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"Localize"-Festival in Potsdam: Harter Kontrast

Beim Localize-Festival in Drewitz prallen in diesem Jahr tatsächlich Welten aufeinander. Das muss nicht schlecht sein

Von Sarah Kugler

Potsdam - Kontrast ist wohl das Wort des Abends. Vielleicht sogar eher noch Kontraste, denn es sind mehrere Dinge, die sich am vergangenen Donnerstagabend beim Start des diesjährigen Localize-Festivals gerieben haben. Das fängt damit an, dass Kunst und der Ort – Drewitz – aufeinanderstoßen. Die alternativ-moderne Künstlerszene trifft auf Plattenbauatmosphäre, Hosen in gedeckten Leinenfarben mischen sich mit Kleidchen im schrillen Leopardenprint, der vegetarische Burger aus dem angereisten Bistro konkurriert mit dem lokalen Döner.

Eine Annäherung findet allerdings nur vorsichtig statt – und fast ausschließlich auf dem Außengelände, hinter den Plattenbauten der Konrad-Wolf-Allee. Hier versammeln sich vor allem am Abend Bewohner aus Drewitz und den umliegenden Stadtteilen, um sich das „Balkon-Ballett“ anzusehen. Dort wirken schließlich Verwandte, Bekannte und Freunde – allesamt echte Drewitzer – mit, das motiviert zum Hingehen. Eine junge Familie aus dem Kirchsteigfeld etwa ist da, weil die Freundin der Tochter als Cheerleader mittanzt. Das sei der Hauptgrund, sagt sie, aber „was die Künstler so fabriziert haben“ in den Ausstellungsräumen der umgebauten Plattenbauwohnungen, habe sie sich auch angeguckt. Besonders beeindruckt war sie von mit Papier beklebten Luftballons, auf die Tomografien von Gehirnen projiziert wurden – eine Arbeit der Filmuniversität Potsdam. „Ich habe keine Ahnung von Kunst“, so die junge Mutter. „Aber faszinierend fand ich das schon.“ Überhaupt sei es gut, dass Künstler in Drewitz Raum bekämen, um sich zu verwirklichen. Davon profitierten letztendlich beide Seiten.

Trotzdem sieht man am Donnerstag nur wenige Drewitzer in der Wohnungsausstellung. Es ist vielmehr das gewohnte Localize-Publikum, das sich dort trifft und etwa die Fotoausstellung von Mohammed Al Ghamian betrachtet. Der gebürtige Syrer stellt darin seine Flucht über Jordanien, die Türkei, Griechenland bis hin nach Deutschland dar. Die Bilder sind bunt, fast vertrauenserweckend – die warmen Farben stehen im krassen Kontrast zu der Beschwerlichkeit der Reise, die er zum großen Teil zu Fuß zurücklegte. Nur eine Aufnahme – die von Al Ghamians zerstochenem Rücken – erzählt in Ansätzen davon.

Nicht alle Projekte sind thematisch so schwer beladen, die „Musterwohnung“ des „Studio+/-0“ stellt zwar auch Umbrüche dar, aber ganz anders. Hier wurden Flure verkleinert, Decken herabgesenkt, scharfe, spitze Ecken geschaffen. Für Menschen mit Klaustrophobie ein Albtraum, ist die umgestaltete Wohnung für alle anderen ein Wunderland. Drewitzer findet man dort trotzdem kaum.

„Ich wusste gar nicht, dass es eine Ausstellung gibt“, sagt eine junge Mutter, deren Kinder hinter dem Haus spielen. Sie sei nur mal gucken gekommen, um etwas Stimmung aufzufangen. Ein paar andere Anwohner gesellen sich dazu, viele schlagen aber auch einen großen Bogen um den musikbeschallten Platz, Hundeausführer eilen schnell darüber hinweg. Gäste der lokalen „Billard Arena“ beäugen das Geschehen aus sicherem Abstand. Die Performance des „Balkon-Balletts“, eine bunte Collage aus Texten, Tanz und klassischer Musik, kommentieren sie immer mal wieder mit lauten Ausrufen – begeistert oder auch nur zustimmend klingen die nicht unbedingt. Der Applaus derer, die extra dafür gekommen sind, ist dafür umso größer, es entsteht eine kurzweilige Einigkeit von Kunst und Örtlichkeit. Trotzdem, die Kluft bleibt. Eine Vermischung, einen Dialog der Gruppen, gibt es kaum. Organisatorin Anja Engel hofft auf das Wochenende, schließlich sei das Fest gerade für Familien ausgerichtet, und die wohnen ja auch vor Ort. 

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