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Stasi-Debatte in Brandenburg: Er hat es gut gemeint

Wie CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski in der Debatte um die Stasiverstrickung von Linke-Abgeordneten mit seinem Anliegen einer gemeinsamen Entschließung scheiterte

Potsdam - Es war ein überraschender Vorstoß, den der CDU-Generalsekretär und Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski am 17. Januar verkündete. Er wolle sich darum bemühen, dass der gesamte brandenburgische Landtag mit einer gemeinsamen Entschließung aller Fraktionen auf den Bericht der sogenannten Poppe-Kommission reagiert, die bei fünf Parlamentariern Spitzeldienste für die Staatssicherheit festgestellt hatte. Als Dombrowski dies im Anschluss an eine CDU-Fraktionssitzung den Journalisten erklärte, sah sich die CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig genötigt, auch noch darauf hinzuweisen, dass ihre Partei natürlich weiterhin an der von ihr formulierten Forderung festhalte, dass die belasteten Abgeordneten ihr Mandat zurückgeben. Ludwig forderte ein „Stasi-freies“ Parlament. Gut zwei Wochen später hat sie nun einen Text bekommen, der zwar auch die Unterschrift aller Stasi-Spitzel trägt, nicht aber die der Abgeordneten der anderen Oppositionsfraktionen. Und sie sieht sich von der SPD gestreuten Gerüchten ausgesetzt, der von den Sozialdemokraten seit Langem herbeigeredete Aufstand gegen ihren angeblich unversöhnlichen Kurs habe endlich Gestalt angenommen – Dombrowski bereite einen Putsch vor.

Tatsächlich hat Dombrowski am 18. Januar einen Referenten der CDU beauftragt, einen Text zu verfassen und dann an die Grünen und die FDP weiterzuleiten. Der war insbesondere bei der FDP sofort auf Stirnrunzeln gestoßen. Die Abgeordnete Linda Teuteberg, in der Fraktion die Sprecherin für alle Fragen der Aufarbeitung des SED-Erbes, störte sich daran, dass aus ihrer Sicht die politische Zielrichtung nicht erkennbar war. Sie sagte, dass zulasten der nötigen Klarheit Formulierungen verwendet wurden, die darauf zielten, auch bei SPD und vor allem bei der Linkspartei Zustimmung zu finden. Dombrowski ging es vor allem darum, den Landtag insgesamt auf eine Art Verpflichtungserklärung für eine bessere Behandlung der SED-Opfer festzulegen. Er nahm die Debatte um den Poppe-Bericht dafür als Anlass und sagte auch mehrfach, dass aus seiner Sicht sowieso nicht mehr zu erwarten sei. Teuteberg sagte, dass dadurch die Kernaussagen des Berichts, also die Feststellungen zu den Spitzel-Abgeordneten, völlig in den Hintergrund treten. Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel hatte erhebliche Probleme mit dem vorgeschlagenen Text, dem er später dann „Wischiwaschi-Formulierungen“ vorwarf. Dombrowski vermittelte allerdings seiner Fraktion den Eindruck, Grüne und FDP zögerten und seien zu keiner Stellungnahme fähig. Als am 20. Januar Dombrowski, Vogel und Teuteberg versuchten, den sich abzeichnenden Konflikt in der Opposition zu bewältigen, wurde Grünen und FDP nach deren Darstellung schnell klar, dass der CDU-Mann nicht allzu großen Wert auf eine mit Grünen und FDP abgestimmte Haltung legte und anstelle einer weiteren Diskussion lieber den Alleingang versuchte.

Er verabredete für den 24. Januar einen Termin mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der Linksfraktion, Christian Görke, zu dem er auch Teuteberg und Vogel einlud – ohne allerdings vorher anzufragen, ob diesen eine Teilnahme überhaupt möglich wäre. In dieser Zusammenkunft, bei der die FDP fehlte, wurde dann der von der CDU vorgelegte Text so weit verändert, dass er auch für die mit Spitzeln hoch belastete Linke erträglich wurde. Entscheidend waren insbesondere zwei Passagen, die zentrale Anliegen der Linksfraktion berücksichtigten.

So enthält der dann vom Landtag mit großer Mehrheit verabschiedete Text einen in letzter Minute hinzugefügten Absatz, in dem das umstrittene Vorgehen bei der Abgeordnetenüberprüfung in der ersten Legislaturperiode gutgeheißen wird. Es habe damals „eine umfassende Debatte“ gegeben. Damit fällt die auch in der Enquetekommission des Landtags zur Nachwendepolitik vielfältig geäußerte Kritik an dem Vorgehen aus dem Jahre 1994 unter den Tisch. So wird beispielsweise auch die Tatsache ignoriert, dass der einstige SED-Bezirkschef und damalige Linke-Abgeordnete Heinz Vietze trotz seiner Spitzeldienste für die Staatssicherheit damals völlig unbehelligt blieb. Er war trotz entsprechender Hinweise damals noch nicht einmal namentlich erwähnt worden in dem Bericht über belastete Abgeordnete.

