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Bürgerbeteiligung: „Die Energiewende selbst steuern“

Regionalforscher Sören Becker über den Energieumbau in Brandenburg und neue Optionen für Kommunen

Herr Becker, in einer aktuellen Studie zur Energiewende in Brandenburg bestätigen Sie, dass das Land Vorreiter in diesem Bereich ist. Woran machen Sie das fest?

Der Ausbau an erneuerbaren Energien ist in Brandenburg weit vorangeschritten. Die Menge an Strom, die aus Sonnen-, Wind-, oder Biomasseenergie gewonnen wird, steigt seit Jahren kontinuierlich stark an. Das hat dazu geführt, dass der Gesamtanteil dieser Energien am Energiemix gewachsen ist. Brandenburg war zwar auch schon zuvor Energieexportland, aber der Anteil der exportierten Energie konnte durch den Ausbau erneuerbarer Energien – vor allem Windkraftanlagen – noch gesteigert werden.

Wie sieht es im Vergleich zu den anderen Bundesländern aus?

Brandenburg ist insofern ein Sonderfall, weil Berlin als Großabnehmer in der Mitte des Landes liegt. Aber dennoch: Auch im Vergleich zu anderen Bundesländern ist Brandenburg führendes Energieexportland. Über 70 Prozent des hier erzeugten Stroms werden exportiert.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Braunkohle in Brandenburg ein?

Derzeit kann man das noch nicht klar beantworten. Das hängt von der Landespolitik ab und davon, wie die Planverfahren im Braunkohlebereich weiterlaufen. Aber bereits heute lässt sich eine Transformation des Brandenburger Energiesystems feststellen. Betrachtet man die alte, von der Braunkohle geprägte Struktur, dann hatte sie einen stark auf die Lausitz bezogenen zentralistischen Charakter. Dort die Großkraftwerke und Tagebaue, während die Energie per Überlandleitung an die verschiedenen Abnehmer verteilt wurde. Über diese Struktur ist nun ein dezentrales Netz gelegt worden, mit neuen Orten der Stromproduktion, die in früheren Abnehmergebieten wie etwa der Uckermark oder dem Havelland liegen. Daraus folgt nun auch die Notwendigkeit, die Stromnetze anzupassen. Eine weitere große Aufgabe, vor der wir stehen.

Sie sehen einen Wandel bei den Akteuren.

Auf der Seite der Erzeuger kommen neue Energieunternehmen hinzu. In einigen Gemeinden bestehen Stadtwerke weiter, gleichzeitig werden teilweise neue Stadtwerke etabliert. Es kommt also zu einer Vervielfältigung von Unternehmensformen an der Grenze zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen.

Welche neuen Akteure gibt es?

Wenn man in die Kreise und Gemeinden geht, sieht man, dass durch Energie- oder Klimaschutzmanager teilweise neue Institutionen oder Unternehmen geschaffen wurden, die sich konkret mit der Umsetzung der Ziele der Energiewende der Landes- und Bundesregierung beschäftigen. Hinzu kommen regionale Organisationen und Konzepte. Durch das starke Anwachsen der erneuerbaren Energien gab es bis in die Zivilgesellschaft hinein Bewegung, Bürgerinitiativen wurden gegründet. Zum Teil richten sich diese gegen die Planungen zur Energiewende. Aber es wurden auch Energiegenossenschaften gegründet, mit deren Hilfe die Bürger die Umstrukturierung selbst in die Hand nehmen wollen.

Was verbirgt sich hinter solchen Energiegenossenschaften?

Die Unternehmen gehören den Mitgliedern, die direkt von den Gewinnen profitieren. Eigentümer und Nutzer sind eine Gruppe. Das gibt es in Brandenburg bislang nur im kleinen Umfang, hauptsächlich handelt es sich dabei um Solaranlagen, die gemeinsam auf Dächern errichtet werden. In der Gemeinde Feldheim wiederum gibt es eine Windkraftanlage, die eine Mischform eines Energieunternehmens und einer Bürgergenossenschaft ist.

Wird die Stromversorgung in Brandenburg dezentraler?

Das kann man nicht grundsätzlich sagen. Viele Standorte von erneuerbaren Energien, etwa die Nauener Platte im Havelland oder große Solarparks in der Lausitz, sind mit anderen zentralen Großstandorten der Stromproduktion vergleichbar. Daneben läuft allerdings auch eine Dezentralisierung der Versorgung: Bürger oder Gemeinden errichten Solaranlagen auf Privathäusern oder städtischen Gebäuden.

Ändern die Kommunen ihre Aktivitäten?

