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Kultur: Sensationeller Zuspruch

Die Ausstellung Hasso Plattners trug dazu bei, dass die Kunst in Deutschland eine Einheit bleibt

Diese Sonnenblumen rufen förmlich nach mehr Platz, um die überschäumende Kraft ihrer Blüten richtig entfalten zu können: nach einer Kunsthalle mit viel Licht und Raum. Hier im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) mussten sie sich acht Wochen lang mit einem etwas beengten Quartier begnügen. Und doch war es gut so, dass sie gerade dort ihr Intermezzo hatten. Die 1984 mit dicker pastoser Farbe gemalten „Sonnenblumen“ von Klaus Fussmann gehören zu der am Sonntag schließenden Ausstellung, die die im Aufbau begriffene Kunstsammlung Hasso Plattners vorstellte. Unter den 28 Werken vor allem bekannter ostdeutscher Künstler der sogenannten Leipziger Schule war als Solitär auch der aus Westberlin stammende Fussmann mit zwei großformatigen Arbeiten vertreten.

Es ist dem HBPG unbedingt zugute zu halten, dass es fast aus dem Stand diese kleine Schau ermöglichte. Der Kabinettcharakter mit den frei in den Raum gestellten Wänden spiegelt die temporäre Situation dieser im Wachsen begriffenen Sammlung wider, die natürlich in einer großen Ausstellung münden soll: in der entstehenden Kunsthalle Plattners am Jungfernsee.

Bei allem Bedauern, dass diese Halle nun aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in die Stadtmitte kommt, macht der Ansturm auf den Prolog im HBPG Hoffnung, dass die Kunstenthusiasten auch den Weg in Potsdams Norden finden werden. So viele begeisterte Einträge im Gästebuch sind beredtes Zeugnis für das immense Interesse. „Vielen Dank, dass Sie durch die Ausstellung dazu beitragen, dass die Kunst in Deutschland eine Einheit bleibt“, ist da zu lesen. Oder „Diese Ausstellung zeigt, dass wir dieser Kunst in Potsdams Mitte eine, nein die (!) gebührende Wertschätzung hätten geben müssen.“

Zu den Gästen, die sich am gestrigen Mittwoch die Bilder von Bernhard Heisig, Arno Rink, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer oder Willi Sitte anschauten, gehörte das Ehepaar Monika und Walter Schelske aus Greifswald, das gezielt seinen Potsdam-Tripp mit dem Ausstellungsbesuch verband. „Uns interessiert die DDR-Kunst. Wir sahen zwar nicht die typischen Bilder, die wir kennen. Aber es ist eine Ergänzung dazu“, so der Philosoph und die Bibliothekarin. Sie zeigten sich keineswegs enttäuscht, dass ältere Schlüsselwerke etwa von Mattheuer oder Sitte bislang nicht zur Sammlung gehören. Diese, so weit noch auf dem Markt zu haben, wünscht man sich indes ganz persönlich doch sehr für diese durchaus schon attraktive Sammlung. Ebenso wie Werke abseits der etablierten Kunst und des Leipziger Schmelztiegels, selbst wenn diese Kunsthochschule sehr unterschiedliche Ausdrucksformen hervorbrachte. Doch letztlich liegt es allein im Ermessen Plattners, was er kauft. Er ist der Sammler. Gerade erst hat er weitere Werke von Mattheuer aus Leipziger Privatbesitz erworben. Man darf erneut gespannt sein.

11 000 Besucher quer durch die Generationen werden die Ausstellung bis Sonntag gesehen haben. Die meisten Gäste kamen aus Potsdam. Aber auch aus Berlin und Leipzig reisten viele an. „Für uns sind diese Zahlen sensationell. Damit haben wir nicht gerechnet“, so Pressesprecherin Antje Frank. Diese Ausstellung mit Werken ostdeutscher Künstler, die vor und auch nach der Wende entstanden sind, hatte eine ähnliche Resonanz wie die Expositionen zu Schinkel 2006 und die zu Hedwig Bollhagen 2007. „Es kann durchaus sein, dass durch die Plattner-Schau unser Haus bekannter geworden ist“, sagt Antje Frank.

Interessant ist, dass sich auch viele junge Leute für die Bilder interessierten, auch wenn sie die politischen Botschaften, die die Künstler zu DDR-Zeiten gern in ihren Bildern andeuteten, sicher nicht ausmachen werden. Wie beim 1984/85 entstandenen „Karneval“-Diptychon von Ulrich Hachulla, das schlaffe traurige Figuren nach einem exzessiven krampfhaften Tanz zeigt. Das enge Abteil, in dem sich die Tanzenden ihrer Erschöpfung hingeben, ist abgetrennt von der Weite des Meeres und des Horizontes und für DDR-geschulte Blicke natürlich sofort ein Fingerzeig auf die Enge in dem eingemauerten Land. Doch auch ohne solche Interpretation sind die Bilder von künstlerischem Bestand und nicht in einen Einheitstopf sozialistischer Realismus zu werfen.

Auch mit dem „Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer wird es politisch. Dieses Zwitterwesen mit der geballten Faust des Arbeiters und dem zum Hitlergruß vorgestreckten Arm kommt, wenn die Ausstellung schließt und wird so lange auf dem Neuen Markt ausharren, bis die Kunsthalle gebaut ist. Am Sonntag um 11 Uhr wird die fünf Meter hohe Plastik aus Bronze enthüllt. Schon am heutigen Donnerstag reist sie demontiert auf einem Tieflader an und wird vor Ort zusammengeschweißt und poliert. Warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ein bayrisches Bierzelt und eine Hopseburg den Platz einnehmen müssen, ist wieder mal so ein kleines Potsdamer Rätsel. Doch immerhin wird es vom Restaurant „Hammer“, das die Bayerntage ausrichtet, etwas zurückgebaut, so dass es der Plastik nicht allzusehr im Wege steht. Dieses 1984 geschaffene Werk, das zu den bekanntesten Skulpturen der DDR-Kunstgeschichte zählt, findet ihren Platz, wo bis vor kurzem die wieder im Depot verschwundenen Stadtschloss-Fragmente gezeigt wurden, direkt über der Tiefgarage.

Noch ist nicht bekannt, wann diese eindrucksvolle Figur ihren Schritt vom Neuen Markt zum Jungfernsee gehen wird. Aber vielleicht lüftet der kunstsinnige Mäzen Hasso Plattner, der zur Enthüllung kommen wird, ja das Geheimnis.

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