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Brandenburg: Runter mit der Maske

Entführung, Einbruch, Millionen-Forderungen: Prozessbeginn in einem spektakulären Kriminafall

Frankfurt (Oder)/Berlin - In der langen Liste spektakulärer Kriminalfälle in der Region nimmt der „Maskenmann“ zweifellos einen Spitzenplatz ein. Nacheinander soll der 46-jährige Dachdecker aus Berlin 2011 und 2012 zwei Berliner Millionärsfamilien in deren Wochenendhäusern in Bad Saarow und Storkow überfallen haben, um jeweils mindestens eine Million Euro zu erpressen.

Ab kommenden Montag muss sich der in einer groß angelegten Fahndungsaktion, die mehr als zwei Jahre dauerte, ermittelte Mann ohne festen Wohnsitz vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in der mehr als 200 Seiten langen Anklageschrift unter anderem „versuchten Mord, versuchten Totschlag, schwere Körperverletzung und räuberische Erpressung“ vor. Ihm droht bei einer Verurteilung lebenslange Haft.

Der Angeklagte weist alle Vorwürfe zurück. Sein Verteidiger Axel Weimann zweifelte an der Beweislast der Indizien. Schon allein deshalb dürfte es ein sehr langer Prozess werden, 31 Prozesstage hat der Vorsitzende Richter Matthias Fuchs dafür bislang eingeplant. Mehr als 200 Zeugen sind geladen worden. Mit einem Urteil wird frühestens Anfang Oktober gerechnet.

Bis heute können sich die meisten Anrainer des Großen Storkower Sees, rund 70 Kilometer südöstlich Berlins, an die großen Polizeieinsätze im Oktober 2012 erinnern. Mehrere Hundertschaften durchkämmten damals das oft undurchdringliche Terrain, Hubschrauber kreisten in der Luft, Taucher begaben sich in die ufernahen Bereiche und Suchhunde bellten oft bis zum Einbruch der Dunkelheit. Viele Einwohner und Urlauber trauten sich damals nicht mehr in die Wälder oder auf einen Ausflug mit dem Kanu. Als viel zu gefährlich erschien ihnen der gesuchte Mann nach den Zeugenaufrufen der Polizei, die zahlreiche Personen nach ihren möglichen Beobachtungen befragt hatte.

Die Vorsicht war durchaus angebracht. Wie die Staatsanwaltschaft ermittelte, hatte sich der Angeklagte am Abend des 5. Oktobers 2012 gewaltsam Zutritt zur Villa am See verschafft, um einen Berliner Banker unter den Augen der Ehefrau und des Sohnes zu verschleppen. Dank einer vorgehaltenen Pistole gelang zunächst der Plan, den Entführten mit einem Kajak auf eine versteckte Schilfinsel zu bringen. Hier musste er dann einen Brief mit einer Lösegeldforderung in Höhe von einer Million Euro schreiben. In einem günstigen Moment gelang dem Unternehmer nach anderthalb Tagen schließlich die Flucht.

Die Polizei bildete eine 60-köpfige Sonderkommission mit dem Namen „Imker“, weil sich der mutmaßliche Entführer mit dem Kopfschutz eines Bienenzüchters getarnt hatte. Schnell stand für sie fest, dass auch die Überfälle auf die Unternehmerfamilie P. im Sommer und Herbst 2011 in Bad Saarow auf das Konto des gesuchten Mannes gingen. Hier hat der Angeklagte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft tödliche Verletzungen eines Wachmannes billigend in Kauf genommen. Der Mitarbeiter warf sich damals schützend auf die Tochter der überfallenen Familie und konnte nach dem Schuss aus nächster Nähe nur durch eine Notoperation gerettet werden. Er ist seit dieser Zeit querschnittsgelähmt. Im August 2011 soll der mutmaßliche Täter bereits die Mutter der jungen Frau vor ihrem Ferienhaus in Bad Saarow mit einem Knüppel niedergeschlagen und schwer verletzt haben.

Polizeipräsident Arne Feuring hatte nach der Festnahme des Beschuldigten eingeräumt: „Wir haben nicht den klaren Beweis.“ Die Ermittler stützen sich auf eine lange Indizienkette. Rund 530 Hinweise gingen damals bei der Polizei ein, 40 Menschen galten zwischenzeitlich als tatverdächtig – darunter auch der Angeklagte.

Nach einer Zeugenvernehmung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) im Oktober 2012 geriet der Berliner laut Soko ins Visier. Seit März 2013 war das Mobile Einsatzkommando dann dem „Waldmenschen“ und „Maskenmann“ auf den Fersen und beobachtete ihn - kein leichter Job, denn tageweise radelte er bis zu 130 Kilometer. Bis zu 400 Polizisten waren zu Spitzenzeiten im Einsatz. „Das war der größte Einsatz der vergangenen zehn Jahre“, schildert Rudi Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Brandenburg. Die Festnahme des Maskenmannes gelang dann im September 2013 vor einem Einkaufszentrum in Köpenick.

Alle Opfer sind im Prozess anwaltlich als Nebenkläger vertreten, berichtet Gerichtssprecherin Susanne Cramer. Sie werden auch als Zeugen vor Gericht aussagen müssen. Die Ehefrau des Berliner Millionärs soll bereits zum Prozessauftakt am Montag schildern, wie sie im August 2011 niedergeschlagen wurde. Das Gericht will die verschiedenen Taten in chronologischer Reihenfolge behandeln. Demnach sind die Aussagen ihrer Tochter und des Wachmannes bislang für den 15. Mai geplant. Am 12. Juni soll dann der entführte Manager gehört werden.

Claus-Dieter Steyer (mit dpa)

Claus-Dieter Steyer (mit dpa

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