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Im verbotenen Städtchen: Reise in die Vergangenheit

20 Jahre nach dem Abzug des Geheimdienstes KGB aus der Nauener Vorstadt sind die Spuren des Militärs fast getilgt. Jetzt plant die Stadt Potsdam einen Lehrpfad durch die damals "Verbotene Stadt".

Nauener Vorstadt - Ein graues Metalltor versperrte die Große Weinmeisterstraße, blickdicht verschlossen. Ab und zu passierte ein Militärfahrzeug die Einfahrt, bewacht von sowjetischen Posten. Zu DDR-Zeiten war das sogenannte Militärstädtchen Nr. 7 hermetisch abgeriegelt. Kaum ein Potsdamer ahnte, dass sich hinter den hohen Mauern, die das Areal zwischen Pfingstberg und Neuem Garten vor den Augen der Öffentlichkeit abschirmten, die Westeuropazentrale des sowjetischen Geheimdienstes KGB verbarg. Dass sich dort, in der Leistikowstraße 1, auch ein Untersuchungsgefängnis befand, in dem Menschen gefoltert wurden. Fast 50 Jahre hatten die Besatzer das Areal unter Kontrolle, erst 1994 räumte der Geheimdienst die rund 100 Villen und Wohnhäuser.

Heute, 20 Jahre später, sind fast alle Häuser und Villen prachtvoll saniert, die Spuren der jahrzehntelangen militärischen Nutzung fast vollständig getilgt. Das soll sich nun ändern. Damit die Historie dieses europaweit einzigartigen Ensembles an Ort und Stelle erlebt werden kann, plant die Stadt einen Geschichtspfad, der an den Geheimdienststandort und das Sperrgebiet erinnert. Ein Konzept dafür hat das Team der im Militärstädtchen gelegenen Gedenkstätte Leistikowstraße erarbeitet, am kommenden Mittwoch steht es auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. In der Vorlage heißt es, der Lehrpfad solle noch bis zum 15. August entstehen – dann jährt sich der 20. Jahrestag des Abzugs der russischen Streitkräfte aus dem Areal in der Nauener Vorstadt.

Geplant sind zehn sogenannte Informationsmodule – zum Beispiel Schaukästen –, die an historischen Orten des Militärstädtchens aufgestellt werden und einen Rundgang ergeben sollen. Wie diese Module aussehen sollen, lässt das Konzept noch offen. Das soll ein Wettbewerb klären, in dem letztlich eine Jury über die beste Idee befinden soll. Wert soll aber auf eine „zurückhaltende Gestaltung“ gelegt werden, damit sich die Module in das teilweise denkmalgeschützte Stadtgebiet einpassen. Neben Bildern und Texten zum Militärstädtchen sollen die Besucher des Geschichtspfads mittels des weit verbreiteten QR-Code-Verfahrens – eine Art Strichcode – weitere Informationen über ihr Smartphone abrufen können. Das soll gerade jüngere Nutzer ansprechen. Auch ein Faltblatt zur Geschichte des Militärstädtchens ist geplant. In dem Konzept heißt es, die noch vorhandenen Relikte des einstigen Sperrgebiets müssten als Hinterlassenschaft des sowjetischen Geheimdienstapparates erklärt werden. Dieser sei an der Durchsetzung der kommunistischen Diktatur in der DDR mit unzähligen Opfern beteiligt gewesen.

Zunächst will die Stadt dafür 10 000 Euro zur Verfügung stellen. Die Initiative geht auf einen Beschluss der Stadtverordneten zurück, den die Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und FDP im Juni 2011 initiiert hat. Zur Begründung hieß es damals, die Besetzung der Stadt durch sowjetische Truppen nach 1945 habe das Leben der Potsdamer viele Jahre geprägt. Doch insbesondere im Militärstädtchen hätten nur wenige Relikte den Abzug der Truppen 1994 und anschließende Sanierungsmaßnahmen überstanden, die brutale Herrschaft des KGB sei dort nur noch bedingt ablesbar.

In dem Konzept wird die Geschichte des 16 Hektar großen Areals auf mehr als 50 Seiten und mit zahlreichen historischen wie aktuellen Fotos beleuchtet. Hintergrund für die Errichtung des Sperrbezirks war demnach eine Direktive des Ministers der sowjetischen Streitkräfte, dass Militärangehörige und deren Familien von der deutschen Zivilbevölkerung abzugrenzen sind. In Potsdam habe es 20 solche Gebiete gegeben, in der ganzen DDR mehr als 1000. Doch das „Militärstädtchen Nr. 7“ war etwas Besonderes: Es diente der sowjetischen Militärspionageabwehr als zentraler Deutschlandsitz, untergebracht war sie seit 1945 im Kaiserin-Augusta-Stift. Potsdam habe damit neben dem Hauptquartier des KGB in Berlin-Karlshorst zu den wichtigsten, außerhalb der Sowjetunion und an der Nahtstelle zu Westeuropa gelegenen Geheimdienststandorten des KGB gehört. Im August 1945 wurde in der heutigen Gedenkstätte Leistikowstraße das zentrale Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes für die Besatzungszone eingerichtet. Bis 1949 wurde das Areal komplett abgeriegelt und ein zwei Meter hoher Bretterzaun sowie mehr als zehn Wachtürmen gebaut. In den 1970er-Jahren wurden die Sicherheitsanlagen ausgebaut – der Zaun wurde durch eine Stahlbetonmauer ersetzt, dazu kamen Bunker und Schussanlagen. Das Gelände hieß für viele Potsdamer nur noch die „Verbotene Stadt“. Mit Ausnahme einiger Schornsteinfeger, Stromableser oder Handwerker mit Reparaturaufträgen kam kein DDR-Zivilist hinein. Wer hineinwollte, musste Passierscheine vorweisen.

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