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Villa Persius: Rückkehr mit Nadelkissen

Thomas Abraham, exklusiver Inneneinrichter, verlegt seinen Geschäftssitz aus Berlin wieder nach Potsdam. Im Holländischen Viertel gehörte er nach der Wende zu den ersten Händlern. Jetzt hat er seinen Showroom in der neuen Villa Persius bezogen.

Potsdam - Fast schwebt Thomas Abraham durch das Haus. Es ist das typische Gebaren einer aufgeregten Inbesitznahme. Thomas Abraham ist mit seinem Geschäft zurück in Potsdam. Nach Jahren in Berlin bezog der Inneneinrichter, der auch von prominenten Potsdamern wie Familie Joop und Franziska Knuppe gebucht wurde, die Beletage der wieder aufgebauten Persius-Villa. Und selbst der noch etwas spröde und zu frische Neubau lässt einen Teil des Zaubers, der einst über der Ecke Schopenhauerstraße/Hegelallee lag, zwischen königlicher preußischer Schlossparkidylle und bürgerlicher Architektur, wieder aufleben. Abraham, der Harmoniesüchtige, findet die neue Location großartig.

Einst lebte der königliche Hofbaumeister und Schinkel-Schüler Ludwig Persius mit seiner Familie in dieser Stadtvilla im italienischen Stil. Bei Kriegsende wurde sie zerstört, zu DDR-Zeiten gammelten die Reste der Ruinen und das Grundstück vor sich hin. Nun hat ein Investor hier neu gebaut, nach Vorbild der originalen Grundmauern und Kubatur. Innen ist manches anders. „Wo wir jetzt sitzen, war früher das Treppenhaus“, sagt Abraham in seinem offenen Arbeitsbereich. Den Nachbau finde er sehr gelungen. Zur Eröffnung des Hauses vor wenigen Tagen kamen Potsdamer, Stammkunden, Touristen, neugierige Spaziergänger. „Es war wie ein Tag der offenen Tür“, sagt der Geschäftsmann erfreut. Gut so. Denn den Laden in Berlin gibt es nicht mehr. Potsdam, das muss jetzt funktionieren.

Schönes selbst in der alten Bausubstanz

Dass er hier gelandet ist, sei einem zufälligen Treffen mit Bauherrn Klaus Strohbücker zu verdanken. Die Entscheidung für Potsdam an sich fiel dem heute 50-Jährigen leicht. Berlin, das sei ihm zu laut, zu aggressiv, zu nervös. Das beschauliche hübsche Potsdam mochte er schon 1990, als er, der Braunschweiger, das erste Mal hierher kam. Hier in Potsdam sah er Schönheit, selbst in der heruntergekommenen Bausubstanz. „Ich war überwältigt“, so Abraham.

Zunächst restaurierte er alte Möbel in einer angemieteten Garage, die Leute brachten ihm Erbstücke, er machte sie fit. Wie das geht, hatte ihm ein alter Mann gezeigt, den er während des Zivildienstes kennengelernt hatte. Immer schon faszinierte ihn das Alte, das Historische. „Als Kind wollte ich die Kristalle vom Kronleuchter pflücken.“ In der Mittelstraße eröffnete er 1992 seinen ersten Laden, verkaufte Deko und Seidenblumen, Weichholzmöbel, der Renner damals. „Und Duftkerzen, Zitronella! Die Leute waren begeistert!“ Als es ihm zu eng wurde im Holländischen Viertel, fand er Platz in Berlin „Alles hat eben seine Zeit“, sagt er.

Inneneinrichter bietet, was es nicht überall gibt

Potsdam habe ihn jetzt angenehm überrascht. „Kaum ist man sechs Jahre weg, da steht das Stadtschloss!“ In diese sich selbst restaurierende Stadtlandschaft in der Spannung zwischen Tradition und Moderne passt er gut hinein. „Ich mag historische Bilder und moderne Kunst, Klassik, Bauhaus und Landschlösser. Und ich richte alles gern ein.“ Zum Inneneinrichter Abraham kommen aber vor allem diejenigen, die suchen, was es nicht überall gibt. Auffällig ist Abrahams Sinn für Stoffe und Farben. Üppig darf es sein, überladen nicht. Moderne, exzentrische Stücke kombiniert er mit klassischen Elementen. Der Nachbau einer Louis-XV.-Kommode – originalgetreu inklusive Flecken im Lack und Holzwurmlöcher – steht neben einem wuchtigen Tisch, die Platte aus einem Baum herausgesägt, Maserung und Borke klar erkennbar. Fühlbar. Er mag Oberflächen, die der Hand etwas bieten. Ebenso schwere Stoffe, die in der Hand knistern, wie dieser italienische – rot-golden, bedruckt mit barocken Engeln und Teufeln, Vasen und Vögeln. „Dazu werden noch die originalen venezianischen Druckstöcke genommen“, schwärmt Abraham.

Neben solchen exklusiven Entdeckungen bietet er vor allem ausführliche Beratung. Zu ihm kommt, wer in Haus, Wohnung oder Zimmer nicht zurechtkommt. Dann schaut Abraham drauf. Erst auf die Menschen, dann auf die Räume. „Ich habe eine hohe Trefferquote beim Erkennen, was zu den Menschen passt“, sagt er. Vor allem aber ein Händchen zum Bilderhängen, das sei ein hohe Kunst. „Ich bin bei den Kunden zu Hause immer am Rücken und Zupfen, ich muss immer etwas mit meinen Händen tun“, sagt er. Als er ein ganzes Jahr lang gar keinen Laden hatte, fehlte ihm das. „Ich hatte keine Accessoires zum Einwickeln“, sagt er und dreht dabei die leeren Hände symbolisch in der Luft. Raumplanung erledigt er deshalb ungern virtuell am Rechner, das ist eher der Arbeitsplatz seines Partners Michael Mara.

Arbeit für Hartz-IV-Empfänger und Millionäre

Abraham, der Handarbeiter, zeichnet lieber Grundrisse auf, schneidet die gewünschten Möbel aus und schiebt sie dann hin und her. Aus einem bunten Kissen ragen Stecknadeln, mit denen er Plan und Schnipsel auf Styropor befestigt.

Über konkrete Kunden will er nichts sagen. „Ich arbeite für Millionäre und Hartz-IV-Empfänger“, sagt Abraham. Und für Oma Erna, die lediglich ein neues Wohnzimmer braucht. „Ach, solche Kunden sind mit die liebsten“, sagt er verzückt. Als kleine Hommage an den großen Baumeister ist bis zum Sommer die Ausstellung „Persius-Arkadien“ im Foyer der Villa zu sehen, 30 Reproduktionen von Skizzen und Bildern zu Persius’ Bauwerken. Geöffnet täglich von 11 bis 18 Uhr, Sonntag von 13 bis 17 Uhr, Hegelallee 29

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