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Fanprojekt des SV Babelsberg 03: „Ein großer Auftrag ist die politische Bildung“

Felix Kruse war Betreuer im Fanprojekt des SV Babelsberg 03. Zum 15-jährigen Bestehen dieser Initiative spricht er über die Aufgaben und Bedeutung eines Fanprojekts, die Herausforderung bei der Arbeit sowie Konflikte.

Herr Kruse, Sie waren fast vier Jahre Fanbetreuer im Fanprojekt des SV Babelsberg 03. Wird man in so einer langen Zeit selbst zum Fan?

Tatsächlich war ich schon davor Fußballfan, das hat sich dann gehalten. Natürlich hätte es einen Unterschied gemacht, wenn ich aus der Babelsberger Fanszene gekommen wäre. Ich hatte zwar einen Zugang zum Thema Fußballfans und der Leidenschaft für diesen Sport – und das ist für diesen Job auch ganz hilfreich gewesen. Aber ich war nicht Fan des SV Babelsberg. Das hätte problematisch sein können. Aber in dem ein oder anderen Spiel habe ich natürlich auch mitgefiebert. Ich erinnere mich da zum Beispiel an den letzten Spieltag in der dritten Liga (Anm. d. Red.: im April 2012), als Makarenko in der 93. Minute per Freistoßtor gegen Bielefeld den Klassenerhalt sicherte. Da habe ich auch die Arme hochgerissen. In erster Linie aber bin ich immer Fan des 1. FC Köln gewesen. (Lacht.)

Was eigentlich ist die Aufgabe des Fanprojekts?

Die Kernaufgabe ist eigentlich die Begleitung der Fußballfans zu Heim- und Auswärtsspielen. Aber auch die Vertretung gegenüber der Polizei und anderen Sicherheitskräften, die Unterstützung der Kommunikation. Ich habe es auch als großen Auftrag gesehen, die Fanszene in der politischen Bildung, aber auch in der Anti-Rassismus-Arbeit und Anti-Gewalt-Strategien weiterzubringen.

Muss man als Fanbetreuer in Babelsberg besondere Eigenschaften mitbringen, weil die Fanszene traditionell links ist?

Man muss auf jeden Fall ein gewisses Bewusstsein dafür haben. Wenn man überhaupt kein Verständnis dafür hat, dass das junge, politisch denkende Menschen sind, wäre es schwierig. Da habe ich selbst auch einen bestimmten Hintergrund, das hat mir dabei sicherlich geholfen.

Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit als Fanbetreuer von der eines normalen Sozialarbeiters?

Es ist ein ganz krasses Arbeitsfeld, weil man in der Arbeitszeit in Situationen kommt, die sehr ungewöhnlich sind und die man in vielen anderen Feldern der Sozialarbeit so nicht hat. Gerade am Spieltag, wenn es Konflikte mit der Polizei oder anderen Fußballfans gibt, ist man oft mittendrin im Geschehen. Ansonsten gibt es viele Dinge, die ähnlich wie in anderen Feldern der offenen Sozialarbeit sind. Wenn man zum Beispiel den Fanladen (Anm. d. Red.: in der Babelsberger Karl-Gruhl-Straße 62) sieht, das ist ja durchaus vergleichbar mit einem Jugendtreff.

Arbeitet man als Fanbetreuer auch mit anderen Stellen zusammen, etwa mit der Polizei oder dem Verein?

Zu meiner Zeit war das wesentlicher Bestandteil der Arbeit, dass man sich austauscht. Bei der Polizei muss man natürlich ein wenig vorsichtig sein. Man muss sich seiner Rolle bewusst sein, dass man Vertreter der Fanszene, wenn auch ein kritischer ist, aber dass man auf jeden Fall nicht unparteiisch ist. Die Kommunikation hat immer das Ziel, im Sinne der Fans zu handeln. Die Kommunikation mit dem Verein ist ein ganz wesentlicher Kern der Arbeit. Ohne den Verein geht es letztendlich nicht.

Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie in Babelsberg zu kämpfen?

Eine große Schwierigkeit waren die Probleme in der Fanszene. Da gab es Konflikte zwischen dem damals entstehenden „Ostblock“ und der Nordkurve. Da haben wir als Fanprojekt immer versucht, eine unparteiische Haltung zu haben. Das war manchmal sehr schwierig. Aus meiner Sicht ging es in dem Konflikt vor allem darum, wie man in der Öffentlichkeit auftritt und wie man zum Thema Gewalt steht. Nach außen hin gab es wiederholt Konflikte zwischen Fans und Polizei. Dabei war die Kommunikation mit dem damaligen Polizeichef Ralf Marschall sehr gut. Auch mit den Zivilbeamten war das eigentlich immer ganz positiv. Aber man hat im Rahmen von Auswärtsspielen oft mit Polizeieinheiten zu tun gehabt, wo sich das dann sehr schwierig gestaltet hat.

Warum sind Fanprojekte so wichtig?

Ich glaube, Fanprojekte sind ganz wichtig, um die jugendlichen Fußballfans zu begleiten und ihrer doch manchmal richtungslosen Aktivität einen Rahmen zu geben. Ich sehe gerade diesen Bereich der politischen Bildung als ganz wichtig an. Nicht ohne Grund ist es so, dass die Ultras, die jüngeren Fußballfans, selbst an etwas schwierigeren Standorten oft die sind, die den etwas fortschrittlicheren Teil einer Fanszene ausmachen. Und da haben die Fanprojekte einen sehr, sehr großen Anteil. Außerdem empfinde ich den Aspekt der Fürsprache als sehr wichtig. Denn oft haben Fußballfans nicht den allerbesten Ruf. Es ist aber wichtig, dass ihre Interessen nach außen hin vertreten werden, natürlich immer mit einer kritischen Grundhaltung. Ich glaube, dass Fanprojekte dazu beitragen können, dass es weniger Gewalt im Fußball gibt.

ZUR PERSON: Felix Kruse (39) war von Januar 2009 bis Ende 2012 Fanbetreuer beim SVB-Fanprojekt. Jetzt ist er als Sozialarbeiter bei der Stadt Kiel tätig und betreut dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Mehr als nur Fußball: Lesen Sie hier weitere Hintergründe zum Fanprojekt des SV Babelsberg 03. 

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