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Landeshauptstadt: „Die pfuschen in alles rein!“

Im Gewande der Ehrung für den Kupferdach-Mäzen Hasso Plattner wollten sich Potsdams Politiker auf der Landtagsbaustelle feiern. Mit scharfer Bürokraten-Kritik zerstörte Architekt Peter Kulka die Idylle

Innenstadt - Gute Nachrichten von einer brandenburgische Baustelle. Darum geht’s an diesem verschneiten Dienstag. Deshalb soll vor Fernsehkameras symbolisch die letzte Kupferdachplatte aufs Landtagsschloss genagelt werden. Aber schon wieder muss Didier Pohlig am Fortunaportal warten und um Einlass bangen. Und mit ihm Freiherr Rudolph von Ketteler. Pohlig ist ein Urgestein der Bürgerinitiative Mitteschön und des Stadtschlossvereins; Pohlig hat auf dem Alten Markt schon Knobelsdorff und Kupfer gefordert, als die Offiziellen des Tages noch Beton, Stahl und Glas und vor allem Zink als Dachmaterial das Wort redeten. Von Ketteler gibt fürs Landtagsschloss nur Steuergelder, wie er sagt, hat aber 300 000 Euro gesammelt für die Neptungruppe im nahen Lustgarten. Beide also warten, sehen die geladenen Journalisten an sich vorbeiziehen und kommen nicht rein.

Doch die Landes-Offiziellen haben dazugelernt seit der völlig vermasselten Grundsteinlegung, als das Volk sich die Nase plattdrückend draußen bleiben musste. Wenn auch als Letzte dürfen die beiden Mitte-Engagierten doch hinein und einer geordneten, protokollgerechten Ehrung des Fassaden- und Kupferdach-Sponsors Hasso Plattner steht somit nichts mehr im Wege. „Ohne Ihre Spende wäre es nicht das Gebäude, dass es heute ist“, flötete Finanzminister Hellmuth Markov (Linke). Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) lobt den „Freund, Förderer, Mäzen, engagierten Bürger“ und erinnert daran, dass der SAP-Mitbegründer seine 20-Millionen-Euro-Spende für die historische Knobelsdorff-Fassade mit den Worten begründete: „Wenn, dann macht es richtig.“

Gerade diesem Gedanken ist Peter Kulka im Besonderem verpflichtet. Was den Architekten des Potsdamer Landtagsschlosses jedoch von vielen anderen unterscheidet, ist seine Verachtung gegenüber jeder Konformität. Das ist so bei besonders Talentierten, damit ist zu rechnen. An die Holzwand des Baufahrstuhls, der die Kupferdach-Feiernden in das künftige Parlamentsrestaurant bringt, hat ein Bauarbeiter mit Filzstift das berühmte Bildnis Albert Einsteins gemalt – mit wirrem Haar und herausgestreckter Zunge. Das hätte ein Zeichen sein können; Genies sind nicht zu steuern, sie lassen sich nicht einbinden in allzu irdische Interessen. Während also die politische Kaste im höchsten Dur ihren Lobesgesang für Plattner und Kupfer abspult – zuletzt Oberbürgermeister Jann Jakobs: „Das Rathausdach hält seit 1907. Ist das nicht eine Perspektive?“ – verdickt sich Kulkas Halsschlagader von Lob zu Lob. Erst am Tag zuvor hat er vor der Weltpresse den Riesensaal des Dresdner Schlosses eingeweiht – und in Potsdam kommen sie ihm so. Bemerkenswert: Es ist ausgerechnet Alexander Naujoks, Chef des Baukonzerns BAM, der seinem Architekten die Bühne bereitet. Die Realisierung der historischen Fassade sei untrennbar mit dem Namen Kulka verbunden, Kulka möge sprechen. Und bevor dieser die Schleusen des Zorns öffnet, zitiert Naujoks ein Unbekannten: „Wer sich zwischen die Stühle setzen will, findet auch einen zweiten Stuhl.“ Und dann Kulka, ein 70-jähriger Künstlertyp im Ledermantel, dessen moderner sächsischer Landtagsbau schon vor Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde: „Bürokratie ist ein schlechter Bauherr“, donnert der Mann, „dieses Projekt aber hat Bauherrenschaft nötig“. Der Architekt könne nicht „das fünfte Rad am Wagen sein“. Und: „Ich überlege, ob ich nicht ernsthaft aus dem Projekt aussteige.“ Anlass für die Störung der gewünschten pressewirksamen Harmonie ist das Deckengewölbe im Treppenhaus, das Kulka entwarf als Übergang vom Barock zu Moderne. Offenbar soll das Gewölbe, die Kuppel, wie Kulka sagt, bis zur Übergabe des neuen Landtags im Herbst 2013 nicht hergestellt werden. Stattdessen will es Bauherr und Finanzminister Markov bis zum Herbst bei einer flachen, eckigen Decke belassen. Kulka befürchtet jedoch, „auch später wird die Kuppel nicht sein“. Es gehe nicht an, „dass das Hick-Hack um den Fertigstellungstermin zu so etwas führt“.

