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Gefahr für Trinkwasser in Potsdam: Krisentreffen an der Grube

Die Stadt Potsdam will den insolventen Bauträger der Tiefgarage für die Speicherstadt zwingen, die Baustelle zuzuschütten. Ein Überblick über die Faktenlage, nachdem die Stadtwerke vor einer Gefahr für das Trinkwasser gewarnt haben.

Templiner Vorstadt - Das Wetter war dem Anlass entsprechend schlecht: Es stürmte und hagelte. Doch darauf konnten Potsdams Feuerwehrchef Wolfgang Hülsebeck, Bauaufsichtsleiter Markus Beck und Marina Kluge von der Spitze des Ordnungsamts am Mittwochvormittag keine Rücksicht nehmen, als sie sich zum Krisentreffen in der seit mehreren Jahren unvollendeten Tiefgarage der Speicherstadt trafen. Anlass war die Alarmmeldung der kommunalen Stadtwerke, dass die Trinkwasserversorgung von 40 000 Potsdamern gefährdet sei, weil die riesige Dauerbaustelle eben neben dem Wasserwerk in der Leipziger Straße liegt. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen zu der Krise.

Was macht das Rathaus?

Die städtische Bauaufsicht stellt ein Ultimatum. Man habe den Bauherrn, die mittlerweile insolvente Speicherstadt Potsdam GmbH aufgefordert, die Grube innerhalb von drei Monaten zuzuschütten, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow nach der Vor-Ort-Inspektion am Mittwoch. Sollte die Frist verstreichen, würde die Stadt in eine sogenannte Ersatzvornahme gehen – und die Grube selbst befüllen. Bei der Inspektion ging es vor allem um den aktuellen Zustand des Rohbaus. Zuletzt war die Grube nach Pumpenproblemen kniehoch mit Grundwasser vollgelaufen, inzwischen funktioniert die Entwässerung aber wieder – allerdings bestimmen noch großflächige Pfützen das Bild. Sorgen bereitet den Verantwortlichen allerdings die unter anderem mit Sandsäcken gesicherte Mauer zwischen Havel und Baugrube. Es müsse verhindert werden, dass beispielsweise bei einem heftigen Sturm Wasser aus dem Fluss in die Grube und damit vielleicht ins Grundwasser gerate, hieß es unisono. Als Gegenmaßnahme stapelten Feuerwehrmänner bereits Sandsäcke, um die Sperre zwischen Havel und Baugrube zu erhöhen. Unter anderem wegen dieser Sorge hatten auch die Stadtwerke beim Gesundheitsamt die Gefährdung des Trinkwassers angezeigt – wegen fehlender Deckschichten könnten Verunreinigungen auf kürzestem Weg in das Grundwasser gelangen. Vorsorglich wurden Brunnen auf dem Werksgelände, die der Baugrube am nächsten sind, bereits außer Betrieb genommen, um den Zustrom von Grundwasser aus dem Bereich der Baugrube zum Wasserwerk zu unterbinden. Und noch etwas stört die Stadtwerke: Mit den besagten Pumpen werde die Baugrube von Grundwasser freigehalten. Dabei werde Grundwasser gefördert, was dann aber für die öffentliche Wasserversorgung fehlt, wie ein Sprecher der Stadtwerke auch erklärt hatte. Dies verstoße gegen den Grundsatz des sparsamen Umgangs mit der Ressource Wasser – zumal das Recht zur Wasserentnahme inzwischen ausgelaufen sei. Ein Sprecher des Landesumweltministeriums als übergeordneter Instanz teilte auf PNN-Anfrage mit, aus Sicht der Behörde hätten die Stadtwerke als Wasserversorger in der Sache angemessen reagiert.

Wie reagiert der Bauherr?

Bisher gar nicht. Vor wenigen Wochen hat die Speicherstadt GmbH, die ihren Sitz in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Großbeerenstraße hat, Insolvenz anmelden müssen. Nach PNN-Informationen soll ein Berliner Insolvenzverwalter das Unternehmen jetzt abwickeln oder die Rettung versuchen. Allerdings sind die bisherigen Versuche eines neuen Gesellschafters gescheitert, für den Bau der Tiefgarage einen solventen Investoren zu gewinnen. Die Speicherstadt GmbH hatte die Tiefgarage mit 100 Stellplätzen für die drei ehemaligen Kornspeicher auf dem Areal bauen sollen, die die Prinz von Preußen Grundbesitz AG (PVP) in den vergangenen Jahren für rund 30 Millionen Euro zu repräsentativen Wohnhäusern umgebaut hat. Doch offenbar wegen Misswirtschaft blieb es bei dem Rohbau, die Kosten verdoppelten sich auf fünf Millionen Euro. Die PVP sieht sich jedenfalls nicht in der Pflicht, nun einzuspringen, wie eine Sprecherin gegenüber den PNN deutlich machte: „Wir sind leider nicht involviert.“ Allerdings könne man beratend zur Seite stehen. So gibt es hinter den Kulissen Gespräche, ob und wie die einstigen Käufer der schon vor Jahren versprochenen Tiefgaragenplätze den Bau doch noch vollenden könnten – wofür eine Grundstücksübertragung nötig wäre. Die Plätze für die Tiefgaragen waren einst für jeweils rund 25 000 Euro verkauft worden, teilweise haben Anwohner bereits Anzahlungen in Höhe von einigen Tausend Euro geleistet.

Was könnte nun passieren?

Das Wasserwerk der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) in der Leipziger Straße versorgt die Teltower und Templiner Vorstädte, Babelsberg sowie die Plattenbaugebiete Waldstadt, Schlaatz und Zentrum Ost und den Ortsteil Caputh der Gemeinde Schwielowsee. Die Grube befindet sich in einem Trinkwasserschutzgebiet der Klasse III. Für dieses Gebiet regelt eine Landesverordnung, dass etwa Düngen, Freilandtierhaltung, Großveranstaltungen und sogar wildes Campen verboten ist, damit keine Chemikalien, Fäkalien oder anderes in das Wasser gelangen. Ordnungswidrigkeiten in dem Bereich können laut der Verordnung mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Doch auch hier ist unklar, wer dies zahlen sollte. Schon der geplante Bau eines Uferwegs am Wasserwerk entlang hatte sich wegen zahlreicher nötiger Sicherheitsmaßnahmen auf 875 000 Euro verteuert – und ist wegen der hohen Kosten bis heute nicht umgesetzt. In dem Gebiet ist eine Baugrube theoretisch erlaubt, allerdings aus Sicht der Stadtwerke nur kurzfristig. Diese Genehmigung sei auch im vergangenen Jahr abgelaufen, wie Stadtsprecher Brunzlow erklärte. Bislang seien weder in der Grube noch im Trinkwasser irgendwelche Verunreinigungen entdeckt worden. Das Wasser werde regelmäßig kontrolliert, teilte die Stadtverwaltung mit.

Wie reagiert die Politik?

Die Kommunalpolitik reagierte zurückhaltend. „Ich habe Vertrauen in unser vorhandenes Kontrollsystem“, sagte etwa Linke-Kreischef Sascha Krämer. Und Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg meinte, nun müsse die Stadt so schnell wie möglich die besagte Ersatzvornahme beginnen und in Rechnung stellen. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Stadtverordnete Andreas Walter, der davor warnte, die Öffentlichkeit allzu sehr in Unruhe zu versetzen.

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