Es gibt Vorreiterkommunen wie Prenzlau, in denen erneuerbare Energien sogar zum Teil des Stadtmarketings geworden sind. Verschiedene Unternehmen sind dort in die Entwicklung eingebunden und es entstehen viele Arbeitsplätze. In anderen Städten wurde ein Energie- oder Klimaschutzkonzept verabschiedet, das aber oft nur Monitoringaufgaben hat. Dort wird auf der lokalen Ebene überprüft, ob die Ziele eingehalten werden, aber die Strategieentwicklung bleibt weitestgehend aus. Wir haben auch herausgefunden, dass es bei den Vorreiterkommunen so etwas wie regionale Pioniere gibt. Das sind Personen und Akteure, die den Wandel zu einer erneuerbaren Energieversorgung voranbringen.

Zum Beispiel?

In Prenzlau waren das die ansässigen Unternehmen. Ein anderes Beispiel ist die Gemeinde Feldheim, wo eine Firma begonnen hat, erneuerbare Anlagen zu errichten, was dann für die Gemeinde letztlich prägend wurde.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Städte und Gemeinden nun?

Die politischen Ziele der Energiewende müssen letztlich auf der Ebene der Gemeinden umgesetzt werden. Das bedeutet ein neues Betätigungsfeld für die Gemeinden, die im Land Brandenburg finanziell sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Wir haben teilweise stark überschuldete Gemeinden in den peripheren Gebieten und relativ wohlhabende Kommunen im Berliner Speckgürtel. Die Voraussetzungen, selbst für die Energiewende aktiv zu werden, sind daher völlig unterschiedlich. Letztendlich geben jedoch die politischen Prioritätensetzungen vor Ort den Ausschlag.

Welche Aufgaben kommen auf die Stadtwerke zu?

Stadtwerke eröffnen für die Kommunen die Möglichkeit, die Energiewende selbst zu steuern. So kann man durch politische Entscheidungen beispielsweise beeinflussen, wie die Kraftwerkparks modernisiert oder ob neue Solar- oder Windkraftanlagen aufgebaut werden.

Es gab einmal die These vom Aussterben der Stadtwerke.

Das ist mittlerweile weitgehend widerlegt. Vor rund zehn Jahren war man davon ausgegangen, dass die Liberalisierung des Strommarktes einen so hohen Wettbewerbsdruck erzeugt, dass kleine Stadtwerke nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die erwartete Konzentration im Strombereich ist zwar eingetreten. Aber gleichzeitig konnten sich in lokalen Nischen Stadtwerke als regionale Versorger erhalten. Im Land Brandenburg waren das im letzten Jahr 27 Stadtwerke, zum Teil auch rein kommunale Stadtwerke in kleineren Städten. Die wiederum eröffnen den Kommunen nun, die Energiewende zu steuern und zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Wovon hängt der Erfolg der Energiewende ab?

Zum einen, dass die kommunalen Akteure zusammenarbeiten. Es müssen Strategien entwickelt werden, die von der Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft umgesetzt werden. Gleichzeitig ist es auch sehr wichtig, wie die Bürger beteiligt werden. Die Akzeptanz der erneuerbaren Energien ist in der Bevölkerung sehr hoch. Sobald die Anwohner aber direkt mit Anlagen konfrontiert werden, sinkt die Zustimmung. Zum Beispiel gibt es nun Proteste gegen Hochspannungsleitungen, die zum Ausbau des Stromnetzes benötigt werden. Das kann die Energiewende verzögern.

Was muss anders gemacht werden?

Eine Beteiligung der Bürger an den Planungen, aber auch an den ökonomischen Vorteilen von Großanlagen könnte die Akzeptanz für den Energieumbau steigern. Die Bürgerbeteiligung sollte allerdings so früh wie möglich stattfinden. Derzeit wenden sich die Bürger von dem Thema stärker ab, Gegenbewegungen werden zu einflussreichen politischen Kräften. Man müsste die Bevölkerung früher abholen, sie bereits in die Zielplanung mit einbeziehen.

Auch die steigenden Kosten könnten die Energiewende ins Kippen bringen.

Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass Bürgern mit niedrigem Einkommen der Strom abgestellt wird. Das Thema wird derzeit unter dem Begriff Energiearmut diskutiert, für Brandenburg liegen allerdings noch keine konkreten Zahlen vor.

Ist die Energiewende in Brandenburg auf dem richtigen Weg?

Sie hat noch einen sehr weiten, schwierigen Weg vor sich. Ihr Gelingen hängt von der Lösung der Konflikte ab, die durch sie verursacht werden. Eine andere wichtige Frage ist, welche Zukunft die Braunkohle im Land hat. Eine weitere Nutzung der Braunkohle würde den Ausbau der erneuerbaren Energien verzögern. Die Öffentlichkeit könnte dadurch den Eindruck erhalten, dass die alternativen Energien gar nicht gebraucht würden.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

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