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Landeshauptstadt: Kritik an Kampagne gegen Reich

Leistikowstraße: Nach Angriff auf Gedenkstättenleiterin fordert Stiftungsdirektor sachbezogene Debatte

Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, hat seine Vorwürfe gegen den Gedenkstättenverein Leistikowstraße bekräftigt. Der Verein habe mit „unsachlichen, polemischen und personalisierten Kampagnen“ eine Atmosphäre geschaffen, die den tätlichen Angriff eines 83-jährigen Vereinsmitglieds auf die Leiterin der Gedenkstätte, Ines Reich, begünstigt habe. „Wer Dinge personalisiert, muss sich nicht wundern, wenn Vereinsmitglieder auch gegen Personen vorgehen“, erklärte Morsch am Dienstag den PNN. Das Vertrauensverhältnis zum Gedenkstättenverein sei „stark erschüttert“, erklärte der Historiker und Politologe, „auch ganz persönlich“.

Als Beispiel für das persönliche und polemische Vorgehen des Vereins gegen die Gedenkstättenleiterin Ines Reich und ihn als Direktor der Träger-Stiftung, zitierte Morsch den Text auf einem Transparent, das Mitglieder des Gedenkstättenvereins bei einer Demonstration gegen die Gedenkstätte verwendet hatten: „Frau Reich vermorscht immer mehr“. Anwürfe solcher Art seien das Gegenteil von sachlicher und fachlicher Kritik, erklärte der Stiftungsdirektor. Stiftungssprecher Horst Seferens erklärte, ohne eine Rückkehr des Gedenkstättenvereins zu einer fairen und sachlichen Zusammenarbeit sei eine Kooperation „schwierig“.

Am Freitag vergangener Woche hatte wie berichtet ein 83-jähriges ehemaliges Opfer stalinistischer Verfolgung die 46-jährige Gedenkstättenleiterin im Servicebau der Leistikowstraße tätlich angegriffen. Nach Polizeiangaben umfasste er ihren Hals und versuchte, die Frau zu schlagen. Zudem drohte er, „die Gedenkstätte in die Luft zu sprengen“ und Ines Reich „in ihrem Zimmer zu verbrennen“.

Der Gedenkstättenverein teilte am Dienstag mit, das Vereinsmitglied sei auf eigene Initiative tätig geworden: „Es handelt sich in keiner Weise um Handlungen des Vereins.“ Es habe sich nicht „um einen gezielten Angriff unseres Vereins gegen Personen und Einrichtungen“ gehandelt. Ferner heißt es, „die Ereignisse sind bedauerlich“. Das Vereinsmitglied, das Ines Reich angriff, war 1948 vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und zu mehrjähriger Zwangsarbeit im nordrussischen Gulag Workuta verurteilt worden. Er habe sich „stets um die Würdigung des Schicksals der Opfer des sowjetischen Unrechtsregimes gekümmert“, so der Gedenkstättenverein.

Dass die Ereignisse vom Verein lediglich als bedauerlich eingeschätzt werden, findet indes wenig Verständnis bei Stiftungsdirektor Morsch: „Weniger kann man nicht sagen zu diesem sehr ernsten Vorfall mit Todesdrohungen.“ Der Verein müsse sich ernsthaft damit auseinandersetzen, „wohin der Streit geführt hat“. Morsch: „Die Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte haben Angst.“ Bei keiner anderen Gedenkstätte im Land Brandenburg würden Auseinandersetzungen „in dieser radikalen Schärfe geführt, wie das dieser Verein macht“.

Morsch appellierte, verantwortungsvoll damit umzugehen, dass „man mit Geschichte Emotionen schüren kann“. Dessen ungeachtet sei die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten weiterhin gesprächsbereit gegenüber dem Gedenkstätten-Verein Leistikowstraße. Voraussetzung sei ein Vertrauensverhältnis und eine sachbezogene Diskussion. Dafür aber müsse der Gedenkstättenverein auf die Stiftung zugehen.

Der Verein, in dem auch ehemalige Häftlinge des sowjetischen Geheimdienstgefängnisses mitarbeiten, wirft der Gedenkstätte vor, die stalinistischen Opfer nicht hinreichend zu würdigen. Morsch erklärte, die Zeit der „Mahn- und Gedenkstätten“, wie es sie zu DDR-Zeit gab, sei vorbei. Es gebe immer mehrere historische Sichtweisen, die sich der Diskussion stellen und daher sachlich sein müssten, erklärte der Direktor der Stiftung.

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