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Debatte im Landtag um US-Truppen für Polen: Geywitz erklärt, wie man Woidke verstehen muss

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke löste mit Kritik an US-Truppen für Polen Irritiationen aus. Nach einer Landtagsdebatte ist Polens Botschafter beruhigt. Aber war das nötig? Warum wirkte Klara Geywitz wie die wahre Polen-Beauftragte?

Potsdam - Diese Debatte im Landtag in Brandenburg war nötig. Polens Botschafter in Deutschland Andrzej Przylebski sagte am Donnerstag im Anschluss an die von der CDU-Fraktion beantrage Aktuelle Stunde, die er von der Zuschauertribüne verfolgte: „Ich bin beruhigt. Ich werde nach Polen berichten: Es ist alles geklärt.“

Der Botschafter meinte die Aussagen von Brandenburgs Ministerpräsidenten und SPD-Landeschef Dietmar Woidke von vor zwei Wochen zur Verlegung von US-Truppen nach Polen und in die baltischen Staaten. Denn dort haben die Äußerungen des Polen-Beauftragen der Bundesregierung Verunsicherung ausgelöst. Die Lage musste geklärt werden, sagte Przylebski, „weil für viele Tage in den polnischen Medien der Ruf Deutschlands beschädigt wurde“. Die Aussagen des brandenburgischen Ministerpräsidenten seien als antiamerikanische Position der Ostdeutschen verstanden worden. Wörtlich sagte der Botschafter: missverstanden, aus dem Kontext gerissen. Die Medien hätten eine Mitschuld.

Zwei Wochen dauerte die Debatte - Woidke räumte es nicht ab

Ein einfacher Trick, um Woidke nicht zu brüskieren. Denn selbst wenn es so gewesen wäre, steht die Frage im Raum: Warum hat es der Polen-Beauftragte trotz mehrfacher Versuche über mehr als eine Woche nicht geschafft, die von ihm ausgelösten Missverständnisse auszuräumen? Selbst nicht, als sich Litauens Botschafter in Berlin, Deividas Matulionis, irritiert zeigte. Und dann nur mit Mühe, als er nach Protesten von Linke und AfD gegen die US-Truppen über Links- und Rechtspopulisten schimpfte.

Zur Erinnerung: Vor zwei Wochen hatte Woidke vor einer Eskalation durch die Verlegung von 4000 US-Soldaten samt schwerem Gerät nach Polen und vor einer Provokation Russlands gewarnt. Es sei besser, mit Russland im Gespräch zu bleiben, es helfe auf Dauer nicht weiter, wenn beiderseits der Grenze Panzer auf und ab fahren. Warum die US-Soldaten kommen, sagte er zunächst nicht. Weil nämlich die vier Nato-Verbündeten Polen, Estland, Litauen und Lettland darum gebeten haben – wegen Russlands Annexion der Krim, des militärischen Eingreifens in der Ostukraine, wegen Russlands Ansprüchen auf eine Einflusssphäre. Erst später ging Woidke auf die „Befindlichkeiten“ der Verbündeten ein, er kenne sie, habe Verständnis dafür, aber ein stärkerer Dialog mit Russland müsse das Ziel sein.

Woidke bekundete Solidarität mit Polen und Balten

Was also meinte Woidke, wo steht er? Das wollte auch die CDU-Fraktion wissen und beantragte die Aktuelle Stunde zum „Schulterschluss mit Polen und den baltischen Republiken“. Der Ministerpräsident sicherte Polen und den Balten klare Unterstützung im Konflikt mit Russland zu. „Es gibt keine Nato-Verbündeten zweiter Klasse“, sagte er. „Unsere Solidarität steht außer Frage.“ Die Verlegung der US-Truppen sei eine Reaktion auf Russlands Vorgehen seit der Ukraine-Krise und stünde im Einklang mit den Zusagen, keine maßgeblichen Nato-Truppen im Osten zu stationieren. Erneut sprach Woidke von Befindlichkeiten, also Ängsten der Polen und Balten vor Russland. Allerdings gehöre es auch zur Nato-Strategie, auf Kooperation zu setzen. Das sei die Politik der ausgestreckten Hand. Dauerhafter Frieden in Europa sei nur mit Russland möglich. Und dann wiederholte Woidke seinen alten Panzer-Satz, mit dem er alles losgetreten hatte.

