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Brandenburg: Die Scham des Bauarbeiters

Der Aufsichtsrat tagt in einer Feuerwache, die Maler machen Pause, ein Trockenbauer redet sich in Rage. Ein Besuch am Flughafenzaun

Schönefeld - Einen brandschutzsichereren Tagungsort hätten sie nicht finden können. Die schwarzen Limousinen der Aufsichtsratsmitglieder und Flughafenchefs steuern am Morgen die „Feuerwache-Ost“ an, einen grauen Kasten an der südlichen Flughafenperipherie. Kamerateams legen sich vor dem Sicherheitszaun auf die Lauer, um einen BER-Promi beim Frischluftschöpfen zu stellen. Sonst erfährt man hier wenig Neues.

Einige hundert Meter nordwestlich, am Willy-Brandt-Platz, der künftigen Terminalpiazza mit Springbrunnen und Sonnenterrasse, macht eine Malerkolonne Frühstückspause. Die jungen Herren sind etwas maulfaul. Der Flughafen sei doch wie jede andere Baustelle, „Stress ist überall“, dabei sehen sie sehr entspannt aus. Sie malern die Parkhäuser und überpinseln Schadstellen, die andere Bauleute verursacht haben. Wann sie damit fertig sind, wissen sie nicht.

Eine Schadstelle ist jetzt auch das neue Willy-Brandt-Platz-Schild vor dem Steigenberger-Hotel, abgeknickt, ist wohl jemand gegengefahren. Zwei Behelmte beugen sich über einen Plan, ihre rote Weste weist sie als „Ingenieure für Brandschutz“ aus. Das sind hier die Entscheider, Daumen hoch heißt, Flugbetrieb kann starten, Daumen runter, weiter warten. Auf Nachfrage lächeln sie nur. „Wir haben viel zu tun. Schönen Tag noch.“

Am Willy-Brandt-Platz verkehren keine Flugzeuge, aber Busse. Die Linie 734 fährt nach Schönefeld oder Zeuthen und die 263 nach Grünau. Allerdings nur einmal pro Stunde. Drinnen sitzen meistens Bauarbeiter oder Fachbesucher. Touristen und Berliner verirren sich eher selten hierher.

Gegen 11 Uhr steht ein Trockenbauer an der Haltestelle. Auch er sieht ganz entspannt aus. Wie die Malerkollegen. Warum er um diese Zeit schon Feierabend macht? „Wir liegen ja doch nur herum.“ Das könne er ja genauso gut an einem See tun. Arbeit gebe es eigentlich genug, nur sei die Finanzierung nicht mehr sicher, deshalb würden die Bauleiter nur noch Kleinigkeiten machen lassen, hier mal ein Loch bohren, dort etwas nachspachteln.

Und dann erzählt der Brite, der schon öfter auf Berliner Großbaustellen aktiv war, Geschichten wie aus dem Tollhaus. „Was wir hier gebaut haben, ist schon alles wieder abgerissen, wegen Grundrissänderungen. Mit dem Material, das wir wegwerfen, könnte man eine Kleinstadt bauen.“ Eine Optiker-Filiale werde zum Schnellrestaurant umdisponiert, ein Bürotrakt zur Kantine – „eine einzige Farce. Sowas habe ich in 24 Jahren, die ich den Job jetzt mache, noch nicht erlebt.“

Decken würden abgehängt, obwohl Rohre und Elektrokabel noch nicht verlegt sind, nur um vertraglich fixierte Termine zu halten. Seinen Chef freut es: doppelte Arbeit, doppelte Bezahlung. „Ich habe 100 Quadratmeter zugeschraubt, wobei mir klar war: Das wird alles wieder aufgerissen.“ Inzwischen leide seine Handwerkerehre unter diesem Irrsinn. „Schuld ist die Organisation. Es gibt keine Bauleiter, die für einen bestimmten Abschnitt zuständig sind.“ Das sei an Großbaustellen aber so üblich.

Ein Bauarbeiter, der sich aus Frust in Rage redet. Einiges mag übertrieben sein, aber deshalb im Kern nicht unglaubwürdig. Als er vor drei Jahren anfing auf der BER-Baustelle, erzählt er weiter, seien alle noch motiviert gewesen, inzwischen habe sich aber Lethargie breitgemacht. BER-Sprecher Ralf Kunkel findet es „ganz normal“, dass bei einer fünfjährigen Bauzeit mal etwas umgeplant wird und Wände wieder verschwinden.

Im neuen Besucherzentrum, ebenfalls am Willy-Brandt-Platz, steht auf einer Infotafel der denkwürdige Satz: „Der Flughafenterminal ist als modernes und nachhaltig betriebenes Infrastrukturprojekt gebaut worden.“ Ein Bauingenieur aus Müncheberg ist unter den vielen Journalisten der einzige echte Besucher hier. Er findet es richtig, dass sich die Verantwortlichen lieber blamiert haben, als einen unfertigen Flughafen zu eröffnen. Allerdings hat sein Zutrauen in „hoch bezahlte Architekturbüros“ wie Gerkan und Partner sehr gelitten. Sohn Gregor fliegt im September nach Australien, am 10. März 2013 wieder zurück. Der neue Flughafen wird dann immer noch Baustelle sein.

Aber das Leitsystem ist schon auf gutem Weg. Straßenschilder sind aufgestellt, große braune Tafeln erklären, wo man gerade steht. Und es gibt schöne Radwege durch die neuen Grünanlagen. Auf dem „P 6“, nicht weit weg vom Terminal, darf jeder kostenlos parken. Gerade ist René Schulze angekommen. Heute ist Bauabnahme seiner Praxis für Physiotherapie am BER. Alles fertig, nur die Kunden fehlen. Bis Ende des Jahres könne er sich finanziell noch über Wasser halten, dann drohe ihm die Privatinsolvenz. Schulze hofft, dass ihm bis dahin ein Rettungsfonds hilft, doch den gibt es noch nicht. Thomas Loy

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