Die Stille nach Kulkas Schuss währt nur kurz. Dann erhält Mäzen Plattner das Wort. Dieser vermag einzuordnen, was in Potsdams Mitte gerade geschieht. Wenn Städte wie Danzig und Warschau wieder aufgebaut werden, wenn in Dresden die Frauenkirche rekonstruiert wird, habe es bei der Wiederherstellung der Potsdamer Mitte nicht am Geld scheitern dürfen. Wie Plattner verrät, hat er mit einer Spende schon das Mannheimer Schloss vor einem billigen Flachdach bewahrt. Das Potsdamer Stadtschloss werde „eine hohe emotionale Bedeutung“ für Potsdam und ganz Brandenburg entwickeln, ist sich Plattner sicher. Sein Sponsoring für Knobelsdorff-Fassade und Kupferdach sei auch „durch die ganz, ganz hohe Zustimmung“ in der Bevölkerung bedingt. Und hinsichtlich seiner zurückgenommenen Kunsthallen-Pläne an der Stelle des Mercure-Hochhauses ergänzte Plattner: „Auf der anderen Straßenseite war die Zustimmung nicht so groß.“

Auf der anderen Straßenseite liegt der Lustgarten – das Stich- und Reizwort für Kulka: „Da geschieht das nächste Verbrechen“ unterbricht der Architekt den Milliardär mit bebender Stimme. Das Stadtschloss habe immer eine Orientierung zum Lustgarten und zur Havel gehabt. Und nun soll am historischen Neptunbecken der Neubau der Weissen Flotte gebaut werden. Mit den Worten Kulkas: „Das Mercure ist noch nicht weg und schon fängt man an, den Lustgarten zu vermüllen.“ Kulkas Kritik zielt auf die Verwaltung, die Lokalpolitik, die Potsdamer Bürokratie: „Die pfuschen in alles rein!“ und: „Die kapieren die Aufgabe und die Verantwortung nicht!“ Kulkas zweite Eruption ist heftiger als die erste – und es ist schon rätselhaft, wie Potsdams Politiker bei diesem internen, druckgeladenen Diskussionsstand auf eine Friede-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung hoffen konnten. Zu Gesprächen über die Gestaltung des Landtagsumfeldes sei er als Architekt nicht einmal eingeladen worden, legt Kulka nach. „Außen steht das Gebäude im Dunkeln.“ Offenbar ist bisher nur eine Beleuchtung des Innenhofs sichergestellt. „Es fehlt die Teamarbeit“, sagt Kulka und seine Kritik wird grundsätzlicher: „In keiner Landeshauptstadt habe ich Verhältnisse vorgefunden wie in dieser.“ Diese Ignoranz „spottet jeder Beschreibung“.

Betretenes Schweigen. Es ist Plattner, der dem derart Erzürnten die Hand reicht. Ihm, Kulka, sei es zu verdanken, dass das Landtagsprojekt keines Nachtragshaushalts bedarf.

Irgendwann im Gedränge, nachdem unvermeidlich die symbolische Kupferplatte ans Dach genagelt worden ist, steht Platzeck vor Kulka. Der Architekt will reden. Doch der Ministerpräsident dreht sich weg.

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