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Potsdam-Mittelmark: Protest aus dem Lehrbuch

Stahnsdorfer Bürgerinitiative gegen Fluglärm dient Schülern als Beispiel für politische Beteiligung

Von Enrico Bellin

Stahnsdorf - Eine Bürgerinitiative wie aus dem Lehrbuch. Was andere gern von sich behaupten, können die Mitglieder der Initiative „Stahnsdorf gegen Fluglärm“ nun belegen: An ihrem Beispiel wird im aktuellen Politiklehrbuch „Demokratie Heute“ des Verlages Schroedel erklärt, wie sich Menschen in einer Gemeinde politisch einbringen können.

Der Rahmenlehrplan von Berlin und Brandenburg sieht für Schüler der 5. und 6. Klassen vor, darzustellen, welche Beteiligungsmöglichkeiten Bürger in der Kommunalpolitik haben. „Unsere Autorin, die die Doppelseite des Buches gestaltete, wohnt in Brandenburg und stieß bei ihren Recherchen auf die Bürgerinitiative Stahnsdorf“, sagt Sabine Dingler, Produktmanagerin des Verlages. Auch wenn die öffentliche Diskussion über Flugrouten und Nachtflugverbote nicht nur kommunal-, sondern auch landespolitische Aspekte hat, zeige die Arbeit der Bürgerinitiative Stahnsdorf die ganze Bandbreite an Beteiligungsmöglichkeiten. So gab es Postkartenaktionen, Bürgerforen und mehrere Demonstrationen, die gemeinsam mit den benachbarten Initiativen aus Kleinmachnow und Teltow organisiert wurden. Didaktisch diene das Beispiel Dingler zufolge dazu, vorher erarbeitete theoretische Schritte zur Entstehung einer Bürgerinitiative konkret zu belegen.

Gegründet wurde die Initiative vor dreieinhalb Jahren, als bekannt wurde, das Flugrouten zum Schönefelder Flughafen BER künftig über die Region führen sollen. „Normalerweise bestehen Bürgerinitiativen nur eineinhalb bis zwei Jahre, da ist es eine echte Leistung, das wir uns so lange engagieren“, sagt Wolfgang Brenneis, Vorsitzender der Fluglärminitiative. Als 2013 die Anfrage der Buchautorin kam, sei man in Stahnsdorf sehr stolz gewesen. „Für uns ist es eine Auszeichnung, dort als Beispiel zu dienen.“ Brenneis zufolge ist das die Bestätigung der überparteilichen Arbeit der Initiative. Es sei enorm wichtig, Kinder für gesellschaftliches Engagement zu begeistern.

Direkt in der Gemeinde kann die Initiative Brenneis zufolge auch auf einen großen Erfolg hinweisen. So habe sie in diesem Sommer verhindert, dass in der Parforceheide ein Landeplatz für Hubschrauber errichtet wurde. „Auf unseren Protest hin sind dann auch Politiker und die Gemeinde aktiv geworden, gemeinsam konnte das Projekt verhindert werden.“

Dem Schaffen der Protestler ist ein breites Publikum garantiert. „Demokratie Heute“, das erstmals 2004 erschienen ist und in diesem Jahr komplett überarbeitet wurde, ist nach eigenen Angaben der Marktführer im Fach Politische Bildung in Berlin und Brandenburg. Der Inhalt musste, wie bei jedem offiziellen Schulbuch im Land, vor der Veröffentlichung zur Genehmigung beim Brandenburger Landesministerium eingereicht werden. Er wurde im April 2014 ohne Beanstandungen genehmigt. Zwar sind Bürgerinitiativen im Rahmenlehrplan nicht ausdrücklich erwähnt. Allerdings müsse Demokratie-Lernen laut Plan wann immer möglichst an unmittelbare Erfahrungen, etwa an konkreten Beteiligungs- und Entscheidungssituationen, anknüpfen.

„Es ist ja schön, dass das Ministerium unser Beispiel im Buch genehmigt, aber die Regierung hat in Sachen Fluglärm nichts getan und im neuen Koalitionsvertrag spielt das Thema auch keine Rolle mehr“, so Brenneis. Die Annahme des Volksbegehrens gegen Fluglärm durch die Landesregierung sei ein kluger Schachzug gewesen. Seit Brandenburgs Vorschlag zum Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr aus Berlin abgelehnt wurde, habe das Land nichts mehr unternommen, um die Bürger zu schützen. Trotzdem leide die Bürgerinitiative derzeit darunter, dass das Thema kaum wahrgenommen werde. „Die Menschen sind kaum für das Thema Lärmschutz zu begeistern, da die Belastung noch nicht greifbar ist“, so Brenneis. Schließlich sei ja noch immer kein konkreter Eröffnungstermin absehbar.

Laut Sabine Dingler habe man sich beim Braunschweiger Verlag auch für das Beispiel der Stahnsdorfer Bürgerinitiative entschieden, da die Thematik vielen betroffenen Bürgern aus der Region immer noch unter den Nägeln brenne. „Die Schülerinnen und Schüler befassen sich künftig also inhaltlich mit einem Thema, das immer wieder Gegenstand der medialen Berichterstattung ist“, so Dingler. Daneben gebe es auch Gespräche im Familienkreis über Fluglärm und Flughafen, sodass die Schüler Politik nicht nur im Unterricht als abstrakte Größe, sondern hautnah erleben können.

Wolfgang Brenneis hofft darauf, dass die Gespräche in der Familie auch bei Erwachsenen wieder mehr Interesse am Thema wecken. Schließlich gehe die Arbeit der Initiative weiter, noch bis Ende November werden in der Gemeinde Stimmen für die Volksinitiative gegen eine mögliche dritte Startbahn am künftigen Schönefelder Flughafen gesammelt.

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