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Landeshauptstadt: Der Termin ließ sich nicht verschieben

Protestaktion am Deutschen Schützentag in Potsdam, der auf den Jahrestag des Amoklaufs in Erfurt fiel

Bornstedt – Totengedenken am Deutschen Schützentag: Während Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) am Freitag im Malzboden des Kronguts Bornstedt rund 200 Sportschützen aus ganz Deutschland empfing, gedachten vor dem Krongut sieben Personen den Opfern deutscher Sportschützen. „Willkommen zum Steinhäuser-Gedächtnis-Schießen!“, begrüßte Lutz Boede sarkastisch die teils in Tracht und mit vielen Orden und Medaillen geschmückten Schützen und verteilte Infoblätter. Der Geschäftsführer der Stadtfraktion Die Andere hatte zu der Aktion aufgerufen und einen Kranz niedergelegt, weil sich am Freitag der Amoklauf des Sportschützen Robert Steinhäuser 2001 in Erfurt zum elften Male jährte. Der Deutsche Schützentag ist die größte Zusammenkunft deutscher Sportschützen und findet vom 25. bis 27. April in Potsdam statt.

„Ich kann nachvollziehen, dass Menschen an diesen Tag gedenken wollen“, sagte Heinz-Helmut Fischer, Präsident des Deutschen Schützenbundes (DSB), zu der Aktion von Die Andere. Auch Jakobs ging in seinem Grußwort auf das besondere Datum ein: „Dies war ein sehr trauriges Ereignis, dem wir heute auch gedenken wollen. Es ist richtig, dass der Amokläufer Sportschütze war, doch ich weiß, dass deutsche Sportschützen sehr sorgsam mit ihren Waffen umgehen. Man kann ihnen nicht die Verantwortung für diese Tat geben.“ Zudem, so Jakobs, habe es nach dem Amoklauf viel Selbstkritik innerhalb der Schützenvereine gegeben.

Dem DSB war durchaus bewusst, dass der Termin auf dem Jahrestag des Amoklaufes lag: Der Schützentag findet immer in der letzten Aprilwoche statt, und wenn möglich, habe man in der Vergangenheit versucht, diese Überschneidung zu vermeiden, sagte Fischer: „Doch manchmal geht es zeitlich nicht anders.“ Man habe laut Fischer allerdings darauf geachtet, dass der Jahrestag weder auf dem Donnerstag lag, an dem mit der Präsidiumssitzung der eigentliche Schützentag stattfand, noch auf dem Samstag, an dem es einen Festumzug mit 1 800 Sportschützen in der Potsdamer Innenstadt sowie abends einen Schützenball geben wird.

Dagegen hatte die Stadt am Mittwoch eingeräumt, es sei nicht bekannt gewesen, dass der Empfang auf den Jahrestag des Attentats falle. „In Zeiten moderner Kommunikationsmedien darf man so einen Termin nicht verpennen“, kritisierte Sascha Krämer, Chef der Potsdamer Linkspartei, der sich der Gedenkaktion angeschlossen hatte. „Das war kein Versehen, sondern politische Instinktlosigkeit – Jakobs hätte das sehen müssen.“ Auch Roman Grafe, Journalist und Gründer der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“ war vor Ort und rügte den DSB: „Verschieben kann man so was immer!“ Nach seiner Rechnung sind seit 1991 140 Menschen von deutschen Sportschützen erschossen worden.

Während des Empfanges des Oberbürgermeisters nahm dieser das DSB-Banner aus den Händen des Stadtoberhaupts von Neubrandenburg entgegen, wo der letzte Schützentag stattgefunden hatte. Das Banner wird bis zur Weitergabe im Rathaus oder im neuen Potsdam Museum hängen. Jakobs bedankte sich dafür, dass die Organisatoren sich für die Landeshauptstadt entschieden hätten: „Wir sind eine Stadt des Sports, auch wenn der Schießsport hier eine kleinere Rolle spielt.“ DSB-Chef Fischer betonte, dass Brandenburg und Potsdam „beispielhaft für das Schützenwesen“ seien, und immerhin sei die Potsdamer Schützengilde 1465 e.V. einer der ältesten Schützenvereine Deutschlands.

Dagegen wurde vor dem Krongut für das generelle Verbot von Schusswaffen geworben. Boede sagte, der Sport sei kein hinreichender Grund für den Besitz tödlicher Waffen: „Man kann das Problem nicht durch rechtliche Verschärfungen lösen – es muss weniger Waffen geben.“

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