zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die braune Flut ist schon da

An der Schwarzen Elster und der Spree gilt schon Hochwasser-Alarmstufe 3. Deshalb geschieht an der Talsperre Spremberg das, wovor immer gewarnt wurde: Wasser wird abgelassen, die Eisenbrühe fließt ungehindert in den Spreewald

Cottbus - Auch in Brandenburg, wo die Erinnerungen an die Jahrhundertfluten an Oder und Elbe sofort wieder da sind, wächst die Hochwassergefahr. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) setzte vorsorglich den Krisenstab des Landes ein. Entgegen den Erwartungen der Behörden noch am Wochenende sind die Pegel an Schwarzer Elster und Spree deutlich schneller als erwartet gestiegen: Seit Montag gilt dort die Alarmstufe 3, wird auf den Deichen patrouilliert. „Wir beginnen außerdem damit, erste Notdeiche zu bauen“, berichtete Klaus-Peter Schulze, Bürgermeister der Stadt Spremberg, den PNN. Wegen des Hochwassers wird zudem aus der bereits ziemlich vollen Talsperre Spremberg deutlich mehr Wasser abgelassen als sonst, nämlich statt zehn knapp 40 Kubikmeter je Sekunde. Das Spree-Wasser, was dort aus Sachsen ankommt und nun durchrauscht, ist aber mit Eisenhydroxid verseucht – was die rostbraune Färbung auslöst. Diese Eisenbrühe, bislang in der Talsperre zurückgehalten, fließt jetzt ungehindert in Richtung Spreewald, was dort das Problem der Verockerung massiv verschärft. In Burg wurden in der Hauptspree am Wochenende von Experten des Aktionsbündnisses „Klare Spree“ die bisherigen Eisen-Höchstwerte gemessen.

Die Hochwasserlage im Land ist im Gegensatz zu Sachsen oder Thüringen bisher nicht dramatisch. Auf Bitte des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) hat Brandenburg rund 150 Helfer aus Feuerwehren und vom Technischen Hilfswerk in die Flut-Regionen des Nachbarlandes geschickt. „Unter der Maßgabe, dass die Situation bei uns beherrschbar bleibt“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den PNN. Ab Mitte der Woche seien auch an der Elbe, die die Hochwässer etwa der Saale aufnimmt, flussabwärts in der Prignitz schwierige Situationen möglich.

Behörden, Kreise, Kommunen, Feuerwehren, Technisches Hilfswerk und die Bundeswehr stellen sich darauf ein, dass es auch in Brandenburg ernst werden kann. Für den Notfall stehen im Landeskatastrophenschutzlager in Beeskow große Mengen an Material zum Hochwasserschutz zur Verfügung. Dort lagern unter anderem drei Millionen Sandsäcke, Sandsackfüllmaschinen, Pumpen und Scheinwerfereinheiten. Er sei sicher, dass Brandenburgs Einsatzkräfte mit ihren Hochwasser-Erfahrungen „im Ernstfall die Lage beherrschen können“, sagte Woidke. Noch gebe es „keine akute Überschwemmungsgefahr“. Die Bundeswehr hat nach Angaben des Landeskommandos als einsetzbare Einheiten in Brandenburg das Logistikbataillon 172 in Beelitz (Potsdam-Mittelmark) und das Führungsunterstützungsbataillon 381 in Storkow (Oder-Spree), das aus Fernmeldern besteht.

Am höchsten steht das Wasser derzeit an der Schwarzen Elster, wo es seit Sonntag um knapp 30 Zentimeter stieg und in Bad Liebenwerda den Pegel 2,89 Meter erreichte. Zum Vergleich: Ab 2,10 Meter gilt die Alarmstufe 1, ab 2,80 Meter die Stufe 3, die erreicht ist. Nur noch zwanzig Zentimeter sind es bis zur höchsten Stufe 4, die ab 3,10 Meter erreicht wäre. Die Tendenz, so das Hochwasserzentrum in Cottbus, ist weiter steigend. Das Gleiche gilt für die Spree, die in den letzten Tagen in Spremberg etwa um einen Meter angestiegen war. Auch in der Talsperre, aus der „zur Entlastung des Hochwasserraumes“ verstärkt Wasser abgelassen wird. Das ist nötig, aber für den weiter nördlichen Spreewald, zu dem nun die Eisenfracht getragen wird, tragisch.

Schon jetzt sind die Ränder des Spreewaldes durch die braune Schlammsoße verschmutzt, die bisher vor allem aus den kleinen Zuflüssen kam. Nun kommt Eisenbrühe aus der Hauptspree dazu, von der Talsperre Spremberg nicht mehr gestoppt. „Wir haben jetzt genau den Fall, vor dem wir immer gewarnt haben“, sagte Ursula Hiekel von der Aktionsgemeinschaft „Klare Spree“. „Die ganze Ockerfracht landet im Spreewald.“ Eigene Experten hätten in Burg in der Hauptspree jetzt einen Eisengehalt von 6,4 Milligramm je Liter gemessen, im Südumfluter – der die Kernzone des Spreewaldes mit seinen fast eintausend Kanälen umschließt - sogar 22 Milligramm je Liter. Ab vier Milligramm wird das Wasser braun.

Zwar hatte der Bergbausanierer LMBV jüngst ein Sofortprogramm gestartet, um kleine Zuflüsse des Spreewaldes – etwa über die reaktivierte Grubenreinigungsanlage in Vetschau - zu „klären“. Doch an der bereits bei der Ankunft aus Sachsen in der Talsperre Spremberg verseuchten Hauptspree ist noch nichts passiert. Brandenburg versucht bislang vergeblich, Sachsen zu Maßnahmen auf seinem Territorium zu bringen. Und das Land selbst hatte zwar vor Monaten angekündigt, eine Ertüchtigung der Talsperre Spremberg zu prüfen, um das Eisenocker stärker in der Vorsperre abzufangen. Doch die Gutachten dafür liegen immer noch nicht vor. Nach den Ankündigungen des Sofortprogramms durch die LMBV, auch durch Ministerpräsident Platzeck, kehrt nun vor Ort Ernüchterung ein. „Es schleift schon wieder“, sagt Aktivistin Hiekel. Selbst wenn in Brandenburg das Hochwasser glimpflich ausgeht, was alle hoffen: Der Spreewald ist Leidtragender.

Zur Startseite