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Landeshauptstadt: Haus am See

Im Haus Alexander in Groß Glienicke traf sich einst die Berliner Gesellschaft. Jetzt wollen Nachfahren aus England und Anwohner die Sommerfrische am See wiederbeleben

Der Physiker Albert Einstein war seinerzeit Gast, auch der Theaterintendant Max Reinhardt oder die Fotografin Lotte Jacobi: Das Wochenendhaus von Alfred Alexander, dem Präsidenten der Berliner Ärztekammer, war um 1930 ein Treffpunkt für Berliner Künstler und Intellektuelle. Der jüdische Arzt, der sich mit seiner Privatklinik in Berlin-Mitte bei der Gesellschaft einen Namen gemacht hatte, wurde mit dem Domizil in idyllischer Lage am Groß Glienicker Seeufer vor den Toren der Hauptstadt nicht nur zum Vorreiter der Wochenendhaus-Bewegung, sondern als erster Ufer-Bewohner auch zum Mitbegründer der heutigen Siedlung Groß Glienicke, sagt Winfried Sträter, der stellvertretende Ortsvorsteher: „Bis 1927 war das ein reines Bauern- und Gutsdorf.“ Trotzdem ist das Schicksal von Alexander ebenso wie das der anderen deutsch-jüdischen Bewohner des Potsdamer Ortsteils während der DDR-Jahre in Vergessenheit geraten.

Doch das ändert sich jetzt. Angefangen hat es vor drei Jahren, als der Heimat- und Geschichtsverein Groß Glienicker Kreis eine Broschüre zum deutsch-jüdischen Leben im Ortsteil herausgegeben hat. Für die Recherchen hatte die Groß Glienickerin Sonja Richter auch die Nachfahren der Alexanders in England kontaktiert. Dorthin war Alfred Alexander mit den vier Kindern im Jahr 1936 geflohen – um einer drohenden Gefangennahme durch die Gestapo zu entgehen. 1939 wurde Alexander vom Nazi-Regime ausgebürgert. Sein Sohn Hanns sollte als britischer Soldat im Jahr 1946 dem früheren Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss auf die Spur kommen und ihn festnehmen. Über diese bemerkenswerte Geschichte hat Thomas Harding, der Urenkel von Alfred Alexander, 2013 ein Buch veröffentlicht. „Hanns and Rudolf“ wurde in England ein Bestseller und von Schriftstellerkollegen wie John le Carré und Frederick Forsyth hochgelobt.

Im Sommer 2013 war Thomas Harding auf den Spuren seiner Familie auch wieder zu Besuch in Groß Glienicke. Es waren vor allem zwei Eindrücke, die er von der Reise mitnahm, wie er den PNN erzählt: „Ich war beeindruckt vom Interesse der Groß Glienicker an der Geschichte meiner Familie – aber das Haus war in erbärmlichem Zustand.“ Als der heute 45-Jährige das Wochenendhaus seines Urgroßvaters 1993 zum ersten Mal besucht hatte, habe es noch ganz anders ausgesehen: Damals gab es einen Bewohner, erinnert sich Harding. Doch seit 2003 steht das Sommerhaus mit der Holzfassade, das der Stadt Potsdam gehört, leer, verfällt zusehends und leidet durch Vandalismus und ungebetene Gäste.

Damit sollte nun Schluss sein. Im November 2013 gründeten die Nachfahren der Familie Alexander gemeinsam mit einigen Groß Glienickern einen Verein, den Alexander Haus e.V., Thomas Harding ist der Vorstandsvorsitzende. „Unser Ziel ist es, das Haus vor weiterem Verfall zu schützen, es zu restaurieren und als Denkmal, Museum und Begegnungszentrum öffentlich zugänglich zu machen“, sagt Thomas Harding. Das Haus Alexander, so die Vision, könnte zum Ort werden, an dem Anwohner und Gäste über die deutsch-jüdische Geschichte Groß Glienickes, den Holocaust, die DDR-Zeit und die Zukunft der Gemeinde ins Gespräch kommen. „Mit der Lage am Seeufer unweit des Radweges eignet es sich perfekt“, meint Harding. Der Verein könnte das Haus später betreiben. Über einen gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen zur Unterstützung des Vorhabens soll das Potsdamer Stadtparlament am kommenden Mittwoch entscheiden.

Als die Groß Glienicker Mitte April zum Arbeits- und Aufräumeinsatz im Haus Alexander aufriefen, reiste Thomas Harding mit 13 weiteren Alexander-Nachfahren nach Potsdam. „Es war ein außergewöhnlicher Tag“, erzählt er. Um die 50 Potsdamer waren gekommen, auch Lokalpolitiker beteiligten sich. „Die gemeinsame Arbeit, das Kaffeetrinken danach waren ein wunderbares Erlebnis“, erzählt Harding. Für die Familie sei dieser Zuspruch von den Anwohnern besonders wichtig – und ein Hauptargument dafür, sich weiter für das Haus ihrer Vorfahren zu engagieren: „Dieser Prozess des Zusammenkommens, des Gesprächs miteinander, ist genauso wichtig wie die Geschichte“, sagt Harding.

Ähnlich sieht das Moritz Gröning. Der Rechtsanwalt ist nicht nur Mitglied im Verein, sondern hat als Bewohner des Landhauses Abraham in Groß Glienicke selbst Erfahrungen mit der jüdischen Geschichte des Ortes – und mit denkmalgerechter Sanierung. Für sein Engagement für das Abraham-Haus bekam er vor drei Jahren den Brandenburgischen Denkmalpflegepreis. „Das Alexanderhaus hat den besonderen Charme, dass es das Engagement der Familie gibt und die verschiedenen Seiten zusammenkommen, um das Projekt gemeinsam zu stemmen“, sagt Gröning. Auch von der Stadt gebe es dafür bislang „sehr positive Signale“.

Noch im Mai soll es weitergehen: Ein Gutachter soll sich ein klares Bild vom Zustand des Hauses machen – die Kosten dafür übernehmen die Alexanders, berichtet Gröning. Danach soll – in Abstimmung mit der Stadt – ein Plan für die Sanierung gemacht werden. „Von da aus müssen wir dann weitersehen, dass wir entsprechende Geldmittel sammeln und zum Beispiel bei verschiedenen Stiftungen anklopfen“, sagt Gröning.

„Es wäre schön, wenn wir das Haus wenigstens schnell vor weiteren Witterungsschäden schützen könnten“, sagt Thomas Harding. Der Traum wäre die Sanierung und Eröffnung im Jahr 2016. Schon diesen Sommer aber wird Thomas Harding in Deutschland verbringen: „Ich will ein Buch über das Haus schreiben.“

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