Der Linksfraktion gelang es durch einige redaktionelle Änderungen ebenfalls, den CDU-Text bei der Frage zu entschärfen, ob der Landtag die Bewertungen der Poppe-Kommission akzeptiert. Ursprünglich hieß es bei Dombrowski, der Landtag „dankt“ für diese Bewertungen. Jetzt hatte die Linksfraktion durchgesetzt, dass er sie „zur Kenntnis“ nimmt. Und schließlich gelang Görke mit einem hinzugefügten, sechs Buchstaben umfassenden Wort die Generalabsolution für alle belasteten Mitglieder seiner Fraktion. Der CDU-Text sah vor, dass die belasteten Abgeordneten sich mit ihrer Vergangenheit kritisch auseinandersetzen. Die dann verabschiedete Passage aber verlangt, dass sie sich „weiter kritisch“ damit befassen. Dabei war insbesondere bei der Abgeordneten Gerlinde Stobrawa der Vorwurf im Raum, sie habe zu keiner Zeit das ganze Ausmaß ihrer Stasi-Kontakte zugegeben. Der Poppe-Bericht bezeichnete deswegen ihre Äußerungen dazu auch als „nicht glaubhaft“.

Nachdem Dombrowski diesen Änderungen zugestimmt hatte, ließ die Linksfraktion auch sofort nichts unversucht, die Unterschrift von Gerlinde Stobrawa unter den Text zu bekommen. Da nur noch wenige Stunden Zeit waren, wurde extra ein Kurierfahrzeug in Marsch gesetzt, um die erkrankte Abgeordnete in ihrem Heimatort Bad Saarow zu erreichen. Und während die Linke die Unterschriften aller ehemaligen Stasi-Spitzel auf einem Blatt einsammelte, unterschrieben die CDU-Volksvertreter auf einem anderen Blatt. Das offenbar auch in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass selbst der wegen falschen Angaben zu seiner Stasi-Vergangenheit aus der Linksfraktion ausgeschlossene Lausitzer Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann sich mit seiner Unterschrift unter den Antrag selbst bescheinigte, sich bisher schon kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt zu haben.

In der Kürze der Zeit kam es in der CDU-Fraktion auch weder zu einer Debatte um die Endfassung der Entschließung noch wurde den Abgeordneten klar erläutert, welchen Beitrag zum Text die Linksfraktion geleistet hatte. Deren Verhandlungsführer Görke versuchte dann auch am 25. Januar während der Plenarsitzung des Parlaments und wenige Minuten vor der Abstimmung über den Entschließungsantrag bei den Grünen und der FDP Unterschriften zu sammeln, scheiterte dort allerdings vollständig.

Der CDU-Mann Dombrowski verteidigt sein Vorgehen weiterhin damit, dass es in dem Text auch Passagen gebe, die insbesondere den SED-Opfern Genugtuung verschafften. So werde die „schwere moralische Schuld“ der Spitzel festgestellt. Er erwähnt allerdings nicht, dass er selbst ursprünglich auch bei diesem Teil der Entschließung eine wesentlich härtere Formulierung versucht hatte. Das Wort „moralische“ fehlte in seinem an die FDP und die Grünen übermittelten Textvorschlag.

Die plötzliche und den anderen Oppositionsfraktionen und Teilen der CDU selbst politisch nur schwer erklärbare Einheitsfront zwischen den beiden Regierungsfraktionen und der CDU löste dann wiederum Spekulationen aus, Dombrowski habe sich gegen die Parteichefin durchgesetzt. Denn die gemeinsame Entschließung passte so gar nicht in das von der SPD gerne gezeichnete Bild einer unversöhnlichen „Ludwig-CDU“. Saskia Ludwig enthielt sich bislang weitgehend der Kommentierung des gesamten Vorgangs. Sie hat ihren Generalsekretär Dieter Dombrowski stets gegen innerparteiliche Kritik verteidigt. Sie stützt auch den von ihr vorgeschlagenen parlamentarischen Geschäftsführer Ingo Senftleben, der seinen Anteil am Gang dieser Dinge hat. Bei den Diskussionen um das SED-Erbe überlässt sie aus naheliegenden Gründen zumeist Dombrowski die Initiative. Der Mann war in der DDR wegen Republikflucht verurteilt worden und hatte einige Jahre im Gefängnis gesessen. Auch deswegen hält sich die öffentliche Kritik an seinem Vorgehen derzeit nicht nur bei Ludwig eher in Grenzen. Aus Ludwigs Umfeld heißt es lediglich, der ganze Vorgang sei unglücklich gelaufen. Dombrowski habe seinen Erfolg in den Formulierungen für die Opfer gesehen – und dabei an anderen Stellen zu stark nachgegeben. Andere CDU-Abgeordnete sagen, nachdem der fertige Text vor ihnen lag, hätten sie mit dem Gedanken gespielt, ihre Unterschrift nicht zu geben. Andere sagen, sie hätten nach der von ihnen als dreist empfundenen Parlamentsrede von Linken-Fraktionsvize Stefan Ludwig eine Kurzintervention erwogen, um sich zu distanzieren. Alle erklären, dies nicht getan zu haben, um Dombrowski nicht zu beschädigen.

Dombrowski sagte nun am Sonntag zu seinen parteiinternen Kritikern wie Henryk Wichmann (siehe Interview links), dass er Verständnis nicht nur für eine andere Meinung, sondern auch für eine öffentliche Stellungnahme habe. Das Thema sei komplex und er respektiere es, wenn andere CDU-Politiker zu Schlussfolgerungen kämen, die von seinen abweichen.

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