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Nina Hagen im Nikolaisaal Potsdam: Lieder mit klarer Botschaft

Bunt, jedoch nicht schrill: Nina Hagen sang am Samstag zur Saisoneröffnung des Nikolaisaals. Manches kam allerdings unsortiert daher.

Potsdam - Als sie ihren ersten Hit sang, „Du hast den Farbfilm vergessen“, zählte Nina Hagen 20 Lenze. Heute hat sie die Sechzig kurz überschritten. Die Sängerin bekennt sich zu ihrem Alter in der Öffentlichkeit. Zwischen den 40 Jahren Farbfilm und heute liegt eine Zeit, in der sich für und um Nina Hagen viel ereignete. Sie provozierte und irritierte mit ihren Liedern, eifrigen Bekenntnissen und auch mit ihrem Outfit. Gern lud man die Künstlerin als Krawallschachtel immer wieder zu Talkshows im Fernsehen ein, wenn man mal jemanden brauchte, der so richtig schrill und schräg daherkommt. Sie setzte sich eben fast immer im Großformat in Szene. Die Mitarbeiter des Nikolaisaals luden nun Nina Hagen zur Saisoneröffnung des Konzerthauses ein, natürlich als ernsthafte Sängerin.

Am Samstagabend kam sie in den Nikolaisaal, der rappelvoll war. Vor allem die Fans der Sängerin, die gleich aus mehreren Generationen bestanden, gaben sich ein Stelldichein. Die Hagen erschien gewohnt bunt, doch nicht allzu schrill gekleidet, und brachte ihr Programm „Lieder zur Klampfe“ mit. Aber nicht nur ihre Stimme und akustische Gitarre erklang, sondern auch das Instrumentarium der Bandmitglieder Werner Poland (E-Gitarre), Fred Sauer (Klavier), Michael O'Ryan (Bass) und Marcellus Puhlemann (Schlagzeug). Leider war der Klang vor allem vor der Pause tontechnisch nicht immer optimal ausbalanciert, sodass das Verstehen der Liedtexte sich schwierig gestaltete.

Nina Hagen: „Die Brecht-Theaterstücke und Lieder haben mich ganz wunderbar geprägt“

Die „Lieder zur Klampfe“ hat Nina Hagen in vielen Konzerthäusern und Theatern unseres Planeten zum Besten gegeben. So auch im Berliner Ensemble. Dort ist die Hagen in schönster Regelmäßigkeit zu Gast, in erster Linie wohl weil sie auch die Ikonen des Theaters, Bertolt Brecht und Kurt Weill, auf dem Schirm hat. „Seit meinem zwölften Lebensjahr als unbekannte Ostberlinerin saß ich viele Abende – für 55 Pfennig – oben im zweiten Rang des Berliner Ensembles und war fasziniert von den Schauspielern wie Helene Weigel, Martin Flörchinger, Ekkehard Schall oder Hilmar Thate“, erzählte Nina Hagen. „Die Brecht-Theaterstücke und Lieder haben mich und meine Musik und Lebens-Kunst ganz wunderbar geprägt.“ So würzt sie ihre Konzertauftritte verstärkt mit Brecht-Songs in den Vertonungen von Kurt Weill oder Hanns Eisler, auch mit ihren eigenen musikalischen Eingebungen.

Mit Anti-Kriegs-Liedern aus „Die Dreigroschenoper“ und „Schwejk im Zweiten Weltkrieg“ machte sie ihre klare Botschaft den Zuhörern – auch mit teilweise wortreichen Zwischenbemerkungen – deutlich, in denen ihr Hass gegenüber Rassismus, Gewalt und Krieg, die Liebe zu Frieden, Gott und zur Schöpfung unmissverständlich vorkamen. Da passten das wohl von ihr selbst vertonte Kriegslied aus dem Jahre 1778 von Matthias Claudius oder das heute noch aktuelle Gedicht Theodor Fontanes „Das Trauerspiel von Afghanistan“ bestens hinein.

Auch Brechts Bitten der Kinder mit den Anfangsworten „Die Häuser sollen nicht brennen. Bomber sollte man nicht kennen“ oder die Kinderhymne „Anmut sparet nicht noch Mühe“ fanden ihren Platz und haben an Aktualität nichts verloren. Doch auch das berühmte Lied der US-Bürgerrechtsbewegung „We Shall Overcome“ oder Rock’n’Roll-Nummern beispielsweise von Elvis Presley fehlten nicht im Programm.

Mal kratzend, röhrend, samtweich und auch zärtlich

Das kam aber leider recht unsortiert daher. Manchmal hatte man den Eindruck, auf einer Friedensdemo zu sein, dann wieder bei einer Show. In Sachen Konzentration gab es einige Abstriche, sodass manches improvisiert werden musste, was die Bandmusiker hin und wieder in Schwierigkeiten brachte. Doch die vier reagierten auf manch musikalische Exravaganzen und Unzulänglichkeiten der Sängerin souverän.

Doch singen kann Nina Hagen. Mal kratzig und röhrend, mal samtweich und zärtlich lässt sie ihre Stimme geradezu durch den Saal fegen, immer dem Inhalt der Songs angepasst. Nur bei den Zugaben war sie stimmlich nicht mehr hundertprozentig auf der Höhe. Man spürte, Nina Hagen macht das Singen noch immer unbändig viel Freude. Am liebsten hätte sie wohl die Bühne nicht verlassen. Sie ist eben ein Bühnentier. Sie bedankt sich schließlich in schlichten Worten beim Publikum, dass es ihr zugehört habe. Dabei hört man heraus, dass sie sich ein wenig für die Lieder des Abends entschuldigt, für die zahlreichen Lieder mit der Friedensthematik. Die sind bei den meisten Zuhören jedoch gut angekommen.

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