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Landeshauptstadt: Hollywood baut die Grenze wieder auf

Für Dreharbeiten zu Steven Spielbergs Agententhriller wird die Glienicker Brücke am ersten Adventswochenende komplett gesperrt

Babelsberg/Berliner Vorstadt - Fünf Tage lang wird alles wie früher an der Glienicker Brücke: Für Steven Spielbergs Agententhriller mit Tom Hanks in der Hauptrolle wird die frühere deutsch-deutsche Grenzbrücke rund um das erste Adventswochenende komplett gesperrt. Von Donnerstag, dem 27. November, ab 19 Uhr bis Montag, dem 1. Dezember, 14 Uhr dürfen weder Autos noch Busse, Radfahrer oder Fußgänger die Brücke nutzen, wie Studio Babelsberg am gestrigen Dienstag mitteilte. Die Traditionsstudios sind der ausführende Produzent für den Film mit dem Arbeitstitel „St. James Place“. Oscarpreisträger Spielberg will in dem Film die Geschichte hinter dem ersten Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke im Jahr 1962 erzählen.

Für die Dreharbeiten soll die Brücke von den Babelsberger Kulissenbauern wieder in den historischen Zustand jener Zeit versetzt werden – auch der ehemalige Grenzübergangspunkt wird als Kulisse wiederentstehen, wie das Studio mitteilte. Zudem werden historische Fahrzeuge eingesetzt und Beleuchtungstechnik rund um die Glienicker Brücke aufgebaut. Die Aufbauarbeiten beginnen bereits ab Anfang kommender Woche, sagte Studiosprecher Eike Wolf den PNN. Für den Film ist ein insgesamt 400-köpfiges Team aus Babelsberg noch bis Anfang Dezember im Einsatz.

Der komplizierte Kulissenbau sei auch der Grund für die lange Sperrung der Brücke: „Es handelt sich um Dekoelemente, die wir nicht mal eben schnell auf- oder abbauen können“, erklärte der Studiosprecher und bat Anwohner und von der Sperrung betroffene Potsdamer und Berliner um Verständnis: „Wir wissen, dass wir in den Nahverkehr eingreifen und dass viele Pendler davon betroffen sind.“ Laut einer Verkehrszählung der Stadt pendeln täglich 15 000 Autofahrer und 1000 Radfahrer über die Brücke. Autos und Lkw werden für die Dauer der Sperrung in Absprache mit den zuständigen Behörden in Potsdam und Berlin über die Nutheschnellstraße und die A 115 umgeleitet. Auf Potsdamer Seite bleibt die Berliner Straße bis Höhe Menzelstraße frei befahrbar, auf Berliner Seite die Königstraße bis Zufahrt Schlosspark Glienicke.

Eingeschränkt ist auch der öffentliche Nahverkehr: Für die Buslinie 316/N 16 wird ein Ersatzverkehr eingerichtet, teilte das Studio mit. Entsprechende Informationen würden an den betroffenen Haltestellen ausgehängt. Die Tram-Linie 93 zur Glienicker Brücke verkehrt dagegen unverändert. In Absprache mit den Wasser- und Schifffahrtsämtern Brandenburg und Berlin wird auch der Schiffsverkehr eingeschränkt, wie Studiosprecher Eike Wolf sagte: Die Wasserstraße werde dabei nicht komplett gesperrt, sondern der Verkehr nur zeitweise unterbrochen, wenn die Dreharbeiten laufen.

Dass am historischen Ort gedreht wird, sei ein Wunsch von Regisseur und Produzenten gewesen. Oscarpreisträger Spielberg bringt die Geschichte des ersten Agentenaustausches auf der Glienicker Brücke ins Kino. Am 10. Februar 1962 wechselten auf der damaligen Grenzbrücke zwischen Potsdam und Westberlin der KGB-Spion Rudolf Abel und der CIA-Spion und Air-Force-Pilot Francis Gary Powers die Seiten. Über die spektakuläre Aktion wurde seinerzeit in Zeitungen weltweit geschrieben – sie begründete den Ruf der Brücke als Agentenbrücke des Kalten Krieges.

Spielberg macht in seiner Version – das Drehbuch stammt aus der Feder der Coen-Brüder („Fargo“) – den New Yorker Anwalt James Donovan, gespielt von Tom Hanks, zur Hauptfigur. Donovan hatte den Austausch damals in jahrelangen Verhandlungen hinter den Kulissen vorbereitet. Der Anwalt war zunächst als Strafverteidiger für den KGB-Spion Rudolf Abel bekannt geworden. Abel, der heute als berühmtester Spion des Kalten Krieges gilt, war im Juni 1957 im New Yorker Hotel Latham vom FBI festgenommen worden. Fast zehn Jahre lang hatte er sich offiziell als Künstler getarnt und mittels eines Agentennetzes die Atomgeheimnisse der USA ausspioniert. Dass er vor Gericht um die Todesstrafe herumkam, hat er seinem Verteidiger Donovan zu verdanken: Er plädierte damals für eine Haftstrafe, um Abel als möglichen Tauschpartner für US-Spione nutzen zu können.

Diese Idee wurde dann aktuell, als am 1. Mai 1960 der U2-Pilot Gary Powers bei einem Spionageflug über der Sowjetunion abgeschossen wurde – Powers überlebte dank des Fallschirms und wurde im Herbst 1960 von den Sowjets zu zehn Jahren Haft verurteilt. Für die Verhandlungen über einen Austausch reiste James Donovan hinter den Eisernen Vorhang. Er erwirkte unter anderem, dass auch ein in Ostdeutschland festgehaltener US-amerikanischer Student zurückkehren durfte.

Für Spielbergs Leinwandversion sind neben Tom Hanks Mark Rylance, Amy Ryan und Sebastian Koch für weitere Rollen vorgesehen. Die Dreharbeiten hatten Anfang September in New York begonnen, Ende Oktober fiel in Potsdam die erste Klappe, gedreht wurde unter anderem im Schloss Marquardt. Gefilmt wird derzeit außerdem im polnischen Breslau (Wroclaw), wo einem Bericht der „Gazeta Wroclawska“ zufolge Szenen aus dem Berlin zur Zeit des Mauerbaus entstehen.

Das Filmteam hatte nach PNN-Informationen zur Vorbereitung unter anderem das Museum Villa Schöningen an der Brücke besucht und sich dort nach möglichen Originalexponaten erkundigt.

Auch in Potsdam hatte der Austausch damals ein Nachspiel, wie PNN-Leser Bernd-Reiner Paulke berichtete. Abel ist demnach zur Erholung noch einige Tage in der Havelstadt geblieben. Paulkes Vater, der 2011 verstorbene Diplombiologe Erich Paulke, führte Abel im Rahmen des Besuchsprogramms durch den Botanischen Garten von Sanssouci. „Abel hat damals auf meinen Vater einen nachhaltigen, großen Eindruck gemacht“, erinnert sich der Sohn, der damals als Siebenjähriger zur Schule ging. Die Gedenkstätte KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße wiederum hält bis heute Kontakt zu Gary Powers’ Sohn Francis Gary Powers junior, der 2005 erstmals zu Besuch war.

Der Spielberg-Film soll am 16. Oktober 2015 in den USA in die Kinos kommen. Zum deutschen Kinostart ist noch nichts bekannt. Finanzielle Unterstützung für die Produktion kommt auch vom Medienboard Berlin-Brandenburg: Die Filmförderung beider Länder zahlt 500 000 Euro für das Projekt.

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