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Ausstellung in Potsdam: Heimatkonzepte: Überall und verloren

Eine Ausstellung des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler in der Produzentengalerie M thematisiert unterschiedliche Konzepte von Heimat. Für viele ist sie ein innerer Ort.

Potsdam - Die Heimat ist ein seltsamer Ort. „Home is where my heart is“, wusste die Sängerin Lene Lovich und intonierte damit, was den modernen Menschen immer mehr umtreibt: ein Heimatgefühl, das nicht so recht verortet, sondern allenfalls im Inneren zu finden ist. Früher war alles klar: Heimat waren eine Örtlichkeit und Blutsbande, die ja bekanntlich dicker als Wasser sind. „Ich bin mit meinen Eltern viel umgezogen, habe immer wieder in neuen Städten neue Freundschaften geschlossen“, sagt Sibylla Weisweiler.

Sie hat die aktuelle Ausstellung in der Produzentengalerie M des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler organisiert. „Hier und Da – homeland“, also Heimat, so der Titel. Aus Potsdam und Norwegen stammen die Künstlerinnen. In einer Kooperation mit dem Tare Steigen Air Kunsthaus in Norwegen hat der Verband die Kooperation von zwei Brandenburger Künstlerinnen mit den Norwegern organisiert. So hat Weisweiler zwei Monate in Norwegen zugebracht und sich dort mit anderen Künstlern und der Brandenburgerin Frauke Danzer zusammen Gedanken darüber gemacht, was heute Heimat sein kann.

Welche Gegenstände vermitteln das Gefühl von Heimat?

Bei einem Workshop hat Weisweiler mit den Einwohnern des Ortes versucht, herauszubekommen, was die Menschen heute im hohen Norden mit dem Begriff verbinden: So recht in der modernen, globalisierten, allzeit flexiblen und aufbruchbereiten Arbeitswelt waren die Einwohner des 100-Seelen-Ortes noch nicht. Was vielleicht ein Glück ist, denn die Hektik des postmodernen Arbeitslebens bleibt außen vor. Die Künstlerin bat die Norweger, sich jeweils in einer Situation oder mit einem Gegenstand zu zeigen, der für sie ein Heimatgefühl vermittelt. So entstanden Fotos auf einem Boot, in einem Garten oder mit Schafen, die für den beaufsichtigenden Schäfer eben Heimat bedeuten. „Heimat, das hatte für einige dort immer noch etwas mit Blut und Boden zu tun“, stellt Weisweiler erstaunt fest. Das sei auch gar nicht so verwunderlich, denn die Befragten oder deren Eltern seien zumeist noch Fischer oder Bauern gewesen, waren also einem Handwerk nachgegangen, das naturgemäß unmittelbar mit den Elementen verbunden ist.

Für die an der Ausstellung beteiligten Künstler allerdings ist der Heimatbegriff meist ein ganz anderer. Einen plüschigen Teddybär hat Elke Karnik in allen möglichen Situationen und an verschiedenen Orten fotografiert. Ihre Eltern stammen aus der Ukraine, Karnik zog nach Berlin, nach London, schließlich nach Norwegen. So verlor die Heimat für die Künstlerin den fest installierten Ort. Der Begriff machte sich an dem fest, was immer blieb: der Teddybär. Das ist keine ganz neue, aber eine recht sympathische und nachvollziehbare Idee.

Heimat als Landschaft der Seele

In einem Video schreitet Karnik mit einem sonderbaren, selbst gebastelten Tier aus Sprungfedern und Stofffetzen vom Strand ins Meer und verschwindet in den Wellen. Auch dies ein schönes Bild für die Heimat, deren Verortung sich letztlich im Nirgendwo auflöst. Schwieriger wird es, wenn die Künstlerin Grethe Unstad aus einer Schlüssellochperspektive hübsche Blumen malt und damit möglicherweise ein heimeliges, häusliches Heimatgefühl evozieren möchte. Denn das Dargestellte ist offensichtlich und weist auch nicht viel weiter als die gemalte Abbildung der Flora. Das Vertraute äußere sich für Unstad beim Arrangement von Formen und Farben, sagt Weisweiler. Das mag für die Künstlerin zutreffen, überträgt sich aber nicht so recht auf den Betrachter.

Die dunklen Landschaften von Line Hvoslef zeigen keinen konkret benennbaren Ort, sondern skizzieren Seelenlandschaften. Auf sorgsam geschichteten Untergründen zeichnet die norwegische Künstlerin Bäume, Pflanzen und tektonische Platten, die sich zu imaginierten Welten verbinden. Hvoslef zeigt: Selbst die innere Landschaft kann eine geografische Architektur aufweisen. für die Brandenburgische Künstlerin Frauke Danzer verbindet sich das Gefühl von Heimat mit einer Landschaft, mit Bergtälern in der Schweiz, durch die sie mit ihrer Familie gewandert ist und denen sich Danzer „heimatlich verbunden“ fühlt. Im Atelier entstanden schrundige Landschaftsbilder. Die Bilder erinnern an kartografische Darstellungen. Ihre unebene Oberflächenstruktur macht den Bezug der Künstlerin zum Dargestellten nahezu greifbar.

Heimat: Lange ein Unwort

Mit Fröschen und Tintenfischen, Blumen und Monstern sucht Kamilla Sajetz Mathisen nach einem Weg jenseits von Vernunft und Rationalität. „Das ist das Tier in uns, es ist Teil des apollinischen Gebietes, widerspenstig und übertrieben. Es ist eine Kraft, die in sich selbst existiert und die immer direkt unter der Oberfläche der Zivilisation lauert“, schreibt die Künstlerin. Die innere Heimat verortet sich im undefinierbaren Selbst. Die sehr sorgsam gearbeitet kleinen, weißen Figurinen von Mathisen veranschaulichen ihre These, auch wenn der Bezug zum Ausgangsbegriff der Ausstellung nicht ganz offensichtlich ist.

Heimat war lange ein Unwort, ist aber gerade Diskussions- und Kunstthema. Missbraucht und von rechtem Gedankengut okkupiert mochte sich in Deutschland lange Zeit niemand so recht mit dem Begriff auseinandersetzen. Im Zuge von globalisierten Erwerbsbiografien, von Lebensläufen, die häufig zwischen Kontinenten pendeln, wird Heimat ein ortloser Begriff. Die spezifischen Verbindungslinien zwischen dem problematischen Heimatbegriff und einer möglichen Neudefinition sind, arbeitet die Ausstellung leider nicht heraus, auch wenn die Arbeiten schön gelungen sind.

Richard Rabensaat

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