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Protest der Potsdamer Künstler: Musikunterricht unter freiem Himmel

Auf dem Alten Markt demonstrierten Potsdamer Künstler, um auf den Mangel an Proberäumen aufmerksam zu machen

Noch nutzt die Bundespolizei die ehemalige Husarenkaserne am Schiffbauergasse-Areal. Doch jetzt hat die Grünenfraktion der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag gestellt, die Immobilie für die Kreativwirtschaft zu nutzen. Die Stadt begrüßt diesen Vorschlag: Wine Nutzung durch Künstler berge „Potenzial für die weitere Entwicklung des Standorts Schiffbauergasse“, so eine Pressesprecherin.

Eine gute Nachricht für Potsdamer Künstler, die immer wieder den Mangel an Proberäumen beklagen – wäre eine Übernahme des Hauses nicht erst frühestens 2019 möglich. Am gestrigen Dienstag demonstrierten Kreative deshalb für bessere Arbeitsbedingungen.

Christian Näthe, Potsdamer Schauspieler und Musiker, gehörte zu den Künstlern, die bei der Aktion vor dem Landtag auf den akuten und drohenden Mangel an Proberäumen hinwiesen. Näthe machte Sprechübungen und las laut aus einem Buch des Russen Peter Kropotkin vor: „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“. „Das ist ein Gegenentwurf zum Sozialdarwinismus, wo immer der Stärkere gewinnt“, so Näthe.

Potsdams Künstler würden sich derzeit über eine solche Hilfe freuen: Konkret geht es um Lösungen für die mehr als 100 Künstler, die vom Wegfall der Proberäume in der Alten Brauerei als auch der Schließung des Kunsthaus 17 in der Heinrich-Mann-Allee betroffen sind. Im Juni muss die Immobilie, die seit zwei Jahren Künstlerdomizil ist, leergezogen werden.

Mehr als 25 Protagonisten der Potsdamer Kreativwirtschaft sowie von der Initiative Alte Brauerei verlegten deshalb gestern ihren Arbeitsplatz ins Freie, um zu zeigen, wie schwierig ihre Arbeitsbedingungen sind. Musiker wie die Band Fosbury Flop, die Malerin Birgit Ginkel, Puppenspieler, Grafiker und Designer wie der Potsdamer Raiko Moeller hatten dafür Arbeitsutensilien, Instrumente, Malereiausrüstung und Rechner mitgebracht, die Stromversorgung wurde mit Akkus abgesichert. Nicht alle Akteure sind vom Proberaummangel aktuell betroffen, aber sie wollen Solidarität zeigen. „Nach einer ähnlichen Aktion Anfang März bekamen wir viel Unterstützung“, sagte André Tomczak, Sprecher der Initiative. „Wir werden jetzt wahrgenommen.“ Auch die Stadt habe signalisiert, dass sie die Künstler ernst nehme: Vorschläge oder gar Lösungen für eine Entspannung der Situation gebe es aber noch nicht, so Tomczak. Vor dem Landtag, an einem neuen, präsenten Ort, erhofften sich die Protestler mehr Aufmerksamkeit, seitens der Politiker als auch der Passanten.

Davon gab es gestern nur wenige, der frische Wind verleitete eher zum Weitergehen. „Wir bleiben zwei Stunden, es sei denn, die Exekutive kommt vorbei“, sagte André Tomczak. Lieber wäre es ihm, wenn sich ein paar Politiker aus dem Landtag zeigen würden. „Wir sind gesprächsbereit“, so der Sprecher der Initiative.

Von den Stadtverordneten ließ sich der Grünen-Abgeordnete Uwe Fröhlich bei den Künstlern blicken. „Kultur braucht Hege und Pflege“, sagte Fröhlich. Musiker Ruben Wittchow hat erfahren, wie schwer es ist, einen Proberaum zu finden. Der Schlagzeuger gibt auch Unterricht, auf dem Alten Markt bekam gestern Steffen Richter seine erste Schlagzeugstunde. Ruben Wittchow fand damals einen Proberaum im Künstlerhaus Scholle 51, nachdem ihm anderswo gekündigt worden war, weil die Nachbarn sich gestört fühlten. Doch auch die „Scholle 51“ ist nur ein vorübergehendes Quartier, sagte Wittchow, noch gebe es keinen Finanzierungsplan für das Haus „Charlottenhof“, in welches die Schollen-Bewohner umziehen müssen.

„Es geht nicht nur um jetzt, es geht um die Zukunft“, sagte Raiko Moeller. Er arbeite zwar in einer Bürogemeinschaft. „Aber wenn mein heute neunjähriger Sohn später mal einen Proberaum sucht, was ist dann?“

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