Polens Botschafter Andrzej Przylebski sagte im Anschluss, Woidkes Intention sei damit geklärt. Und auch CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben dankte Woidke für die Klarstellung. „Nicht die Amerikaner haben den Truppentransport angestoßen“, sagte Senftleben. Die Tür nach Europa und zum Dialog habe Russlands Machthaber Wladimir Putin zerschlagen. Senftleben erinnerte auch an die wechselvolle Geschichte Polens, die mehrfache Teilung durch Deutschland und Russland, den Hitler-Stalin-Pakt, die Besetzung durch die Sowjets. Zu Woidke sagte Senftleben: „Diese Erfahrungen darf keiner als Befindlichkeiten abtun. Sie sind das Trauma ganzer Nationen.“

Grüne: Linke hat Bündnis von Rechten, Putin und Trump wohi übersehen

Ralf Christoffers, Fraktionschef der Linken, die gegen die US-Truppen protestiert haben, äußerte sich differenzierter als bislang seine Genossen: Es gehe um die Frage, ob die Mittel der Nato die richtigen Maßnahmen seien, um die Spannungen mit Russland abzubauen. Protest sei daher völlig legitim, ohne die Sicherheitsinteressen Polens infrage zu stellen. In Polen und bei den Balten sei die Gefahr, dass Russland seinen Hegemonialanspruch wie auf der Krim und in der Ukraine weiter umsetzt, überaus präsent. Durch die, wenn auch geringe, Anzahl der US-Soldaten bestehe die Gefahr weiterer Missverständnisse, die einen Dialog erschwerten.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel erklärte, es gehe nicht um „Befindlichkeiten“, sondern um handfeste und historisch begründete Ängste. Die Linke, die sich über Zuspruch von der AfD beklagt, sollte sich fragen, ob sie die „Annäherung zwischen der europäischen Rechten, deren Ideengeber Putin und dem President-elect Trump verpasst hat“. Russland habe zentrale Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur zu Fall gebracht. Der Dialog dürfe zwar nicht abreißen, aber es reiche nicht aus, nur auf die Kraft guter Worte zu vertrauen.

Gauland erklärt Polen, was es heißt, Nachbar einer Großmacht zu sein

AfD-Landeschef Alexander Gauland zeigte, wozu die von Woidke ausgelösten Missverständnisse führten – zu Applaus von rechts. „Es geschieht nicht oft, dass wir dem Ministerpräsidenten beispringen. Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen“, sagte Gauland. Es werde „mit Panzerketten geknirscht“, obwohl Russland nur zur Großmachtpolitik zurückkehre.

Polen und die Balten erwähnte Gauland nicht, sagte aber: Nachbarschaft zu Großmächten gebe es nur mit Einschränkungen. Er verglich das Verhalten Russlands mit dem der USA in der Kuba-Krise 1962. Der AfD-Bundesvize hofft nun auf Trump, der werde eher in der Lage sein, einen Weg aus dem Kalten Krieg zu finden, als die „alten transatlantischen Eliten“.

Bemerkenswert war vor allem eine Rede, nämlich die von Klara Geywitz (SPD). Die Generalsekretärin der Landes-SPD trat wie die eigentliche Polen-Beauftragte auf. Sie formulierte einen klaren Wertekanon und erinnerte an Brandenburgs Rolle als Motor der deutsch-polnischen Beziehungen. Und das alles ohne betont staatstragend wirken zu wollen. Sie begrüßte Warschaus Botschafter mit einem fließend gesprochenen Satz auf Polnisch. Wo Woidke vage blieb, wurde Geywitz konkret.

Geywitz: „Gespräche ja, aber nicht auf Kosten der Polen und der Balten.“

„Ein guter Außenpolitiker muss sowohl ein Polenversteher als auch ein Russlandversteher sein“, sagte sie. „Für Brandenburg ist klar, wo wir stehen.“ Die wesentliche Messlatte, ob „wir mit Russland reden“, sei: „Gespräche ja, aber nicht auf Kosten der Polen und der Balten.“ Oder: „Man muss den jeweiligen Herrscher in Moskau nicht lieben, um die Notwendigkeit des Dialogs zu begreifen.“

Aber auch AfD und Linke nahm Geywitz ins Visier. Deren Warnungen vor einem Angriffskrieg der Nato seien Fake-News. „Wer sich da in Brandenburg aus Antiamerikanismus mit einem ,Ami go home’-Plakat vor die Kaserne stellt, könnte schnell mit einem Problem aufwachen“, sagte Geywitz. „Wenn Europa selbst für seine Sicherheit einstehen müsste: Das wird besonders für alle Finanzminister eine teure Sache.“ Ein Seitenhieb gegen Finanzminister und Linke-Landeschef Christian Görke, der ebenfalls gegen die US-Truppen demonstriert hatte.

Und dann sagte Geywitz einen Satz, der einen ganz klein erschienen lies – Dietmar Woidke, den Ministerpräsidenten und Polen-Beauftragten. Denn Geywitz erklärte, was der Regierungschef wohl vermitteln wollte, aber nicht geschafft hat. Mit Blick auf die Krim, die Ukraine, deren Rechte man verteidigen müsse, auf Russlands Ansprüche sei es richtig, dass die Nato militärische Präsenz zeige, die Situation sei aber gefährlich, dürfe sich nicht zu einer Spirale der Gewalt steigern. Geywitz: „Und genau so muss man auch die Äußerungen des Ministerpräsidenten verstehen.“

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