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Landeshauptstadt: Für’s Platten-Land

Bei Mario Kott, früher Joop-Model, bekommen Modelleisenbahner alles, was sie für ihr geliebtes Paralleluniversum brauchen. Das Hobby ist fest in Männerhand

So schnell geht Straßenbau. Binnen Minuten geht meterweise frischer Asphalt über den Tresen, darunter „dreimal Kurve“, sagt Mario Kott und rechnet zusammen. Die Pakete sind für eine Modelleisenbahnplatte, der Käufer typisch für die Klientel: männlich, Ü 40 oder Ü 50, jemand, der neben Beruf und Familie wieder etwas Zeit und Geld für sich selbst hat. Der Straßenbauer hat erst vor wenigen Jahren wieder mit dem Hobby begonnen, seine alten DDR-Bestände hervorgeholt. Jetzt hat er eine Platte im Keller und bastelt fast jeden Abend. Der Weg ist das Ziel, sagt er. Das Schlimmste, was einem Modelleisenbahner passieren kann, sei, dass die Platte fertig wird.

Dass sie das nie wird, dafür wird Mario Kott schon sorgen. Seit 2009 ist er Inhaber des Geschäfts „Modellbahnen Potsdam“ in der Jägerstraße. Vor 15 Jahren begann er hier als Aushilfe und blieb dabei, auch wenn er sich zwischenzeitlich beruflich anders orientierte: Wolfgang Joop holte Kott 2000 in sein Team, auf der Straße vor dem Laden waren sich die Männer über den Weg gelaufen. Bis 2004 arbeitete der blonde große Mann dann neben seinem Mathematikstudium als Model für den Designer und weitere Firmen. Und entschied sich dann doch für etwas Solides. Er habe zu viele in der Branche verhungern sehen, sagt er heute. Immerhin verfügte er dadurch über etwas Startkapital aus jenen Jahren, konnte als Mathematiker mit Zahlen umgehen – nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um sich selbstständig zu machen.

Nun liefert er den Nachschub, Ideen, Beratung und Hardware für alle, die vom Virus Modelleisenbahn befallen wurden. Natürlich seien es heute weitaus weniger, weil statt einer elektrischen Eisenbahn mittlerweile Handy, Computer oder Playstations unterm Weihnachtsbaum liegen. Aussterben werden die Modellbahner aber nie, sagt Kott und bekommt nachdrücklich Bestätigung von den Männern, die selbst an einem müden Montagvormittag vorbeikommen. Man kennt sich, nennt sich beim Vornamen, und Mario Kott kennt die Vorlieben der meisten Kunden: Spurbreite, regionale Ausrichtung, Epoche. Es ist eben ein Unterschied, ob man aus dem Osten oder Westen stammt, ob man seine kleine heile Eisenbahnwelt in die Nachkriegszeit, die Achtziger oder die moderne Jetztzeit packt, Dampflok, Reichsbahn-Diesel oder elektrische Triebwagen fährt. „Muss ja alles zusammenpassen, man kann kein DDR-Auto neben einen ICE stellen.“

Nichts, was es nicht gibt oder bestellt werden kann bei Kott im Laden. Die Grundausrüstung von Fuhrpark, Gleisanlagen und Schaltung ist, so scheint es jedenfalls, unendlich zu ergänzen. Beliebige Landschaften können gebaut werden, mit Wäldern, Feldern und Teichen, Bergen und Tunneln. Dazu kommen Straßen und Straßenfahrzeuge, Häuser, Menschen und Tiere – sozusagen die Plattenbewohner. Fantasievoll und detailgetreu sind die Winzlinge gefertigt, symbolisieren eine komplette Gesellschaft – bis hin zu Nackedeis, Minimänneken in eindeutigen Posen, allerdings blickdicht verpackt – wegen der Kinderkundschaft, sagt Kott. Nachmittags ab 14 Uhr kommen sie, die Nachwuchsbahner. Mit einem „Mario, die Lok fährt nicht mehr“ marschieren sie in den Laden, legen ihm den Patienten auf den Tresen. Dann wird schon mal am offenen Herzen operiert.

Verkaufen ist eben mehr als die Kasse zu bedienen. Mario Kott repariert selbst oder zeigt, wo das Problem liegt. Er berät zu neuen Produkten und kauft gern alte auf – er hat eine umfangreiche Second-Hand-Abteilung. Manchmal ahnt er beim Ankauf bereits, wer sich darüber freuen könnte. Und Kinder bekommen in der Flohmarktabteilung viel Eisenbahn für weniger Taschengeld.

Von ganz Mini, Spurbreite Z, bis Gartenbahn reicht das Sortiment. Die Loks und Wagen kommen aus ganz Europa, Exotisch-Buntes aus der Schweiz oder Skandinavien steht neben grünen DDR-Doppelstockzügen im Uniformgrün. Und alles findet seine Liebhaber. Zu seinen Kunden zählen Menschen, die mit der Branche zu tun haben oder hatten, Busfahrer oder ehemalige Arbeiter aus dem Babelsberger Karl-Marx-Werk. Die suchen dann die 180er-Dieselloks, die dort einst gebaut wurden. Oberbürgermeister Jann Jakobs war schon hier, sagt Kott, Wolfgang Joop allerdings noch nicht. Es soll in Potsdam Büros geben, in denen Eisenbahnplatten stehen, sagt Kott, vermutlich zur Entspannung.

Die liebsten Kunden seien ihm dennoch die Frauen, Mütter, Ehefrauen, Omas und Tanten, die für ihre Männer oder Kinder kaufen. Dann kann er umfassend beraten, gern holt er dazu etwas aus, zeigt, was alles möglich ist. Und selbstverständlich hilft er, Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke zu verstecken, erzählt notfalls dem Mann, das Gewünschte sei leider gerade nicht lieferbar, weil er weiß, die Ehefrau hat es längst für ihn gekauft. Das findet Mario Kott amüsant.

Mit dem Laden ist er verwachsen, aufhören will er nicht, lieber vergrößern, sobald dieses Geschäft abbezahlt ist. Neu ist der Onlineshop, er hofft, damit auch Kunden von weiter her anzulocken. Wenn jemand in Bayern bei ihm genau die Lok findet, die er sucht, das wäre doch toll.

Jägerstraße 20, Tel. (0331) 2804489

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