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Verfassungsschutz Brandenburg: „Nur bedingt einsatzbereit“

Brandenburgs Verfassungsschutzchef Carlo Weber spricht Klartext und klagt über den personellen Notstand seiner Behörde. Sie sei kaum noch handlungsfähig. Die Zahl der als Gefährder eingestuften Islamisten ist indes weiter angestiegen.

Potsdam - Lange hat es Carlo Weber diplomatisch versucht. Doch nun ließ der Chef der Verfassungsschutzabteilung im Brandenburger Innenministerium, der eigentlich seit Ende Oktober im Ruhestand wäre, aber auf Bitten von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) verlängerte, jede Zurückhaltung fallen. Ganz klar sagte er dem RBB nun, was er selbst bislang nur andeutete und was auch seine Mitarbeiter den PNN nur hinter vorgehaltener Hand berichteten: Dass nämlich der Verfassungsschutz trotz wachsender Bedrohung durch den islamistischen Terror und ebenfalls wachsender Gefahren durch Rechts- und Linksextremisten faktisch kaum noch handlungsfähig und nur bedingt einsatzbereit ist.

Ein Drittel mehr: 125 Mitarbeiter bräuchte der Verfassungsschutz Brandenburg insgesamt 

Das Personal müsste um ein Drittel aufgestockt werden, forderte Weber nun. Der Zustand des Verfassungsschutzes in Brandenburg sei prekär. Es fehle an Personal, um auf die verschärfte Sicherheitslage zu reagieren. Konkret herrscht – wie berichtet – ein Mangel an Technikern, Übersetzern, aber auch an operativen Mitarbeitern, etwa für die Observation. Einzelne Bereich des Verfassungsschutzes würden inzwischen „ganz blank ziehen“, sagte Weber dem RBB. „Wir haben das Risiko, dass die Qualität nachlässt und das darf sich ein Verfassungsschutz, der unter Vertrauensverlust in der Bevölkerung zu leiden hat, nicht erlauben.“ Statt der aktuell 90 Mitarbeiter seien 125 nötig, um auf die aktuelle Sicherheitslage zu reagieren. Auffällig ist auch, wovon Weber nicht berichtete, was aber von seinen Mitarbeiter kolportiert wird: Dass der Verfassungsschutz für Zuarbeiten für den NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag zunehmend lahm gelegt wird.

Zuletzt hätte sich die rot-rote Koalition im Land dafür gelobt, dass das Innenministerium zehn neue Stellen bekomme, mit denen dann der Verfassungsschutz aufgestockt werden soll. Tatsächlich bleibt es bei 90 Mitarbeiter: Die Koalition hat lediglich sogenannte kw-Vermerke (kann wegfallen) gestrichen, der weitere Personalabbau wird damit nur gestoppt. Zuvor hatte Rot-Rot seit Regierungsantritt 2009 die Abteilung auf einen historischen Tiefstand beim Personal geschrumpft.

Technische und personelle Probleme

Auch bei der technischen Ausrüstung hinkt der Verfassungsschutz hinterher und steht vor neuen Herausforderungen. Große Probleme hat der Verfassungsschutz damit, kodierte Kommunikationskanäle im Internet oder zwischen Handys zu entschlüsseln. Es fehlt auch an Islamwissenschaftlern, die sich mit Terrorismus auskennen. Der Markt ist aber leergefegt, weil alle Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern um gut ausgebildetes Personal buhlen.

Zur Misere des Brandenburger Verfassungsschutzes gehört allerdings auch, dass dieser vieles nicht darf, was für andere Verfassungsschutzbehörden in Deutschland übliche Instrumente sind. Das hatten mehrere Experten im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags berichtet. Dazu zählt etwa der Einsatz von IMSI-Catchern, um den Standort eines aktiven Handys aufzuspüren und Gespräche abzuhören. Auch eine „präventive Wohnraumüberwachung“ ist bisher nicht erlaubt, auch nicht der Zugriff auf passwortgeschützte Foren im Internet.

Auch der islamistische Extremismus wachse

Wie eng die Lage ist, zeigt auch, dass der jährliche Bericht des Verfassungsschutzes erst im Juli veröffentlicht werden konnte. Innenminister Schröter hatte bei der Vorstellung des Berichts gesagt: „Aus dem Bestreben sowohl der Rechts- als auch der Linksextremisten zur Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergibt sich eine komplexe Gefährdungslage – zumal auch noch der islamistische Extremismus wächst.“ Zunehmend würden islamistische Extremisten „personelle, materielle und finanzielle Ressourcen der Sicherheitsbehörden“ binden.

Inzwischen ist die Zahl der als Gefährder eingestuften Islamisten weiter angestiegen. Statt 80 zu Jahresbeginn sind es inzwischen 100. Um Hinweisen auf islamistische Terrorverdächtige nachzugehen, fehlt aber laut Carlo Weber das Personal. 

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