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Abgabegebühr: Klinikum verlangt Pauschal-Auslöse für Verstorbene

Zwei Jahre ist es her, dass der Vater von Katrin Jonas im Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ verstorben ist. Doch die Umstände nach dem Tod ihres Vaters machen die Berlinerin noch heute so wütend, dass sie eine Klage gegen das kommunale Krankenhaus vorbereitet.

Potsdam - Der Grund: Als die von Katrin Jonas beauftragte Bestatterin den Leichnam drei Tage nach dem Tod am 28. Oktober 2015 zur Beerdigung abholen wollte, habe sie diesen nur gegen die Zahlung eines Betrags von 59,50 Euro inklusive Mehrwertsteuer erhalten – für die Berlinerin eine „Ausgabegebühr“, deren Rechtmäßigkeit sie anzweifelt. „Ich war damals nervlich nicht in der Lage, mich zu streiten und habe das bezahlt – man will die Beerdigung hinter sich bringen und nicht erst einen Anwalt suchen, der einem die Leiche des Vaters aus dem Krankenhaus klagt“, wie Jonas den PNN erklärte. Experten sehen die Klinikumspraxis ebenso kritisch.

Doch der Reihe nach: Als es ihr wieder besser ging und weil ihr „die Sache“ keine Ruhe ließ, wandte sich Katrin Jonas bereits im Oktober an das Klinikum. Sie bat darum, ihr die Rechtsgrundlage für die Gebühr zu nennen, die auf dem auch vom Klinikum so genannten „Ausgabeschein“ nicht verzeichnet war – oder ihr das Geld zurückzuerstatten. Eine Antwort darauf erhielt sie nicht.

Entschuldigung für die späte Antwort

Erst als die PNN in der Sache zu recherchieren begannen und Fragen stellten, bekam auch Katrin Jonas Post aus dem Klinikum, versehen mit der Bitte um Entschuldigung für die späte Antwort. In dem Schreiben verteidigen der Medizinische Geschäftsführer Hubertus Wenisch und die Chefin für das Qualitätsmanagement, Marion Bretag, die Pauschalgebühr.

Diese umfasse etwa Leistungen wie die gesetzeskonforme Aufbewahrung der Verstorbenen im Kühlraum bei konstant vier Grad Celsius. Mit den 60 Euro liege Potsdam auch im Durchschnitt solcher Gebühren, die Krankenhäuser bundesweit erheben würden. Bis 2015 habe man noch 30 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer berechnet, sagte eine Klinikumssprecherin auf PNN-Anfrage. Pro Jahr zähle man etwa 1000 Verstorbene bei 43.000 stationär behandelten Patienten. Zur kritisierten Praxis sei nur eine Beschwerde bekannt.

Juristen zweifeln an Argumenten des Klinikums

An der Argumentation des Klinikums gibt es aber erhebliche Zweifel bei Juristen und Bestattungsexperten. Problematisch sei schon, dass eine gemeinnützige GmbH wie das Klinikum überhaupt Gebühren verlange. Das sei Kommunen vorbehalten, sagte der Verwaltungsrechtler Thorsten Ingo Schmidt den PNN nach Prüfung des Falls. Der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam sagte auch, der vom Klinikum gegenüber Katrin Jonas angeführte Verweis auf Paragraf 18 des brandenburgischen Bestattungsgesetzes sei nicht zielführend: Dort werde keine Aussage zu Gebühren getroffen. Unter anderem regelt der Passus aber, dass ein Leichnam innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes in eine Leichenhalle zu überführen sei.

Auch darauf verwies die Klinikumssprecherin jetzt auf Anfrage. Allerdings regele das Gesetz nicht, wer genau verantwortlich sei. Bei einem Todesfall im Klinikum sehe man es aber als „moralische und ethische Aufgabe“ an, „den uns Anvertrauten auch nach dem Tod respektvoll und pietätvoll zu behandeln“. Dafür würden die 34 Kühlplätze in der Pathologie genutzt. Mit dieser Leistung übernehme man auch Aufgaben der Bestattungsunternehmen, dies läge also in deren Interesse. Damit handele es sich um eine sogenannte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA).

Pauschalpraxis sei nicht gerechtfertigt

Auch dieses Argument überzeugt Verwaltungsjurist Schmidt nicht. Bei einer GoA könnten nur erforderliche Aufwendungen geltend gemacht werden – das könne bei durchaus unterschiedlichen Liegezeiten der Verstorbenen nicht pauschal abgerechnet werden. Ähnlich sieht es Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter: „Aus Angehörigensicht ist es sicher verwunderlich, wenn gerade nach einer kurzen Liegezeit von Verstorbenen eine so hohe Gebühr verlangt wird.“ Diese Pauschalpraxis sei nicht gerechtfertigt, so Neuser.

Fabian Lenzen, Sprecher der Bestatter-Innung von Berlin und Brandenburg, sagte den PNN, es gebe viele Häuser in Deutschland, die solche Kosten überhaupt nicht in Rechnung stellten. Andere wiederum erheben eine Gebühr pro Tag. In der Berliner Charité sei diese etwa Teil eines vorher einsehbaren Behandlungsvertrags, 60 Euro kosten dort die ersten drei Tage, 23 Euro jeder Folgetag.

Verstorbene als Pfand einzubehalten, sei verboten

Eindeutig nicht zulässig sei es laut Lenzen aber, die Herausgabe des Verstorbenen von der Begleichung der erhobenen Gebühr abhängig zu machen, „den Verstorbenen also als Pfand bis zur Zahlung einzubehalten“. Dies würde nach gängiger Rechtsprechung sogar dem Straftatbestand der Störung der Totenruhe entsprechen, so Lenzens Einschätzung. Das Klinikum bestreitet, so zu verfahren – Angehörige könnten auch später zahlen.

Allerdings verweist Katrin Jonas auf den „Ausgabeschein“, den sie damals von der Klinikumstochter „Ernst von Bergmann“-Diagnostik erhalten hatte. Darauf steht eindeutig: „Die Ausgabe der/des Verstorbenen ist gebührenpflichtig.“ „Ausschließlich“ unter Abgabe dieses Scheins könne der Verstobene auch überführt werden. Konfrontiert damit sagte die Klinikumssprecherin, diese Formulierung sei tatsächlich irreführend: „Wir werden umgehend diesen Satz aus diesem Ausgabeschein herausnehmen.“

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