienwirksamste Agentenaustausch fand am 11. Februar 1986 statt: Damals waren zahlreiche internationale Fernsehteams vor Ort und berichteten live, als auf der Brücke vier im Osten festgehaltene mutmaßliche Spione gegen fünf mutmaßliche Spione aus dem Westen getauscht wurden.

Die Glienicker Brücke wurde am 10. November 1989, einen Tag nach dem Mauerfall, wieder für Passanten geöffnet. Seit 2009 erinnert das neu eröffnete Museum in der Villa Schöningen vor Ort an die Geschichte der Brücke. Die Brücke und die Kolonnaden werden seit Jahren unter der Federführung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz aufwendig saniert: Zum Mauerfalljubiläum im November sollen die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. jaha

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