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Landeshauptstadt: Mit Kanonen gegen Stare

Es scheppert, knallt und kreischt in der Plantage: Potsdamer Obstgärtner müssen ihre Kirschen vor den Vögeln schützen

Bornim - Erst kam der Frost, jetzt kommen die Vögel: Als hätten die Obstbauern nicht schon genug durch die verheerende Frostnacht Anfang Mai verloren (PNN berichteten), gibt es nun das nächste Problem. Auf die wenigen Kirschen, die derzeit an den Bäumen reifen, sind die Stare in diesem Jahr offenbar besonders scharf. Obstgärtner Gerhard Neumann vom Erntegarten in Bornim hat bereits extra Personal angeheuert, um die Vögel fortlaufend zu verscheuchen. Insgesamt acht Mann seien als menschliche „Vogelscheuchen“ in der Plantage unterwegs, sagt er.

Ortstermin in Bornim. Schon beim Einbiegen auf den Obsthof ist ein dumpfer Knall zu hören, danach rumst es noch zweimal gewaltig. Sprengarbeiten? „Das sind unsere Kanonen.“ Gerhard Neumann ist auf den Hof gekommen und lächelt. Zu lachen hat der Obstgärtner mit den schlohweißen Haaren momentan nichts. Geschätzte 85 Prozent seiner Jahresernte sind ihm vor wenigen Wochen durch den Frost verloren gegangen. Wie er übers Jahr kommen wird, weiß er noch nicht. Und nun auch noch die Stare. „So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie“, sagt der 72-Jährige.

Die Lautsprecheranlage in der Kirschplantage ist nicht neu. Die grau-weißen Kästen stehen, auf Holzpfählen montiert, in regelmäßigen Abständen zwischen den Bäumen. Das Kabel, das die Lautsprecher verbindet, läuft in einer Art Wachturm zusammen. Von dort können Neumanns Leute die Geräuschkulisse per Knopfdruck bedienen. Wie zur Demonstration schallt unvermittelt ein lauter Vogelschrei durch die Bäume, viel zu laut, als dass er wirklich von einem der Stare hätte kommen können. Es ist ein „Angstschrei“ der kirschenliebenden Vögel, den Neumann hat aufnehmen lassen – zur Abschreckung. Aber die Vögel kennen das Spiel schon. Neben einem der Lautsprecher hat sich ein Star auf dem Kabel niedergelassen und schaut scheinbar interessiert in die Baumreihen.

Schon rattert und piept es wieder los, als hätte jemand eine dieser nervtötenden Spielzeug-Pistolen über Lautsprecher verstärkt. Von wegen Gartenparadies. Ein paar Momente Stille, dann knallt es, diesmal deutlich näher. Die Gaskanone kommt in Sicht: Ein knapp meterlanges rotes Rohr mit Propangasflasche, auf einem halbhohen Gestell platziert.

Es ist die pure Notwehr. Nur 15 bis 20 Prozent Ernte rechnet sich Neumann bei den Kirschen in diesem Jahr aus – und die will er nicht den Staren überlassen. Insgesamt acht Krachmacher sind deshalb in zwei Schichten in der Plantage unterwegs und schlagen auf ausgebeulten Töpfen Lärm.

Besonders wichtig sei das in den Morgen- und Abendstunden, berichtet Neumann: Von halb sechs bis zehn Uhr und dann wieder ab sechs bis zehn Uhr abends seien die Stare besonders aktiv. Werden die Tiere dann nicht ständig vertrieben, fliegt beim ersten Ablaufen ein Schwarm von bis zu 300 Vögeln auf einen Schlag auf. „500 bis 1000 Stare sind immer da“, schätzt Neumann.

Das Problem kennt auch Manfred Kleinert vom Obstgut Marquardt – selbst wenn er die Stare angesichts der allgemein ernsten Lage bei den Obstbauern derzeit für ein kleineres Übel hält. Kleinert hat der Frost sogar nur zehn Prozent der Kirschen gelassen. Nur bei den frühen Sorten, die jetzt reifen, sieht es etwas besser aus. Rund elf Hektar bewirtschaftet Kleinert mit Kirschbäumen.

Knallkanonen aus Holland, die ihre „Schüsse“ mit Zeitsteuerung in wechselnden Intervallen abgeben, sind im Obstgut Marquardt auch in Betrieb. Ab fünf, sechs Uhr früh machen seine Mitarbeiter Krach, bis abends um acht – unter anderem auch mit „Vuvuzelas“, deren durchdringender Ton den Fußball-Fans von der WM in Südafrika noch in quälender Erinnerung sein dürfte. „Die Geräusche müssen sich ständig ändern, sonst gewöhnen sich die Vögel daran“, weiß Kleinert. Vor Jahren habe sein Obsthof an Versuchen des Agrartechnischen Instituts Bornim teilgenommen: „Man wollte genau die Frequenz finden, für die die Stare empfindlich sind.“ Ein belastbares Ergebnis gab es offenbar nicht.

Immerhin: Lärmbeschwerden aus der Bevölkerung gebe es mittlerweile kaum noch, sagt Kleinert. „Manche sagen: Wenn es bei euch wieder knallt, wissen wir, dass die Kirschen reif sind.“

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