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Potsdams Waldschlösschen: In Schutt und Schnee

Morgen feiert „Die Bücherdiebin“ Premiere: In dem Film hat nicht nur die „Berliner Straße“ ihren letzten Auftritt

Uwe Schaer kennt das Waldschlösschen noch aus den Jahrzehnten vor dem Mauerfall. Nur einen Katzensprung war es von der Babelsberger Filmstadt in die legendäre Kneipe in der Stahnsdorfer Straße: „Dort hatten wir unsere Defa-Brigadefeiern und haben auf der Kegelbahn gekegelt“, erinnert sich der Film-Handwerker. 1977 begann er seine Tischlerlehre in den Babelsberger Filmstudios – Schaer zählt damit zu den Studio-Mitarbeitern, die am längsten dabei sind. Heute koordiniert er als Projektleiter die verschiedenen Gewerke bei den großen Hollywood-Koproduktionen. Und dem Waldschlösschen, dem hat er zu einer letzten Ehre verholfen. Denn als die Kneipe im Frühjahr 2013 abgerissen wurde, war Schaer just auf der Suche nach Bauschutt für eine Filmkulisse.

Die „Bücherdiebin“ war der Film, für den Schaer in den bitterkalten Wintermonaten vor einem Jahr unterwegs war. Erzählt wird darin die Geschichte des Waisenkindes Liesel Meminger – gespielt von der kanadischen Nachwuchsdarstellerin Sophie Nélisse – in einer Kleinstadt in Hitler-Deutschland. Bei ihren Pflegeeltern, den Hubermanns – Oscar-Preisträger Geoffrey Rush („The King’s Speech“) und Emily Watson („Anna Karenina“) – findet sie ein neues Zuhause und lernt, den Alltag unter den Nazis zu meistern, ohne die Moral und das eigene Gewissen zu verraten. Zwischen dem Mädchen und dem jüdischen Boxer Max, den die Hubermanns im Keller verstecken, entwickelt sich eine Freundschaft. Am morgigen Donnerstag feiert der Film Premiere in Berlin, Kinostart ist erst am 13. März.

Für das Drama nach dem gleichnamigen Bestseller von Markus Zusak baute das bis zu 80 Mann starke Handwerker-Team nicht nur Innensets und einen historischen Eisenbahnwaggon in den Studiohallen. Auch die berühmte Babelsberger Außenkulisse „Berliner Straße“ bekam kurz vor ihrem Abriss noch einen ganzen Parallel-Straßenzug verpasst, erzählt Uwe Schaer: die Himmelsstraße, in der Liesel wohnt. Die zweigeschossigen Gebäude und das Kopfsteinpflaster sollten Kleinstadtstimmung verbreiten. Für eine authentische Atmosphäre besorgte Schaer historische Biberschwanz-Dachziegel, die er beim Caputher Dachdecker Blank fand. Auch das verwendete Holz hat zum Teil schon einige Jahre auf dem Buckel: „Ich bin über die Dörfer gefahren und habe geschaut, wo bald eine Scheune abgerissen wird“, erzählt der 53-Jährige, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Güterfelde wohnt und dort im Sportverein und Bürgerhausverein gut vernetzt ist.

Die Vorbereitung der „Bücherdiebin“ hat er als anstrengend in Erinnerung: Denn der kalte Winter erschwerte die Sache erheblich. Um zum Beispiel die Fassaden der neuen Himmelsstraße putzen und streichen zu können, mussten die Kulissenhäuser mittels Gerüsten mit dicken Planen komplett eingehaust und dann mit Heizungen aufgewärmt werden.

Eine Besonderheit gab es auch bei der Konstruktion der Straße, die die Handwerker im hinteren Teil auf einer Schräge bis auf 3,5 Meter Höhe ansteigen ließen. Auf dem künstlichen Hügel konnte aber kein Kopfsteinpflaster verlegt werden – „das wäre zu schwer gewesen“, erklärt Uwe Schaer. Die Kulissenbauer behalfen sich mit eigens gefertigten und wesentlich leichteren Betonplatten in Kopfsteinpflasteroptik – die Form nahmen sie vorher mit Silikon von echtem Pflaster ab.

Das anhaltende Winterwetter war nicht einmal für die Winterszenen zu gebrauchen, berichtet der Projektleiter: „Wir haben tagelang die Dekos mit Propanbrennern vom Schnee befreit, um dann teilweise Kunstschnee aufzubringen.“ Denn der Schneeersatz aus Zellulose wirkt gleichmäßiger und ist auch besser zu verteilen als echter Schnee.

Echt ist dagegen der Schutt, der sich in den Kriegsszenen in der Himmelsstraße türmt. Für die nach einem Bombenangriff zerstörte Straße musste die Kulisse noch einmal umgebaut werden. Als Schaer sah, dass in der Stahnsdorfer Straße zur selben Zeit das Waldschlösschen abgerissen wurde, fragte er dort kurzerhand nach dem Bauschutt. Uwe Schaer lächelt, als er die Geschichte erzählt: „So hat das Waldschlösschen die letzte Ruhe am Set von der Bücherdiebin gehabt.“ Ein würdiges Ende für die beliebte Kneipe. Dass Schaer wenige Monate später sowohl die Himmelsstraße als auch die Berliner Straße, bei deren Aufbau vor 15 Jahren er schon dabei gewesen war, endgültig demontieren musste, schmerze ihn nur wenig, sagt er: „Es ist ja unsere Arbeit, immer etwas neu zu bauen.“

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