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Kultur: Der Philosoph als Künstler

Thomas Schönauers Ausstellung „Raumfarbenspiel. Die Vereinigung der Gegensätze“

Kühn, modern und „a little bit crazy“ gibt sich der 2010 in Hongkong gegründete Kunstverein „Goldrotschwartz German Arthouse“. Mit ihm will der weltläufige Achim Künsebeck „Deutschland anders“ zeigen, gleichwohl das, was hierzulande an moderner Kunst produziert wird, draußen bereits hohes Ansehen genieße. Ein widersprüchlicher Satz, ohne Zweifel. Irgendwie meint Künsebeck mit seiner Idee dann auch Potsdam. Weniger ob der burschenschaftlich begründeten Farbumkehr der deutschen Flagge, sondern „weil wir hier wohnen“. Man will so frischen Wind in die Stadt hineinblasen, rein künstlerisch zwar, dafür aber kühn und crazy. Die erste Ausstellung des Vereins im schneeweiß getünchten Kunsthaus „sans titre“ zeigte jüngst Werke von Ralf Rduch, Hanjo Schmidt und Rolf Ohst, und damit die spitternackt-fleischige Seite von Germania. Alle drei gehören zum prestigeverdächtigen Künstler-Netzwerk der Goldrotschwartzen, wie Thomas Schönauer auch, dessen Werke nun im „sans titre“ zu sehen sind.

1953 in Düsseldorf geboren, hatte es Schönauer zunächst zur Literaturwissenschaft und Philosophie gezogen. Dann spürte er den Künstler in sich. Heute stellt er zwischen Rio und Asien überall aus. Seine Ausstellung in Potsdam trägt den Titel „Raumfarbenspiel. Die Vereinigung der Gegensätze“. Der erste Teil dieser Formulierung bezieht sich auf die Malerei, der andere kommt aus der Sophisterei. Das ist der Gegensatz, die Versuchsanordnung. Ach, wie viele haben sich schon an der Vereinigung des Unvereinbaren versucht, haben sich an diesem Stück Welt-Dialektik abgearbeitet, selbst Hegel. Sollte Thomas Schönauer nun der erste Erfolgreiche sein?

Der Zugang zu seinen Ideen ist rein philosophisch, wenn er sagt, ihn interessierten besonders Mikros und Makros, Strukturen, Polaritäten, die Dimensionen aus Zeiten und Räumen, das uneinige Zusammenspiel von Geist und Materie. Seine Ästhetik hingegen ist der Computertomografie abgeschaut, denn man hat eine Serie von „CT-Paintings“ vor Augen. So, als würde man beliebige Objekte in dünnste Scheibchen schneiden, vergrößern und dann ausstellen. Da ist jede Schicht anders, und doch immer Struktur. Die Idee zu einer solchen Aufteilung ist schon wieder der Philosophie geschuldet, Descartes lehrte die Methode vom schrittweisen Zerteilen.

Als Malgrund verwendet Schönauer Edelstahlplatten, die er mit Quarzsand, Flüssigpigmenten und Epoxydharzen sozusagen in Fluss bringt. Ein Bild, so erzählt er, müsse in zwei Stunden fertig sein, dann sei das Harz hart und nichts mehr zu machen, höchstens noch etwas Acryllack darüber. So bilden sich polychromatische Farbflüsse, kunterbunte und trotzdem wohlgeordnet erscheinende Strukturen, in die man sich mühelos hineinkontemplieren kann. Werke des Zufalls insofern, als Schönauer nicht jede Reaktion seiner Versuchsserie beherrscht, sondern höchstens 70 Prozent. Ein Künstler im Raumfarbenspiel als „Engineering Artist“, der den Weg ins Labor nicht scheut und sogar von einem großen Klebemittel-Konzern angeheuert wurde.

Schönauer arbeitet so genau, dass er alle Arbeitsprozesse protokolliert, bis hin zu Temperatur und Raumfeuchtigkeit. Kein Wunder, wenn man solche Art voller Respekt „Malerei der Zukunft“ nennt. Sie wird sogar mit der Nano-Technik in Verbindung gebracht. „Alle Arbeiten haben einen Fluss, der nie aufhört.“ Gefragt, was diese Technik nun mit dem Menschen zu tun habe, antwortet er, es seien seine Bilder, quasi seine eigenen CTs. Wer wüsste es besser!

Neben diesen Arbeiten in unterschiedlichen Größen und Formen – Längs- und Hochformate, Rundes und Mehrgeecktes – findet man im Schöngeweißten des „sans titre“ auch Skulpturen, die trotz ihrer räumlichen Dimension auf gleiche Weise wie seine dreidimensionierten Bilder behandelt worden sind. Mit Fließharzen zum Beispiel, und mit speziellen Lacken, wie er sie für Objekte früherer Jahre verwendete. Polygone, gestapelte Atome und Molekülstrukturen als Kunstwerke, das schmückt jede Akademie und findet stets treue Deuter. Stehen sie auch außerhalb jeder Kritik, so ihr Produzent mitnichten.

Zu fragen wäre nach dem Kunstgehalt dieser Schöpfungen, und ob manches nicht nur seine dekorative Seite zeigt. Zur Kunst gehört nun mal der Mensch. Insofern ist diese Ausstellung das glatte Gegenteil der vorigen, mit ihren fetten Nackten. So hat sich zwar des Vereins Kühnheit eingelöst, nicht aber die Gegensätze. Noch immer wohnen Malerei und Philosophie in Schönauers Brust, um den Vorrang streitend. Versuchslabor oder Malatelier? Der Weg ist der Fluss, hin zum Ziel Harmonie. Wie nun: die Technik als Künstler, der Künstler als Philosoph, ein Philosoph der Künstler? Diese Frage beantwortet sich im „sans titre“ jedem Betrachter von selbst.

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. September, mittwochs, 18-20 Uhr, donnerstags bis sonntags, 15-18 Uhr, im „sans titre“, Französische Straße 18, zu sehen.

Gerold Paul

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