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Cem Efe verabschiedet sich vom SV Babelsberg 03: Mehr als nur ein Trainer

Nach vier Jahren als Cheftrainer hört Cem Efe beim Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03 auf. Der 38-Jährige war für den Verein mehr als nur ein Coach, denn er sorgte nicht auf dem Platz, sondern auch abseits davon für Akzente.

Es ist eine der letzten Trainingseinheiten, die Cem Efe an diesem warmen Mittwochvormittag gibt. Der 38-Jährige sitzt auf einer Holzbank am Rand der Trainingswiese, auf der die Spieler des SV Babelsberg 03 sich für ihr letztes Saisonspiel vorbereiten. Wenig Ballkontakte, schnelles Passspiel, Torabschlüsse. So wie Cem Efe es mag und wie er es seinen Jungs immer wieder eintrichtert. Mal laut. Mal leise. Die vergangenen vier Jahre hat er das gemacht. Nach dem Spiel am Samstag gegen Auerbach (13.30 Uhr im Karl-Liebknecht-Stadion) ist Schluss. Cem Efe beendet nach vier Jahren eine Herzensangelegenheit, wie er seinen Job beim Kiezklub einmal nannte.

Efe hielt den SVB immer für einen großartigen Verein

Am Rand des Trainingsplatzes vis á vis des Babelsberger Parkes steht ein älterer Herr: Yasar Koc. Es ist der Vater von Süleyman Koc, der beim SVB mehr als eine sportliche Heimat hatte. Der Junge aus Moabit saß wegen der Beteiligung an Überfällen auf Spielcasinos im Gefängnis. „Eine Dummheit“, wie er immer wieder sagte. Dank des SV Babelsberg 03 wurde Koc Freigänger, durfte tagsüber Fußball spielen und musste abends zurück in seine Zelle. Vor dreieinhalb Jahren ging Koc zum SC Paderborn, wurde Bundesliga-Profi. Inzwischen spielt der 27-Jährige nach einem Kreuzbandriss in der zweiten türkischen Liga. Yasar Koc erzählt Cem Efe an diesem Mittwochvormittag, wie fit „Sülo“ nach seiner Verletzung schon wieder sei und dass türkische Erstligisten Interesse hätten, seinen Sohn zu verpflichten. „Er ist ein guter Junge“, sagt Yasar Koc. Efe nickt. Und dann fängt er an zu schwärmen über den Fußballer Sülo Koc, über dessen Schnelligkeit und Kraft. Es ist eine typische Babelsberger Geschichte, die viel davon ausdrückt, wenn es heißt, dass es hier eine große Familie ist.

Cem Efe hat jedem, der es hören wollte, erzählt, dass er den SVB für einen großartigen Verein hält. „Die Fans, das Stadion, die Leute.“ Trotz seiner gerade mal 38 Jahre hat er als Spieler und Trainer schon einiges gesehen, um es einzuschätzen zu können. Das Nulldrei-Kapitel nach dem Abstieg aus der dritten Liga vor vier Jahren hat Cem Efe maßgeblich mitgeschrieben. Im Zweitliga-Abschnitt der SVB-Chronik ist der in Berlin geborene Deutsch-Türke nur eine kleinere Notiz: Als 22-jähriger Mittelstürmer kam er 2002 vom VfL Osnabrück nach Babelsberg, spielte hier aber kaum. Als Co-Trainer von Christian Benbenneck kehrte Efe im Sommer 2012 zurück zum damaligen Drittligisten Babelsberg. Benbenneck blieb ein Fremdkörper im Kiez, wurde entlassen; zu spät allerdings, um den Abstieg zu verhindern.

Er hinterlässt ein Feld, auf dem etwas wachsen kann

Efe aber – das passte. Er blieb, übernahm den Trainerjob und krempelte die Ärmel hoch. Mit einer Handvoll Spieler stand er am ersten Trainingstag da, bis zum Saisonstart hatten er und Almedin Civa, sportlicher Leiter und künftig zugleich Cheftrainer des SVB, leidlich eine Truppe zusammengezimmert. In der Regionalliga hatten bis dahin die wenigsten gespielt, entsprechend eng wurde es und nur knapp entging der SVB einem erneuten Abstieg. Doch Efe hatte eine Idee von Fußball: viel Ballbesitz, flaches Kombinationsspiel, ballorientierte Raumdeckung, aktive Balleroberung. Es gelang ihm und Civa immer besser, Spieler zu finden, die diese Spielphilosophie umsetzen können. „Manchmal überfordert er uns aber auch mit seinen Ideen“, sagte unlängst Andis Shala, als der SVB das erste Mal seit vier Jahren gegen den Berliner AK gewann. Doch hat Efe dem SVB ein Gütesiegel gegeben: „Hier wird der beste Fußball in der Regionalliga gespielt“, lobten seine Trainerkollegen in dieser Saison nahezu unisono. Wer indes den reinen Faktencheck als Bewertungsmaßstab anlegt, stellt nüchtern fest: Vom möglichen Drittliga-Aufstieg ist der SVB deutlich entfernt geblieben, die Chance, den Landespokal zu verteidigen, wurde bereits im Achtelfinale verspielt. Doch Efe hinterlässt ein Feld, auf dem etwas wachsen kann.

