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Digitale Modellregion: Smart Village Bad Belzig

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg kürt die Kreisstadt zur digitalen Modellregion in der Mark. Was in Bad Belzig erprobt wird, könnte zum Vorbild für andere Landstriche werden.

Von Eva Schmid

Bad Belzig – So geht das Leben im digitalen Dorf: Der Arzt wird per Mausklick bestellt, Apps vermitteln Mitfahrgelegenheiten in die Stadt, die Nachbarn bloggen, in der Schule lernen die Kinder mit neuen Medien und ein digitaler Einkaufsführer zeigt an, bei welchem Bauer Saisongemüse gekauft werden kann. Das, was bisher unter dem Begriff Smart City in Städten Einzug hält, soll es jetzt – in leicht veränderter Form – auch auf dem Land geben. Zum Digitallabor auserkoren wurde die Stadt Bad Belzig, sie soll zum Smart Village werden. Initiator der Digital-Aktion ist die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).

Die Kreisstadt mit ihren rund 11 000 Einwohnern hat sich in einem von der Medienanstalt beider Länder ausgerufenen Wettbewerb gegen zehn weitere Kommunen durchgesetzt, darunter unter anderem Niemegk, Angermünde und Storkow. Mit dem Wettbewerb Smart Village soll in einer Modellgemeinde im ländlichen Brandenburg ausprobiert werden, wie digitale Dienste den Alltag der Menschen vor Ort erleichtern und gleichzeitig die Gemeinde attraktiver machen. Was künftig in Bad Belzig entwickelt und erprobt wird, könnte später auch in dünn besiedelten Landstrichen wie in der Uckermark oder der Prignitz genutzt werden. Für Digitalprojekte rund um das Thema Medien – dazu zählt unter anderem auch die Verbesserung der Medienkompetenz von Alt und Jung – will die Medienanstalt dabei eine hohe fünfstellige Summe bereitstellen. Genauere Angaben zur Budgethöhe konnte der zuständige Referent am Mittwoch auf Anfrage noch nicht machen. Weitere Förderung könnte indes auch direkt vom Land oder aus der Wirtschaft kommen, die mit der Entwicklung von Apps für den ländlichen Raum Geld verdienen könnte. Dabei gilt: Je smarter die Idee, umso mehr Umsatz. Landrat Wolfgang Blasig (SPD) erwartet von der Kooperation einen kräftigen Impuls für die gesamte Region.

Wie ein altes Gutshaus in Klein Glien zur Drehscheibe für die Digitalbranche wird

Für Bürgermeister Roland Leisegang ist die Kür Bad Belzigs zum Smart Village ein Glücksfall: Dass die Stadt nun zum landesweiten Vorzeigeprojekt wird, hat er einer Firma zu verdanken, die sich erst vor weniger als einem Jahr im Ortsteil Klein Glien angesiedelt hat. Leisegang nennt sie Exoten, für den Fläming sind sie das wohl auch. Sie kommen mitten aus der Berliner Co-Working-Szene und haben ein altes Gutshaus in Klein Glien zu einer Drehscheibe für die internationale Digitalbranche entwickelt. In den Räumen des Landguts können Menschen ortsungebunden arbeiten, nur mit ihrem PC und einem Ladekabel – den nötigen Rest gibt es im Coconat, wie die Firma sich nennt. Medienschaffende, Freiberufler aus der IT-Branche, digitale Köpfe aus dem Ausland sowie Kreativabteilungen von großen Unternehmen wie Volkswagen, Deutsche Telekom und DHL lassen sich jeweils zeitweise dort nieder, um mitten in der Landschaft des Flämings auf neue Ideen zu kommen, sich auszutauschen und den Kopf fernab vom Trubel der Großstadt durchzulüften.

Coconat hat federführend die Projektideen für Bad Belzigs Smart-Village-Bewerbung geliefert. Während Bürgermeister Leisegang vor allem die Medienkompetenz an den Schulen voranbringen will, schwebt den Geschäftsführern von Coconat Größeres vor. Die Kleinstadt müsse der Großstadt in nichts nachstehen, so ihre Maxime. Für den Fläming kann sich Coconat-Mitgründer Janosch Dietrich vor allem den Ausbau von E-Health-Angeboten vorstellen, also digitalen Lösungen in der Gesundheitswirtschaft. Einer seiner Gäste im Gutshof arbeitet bereits an einem Projekt namens SmartSenior. Damit wollen die „Telekom Innovation Laboratories“ alten und pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, möglichst lange eigenständig zu Hause zu leben. Über den Fernseher wird ein Serviceportal integriert. Über dieses Portal kann der Bewohner mit Freunden und Bekannten kommunizieren, sich an Dienstleister wie zum Beispiel den Einkaufsservice oder den Reinigungsdienst wenden und eigene medizinische Daten abrufen.

Digitalisierung des Rufbusses könnte erprobt werden

„Wir wollen erreichen, dass im ländlichen Raum Angebote für den ländlichen Raum gemacht werden“, sagt der 40-jährige Dietrich. All zu oft würden Innovationen aus der Großstadt kommen, die für Kleinstädte und Dörfer aber wenig praktikabel seien. Dietrichs Ziel ist es daher auch, mehr digitale Köpfe für das Landleben zu gewinnen – er ist dafür Vorbild.

Eine andere Idee, die in Bad Belzig erprobt werden könne, ist die Digitalisierung des Rufbusses. „Das Angebot ist gut, man muss aber eine Stunde vorher anrufen“, was nicht nicht nur aufwendig sei, so Dietrich, sondern auch vielen Flüchtlingen die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs erschwere. Eine App würde nicht nur das Rufen, sondern auch die Fahrtroute optimieren. Eine solches Angebot könne Teil einer Dorf-App oder Fläming-App sein, so Dietrich. In dieser App könnte neben diversen Serviceangeboten für Bad Belzig auch ein Nachrichtenkanal integriert werden.

Es geht der Medienanstalt schließlich auch um Mediennutzung – und um die Sicherung der Medienlandschaft im ländlichen Raum. Während in Städten ein breites Angebot unterschiedlicher Medien existiere, sieht es in den Weiten des Landes bei Lokalzeitungen und lokalen Radio- und Fernsehstationen immer dürftiger aus. Im Modellprojekt Smart Village sollen die vorhandenen journalistischen Angebote verbessert und die Bürger zum Mitmachen aktiviert werden. Es gehe um Geschichten von und für Menschen vor Ort, die digital denken und auch auf dem Land am Puls der Zeit sind.

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