Es gab auch Rückschläge. Persönliche. Der plötzliche Tod seines Co-Trainers und Freundes Manuel Hartmann im April 2014 hatte Efe – den Gefühlsmenschen – schmerzlich getroffen. Auch für die eigene Gesundheit gab es Warnsignale. Der eigene hohe Anspruch an Qualität, sein Ehrgeiz, das akribische Arbeiten, die ständige Präsenz, der wöchentliche Erwartungs- und Leistungsdruck und vor allem seine Leidenschaft forderten Tribut. „Ich fühle mich etwas ausgebrannt“, nannte Efe selbst einen der Gründe, weshalb er in Babelsberg aufhört.

Wohlwollende Konstante im schnelllebigen Fußball-Geschäft

Und doch scheint es irgendwie unvollendet. Nach der Aufbauarbeit der vergangenen Jahre hätte es noch immer gepasst, wenn Verein und Efe gemeinsam den Weg weiterverfolgen. Aber schon im vergangenen Sommer dachte Efe darüber nach, ob es nicht eines neuen Impulses braucht. „Soll es ein anderer versuchen“, sagte er – keineswegs resigniert, sondern hoffnungsvoll, dass jemand neue Reize setzt.

Es war eine wohlwollende Konstante im schnelllebigen Fußball-Geschäft: Cem Efe und der SV Babelsberg 03. Vier Jahre im Traineramt machen den 38-Jährigen aktuell zum dienstältesten Coach der Regionalliga. Ein Prädikat der Beständigkeit, das Verein und Efe gleichermaßen auszeichnet. Natürlich kam es der schwierigen finanziellen Situation des Klubs entgegen, dass Efe in Babelsberg eine Währung hatte, die sich nicht in Euro ausdrückt: Heimatgefühl. Efes Söhne gehörten zu Fußballspielen im Karl-Liebknecht-Stadion wie das „Yalla, Yalla SVB“ in der Nordkurve. „Ich schlaf' heute hier“, sagte er nicht nur einmal nach einem Mittwochabend-Spiel, wenn sich spät der VIP-Raum geleert hatte und sich die Heimfahrt nicht mehr gelohnt hätte, um am nächsten Morgen wieder auf dem Trainingsplatz zu sein. Dann wurde die Massageliege zum Bett.

SVB-Selbstverständnis als weltoffen und tolerant verkörpert

Cem Efe war mehr als Trainer für den SVB. Er verkörperte und vertrat das Selbstverständnis des Kiezklubs als weltoffen und tolerant. Notfalls auch leidenschaftlich laut. „Efe flippt aus“, titelte der Boulevard, als sich der Fußballlehrer im Oktober 2015 in der Pressekonferenz nach dem damaligen Heimspiel gegen den FSV Zwickau in Rage redete über die ständigen Beleidigungen der türkischen Spieler des SVB. Ein halbes Jahr später, beim Rückspiel, bekam er es heimgezahlt von den Zwickauern. Von der Kabine zur Coachingzone musste Efe einmal quer über den ganzen Platz. Von den Sitzen pfiffen und buhten sie. Eben hatten sie auf den Rängen noch Pläne für Kaffee und Kuchen am nächsten Sonntagnachmittag gemacht, plötzlich riefen sie unflätig zu dem Mann hinüber, der es gewagt hatte, öffentlich und leidenschaftlich über Rassismus auf ostdeutschen Fußballplätzen zu reden. Während die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ bei Efe in einem Interview nachfragte, wie verbreitet Alltagsrassismus im Fußball ist, wüteten die Zuschauer in Westsachsen: „Arschloch!“ „Hau ab!“ Efe ging über den grünen Rasen und lächelte.

Er nannte es eine konsequente Entscheidung, nun beim SVB aufzuhören. Er hat sich immer gewünscht, mit Nulldrei in die 3. Liga aufzusteigen. Doch ist der Verein noch nicht so weit. Efes Ziele und die Möglichkeiten des SVB ließen sich nicht mehr synchronisieren – zumindest nicht aktuell. Womöglich hat er befürchtet, dass beide Seiten bei einem weiteren Miteinander von dem verlieren, was sie in der gemeinsamen Zeit gewonnen haben. Der wichtigste Gewinn ist dabei, was Efe als Trainer, Familienvater – egal in welcher Rolle – immer wieder betont: Respekt.

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