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Faszination CrossFit: Der Boom und sein Biest

Die Popularität der Sportart CrossFit steigt immer mehr. Gemeinsam wird sich durch die Trainingseinheiten gequält. Der Trend geht auch nicht an Potsdam vorbei, wo Hendrik Senf seine CrossFit-Wurzeln hat. Er ist einer der besten deutschen Athleten dieser Zunft.

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Sie haben Power, sind ausdauernd und beweglich. CrossFit-Athleten vereinen Attribute, die Gewichtheber, Läufer und Turner für sich nur exklusiv haben. Sie gelten als Fitness-Champions, da sie physische Eigenschaften wie Kraft, Wendigkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance, Koordination und Genauigkeit bis zur optimalen Ausprägung schulen.

Größter Erfolg: Senf gewann bei "Beast of Berlin"

Zu den Stärksten der deutschen CrossFit-Zunft gehört der Potsdamer Hendrik Senf. Am vergangenen Wochenende feierte er seinen bislang größten Erfolg – bei einem Wettkampf, dessen Name vielsagend für das Prinzip CrossFit ist: „Beast of Berlin“. Der 21-Jährige durchlebte bei der Premiere dieses Events Strapazen, brachte seinen Körper in Grenzerfahrungen und meisterte die harten Aufgaben wie ein wahres Biest. Keiner der 29 Konkurrenten – sie kamen aus Deutschland, Frankreich und Polen – machte das besser.

Die Faszination CrossFit sei für Hendrik Senf die „wahnsinnige Vielfalt“, denn es gebe Unmengen an variantenreichen Übungen mit dem eigenen Körpergewicht oder zusätzlichen Lasten. „Bei vielen Wettkämpfen wie jetzt in Berlin weiß man vorher nicht, was dran kommt“, erzählt er. „Man muss also auf allen Ebenen vorbereitet sein. Für das Unbekannte.“ Um sich dem überhaupt stellen zu dürfen, musste sich Hendrik Senf zuvor qualifizieren. Über drei Wochen hatte der Sportwissenschaftsstudent der Berliner Humboldt-Universität vorgegebene Programme zu absolvieren, deren Ergebnisse er inklusive Video der Ausführung an die „Beast“-Macher senden musste.

Preisgelder in Höhe von zwei Millionen US-Dollar

Nun trainiert der gestählte Modellathlet dem Ausleseprozess des bedeutendsten Wettbewerbs der Szene, den „Crossfit Games“, entgegen. Ab Februar durchläuft Hendrik Senf dafür fünf Wochen lang mit jeweils zwei wöchentlichen Workouts die erste Qualifikationsphase. 2017 stellten sich jener weltweit über 380.000 Teilnehmer. Die Besten sichern sich zunächst ihren Platz beim Regionalvergleich – in Europa sind 40 Männer sowie 40 Frauen startberechtigt. Und von dort geht es dann wiederum für die Fittesten ins große Finale, das auch je 40 Aktive bestreiten.

Welchen Stellenwert der ultimative Athletenwettstreit hat, lässt sich unter anderem an den Preisgeldern ablesen: 275.000 US-Dollar gibt es für den Einzelsieg, insgesamt werden Prämien in Höhe von zwei Millionen US-Dollar ausgeschüttet. Doch damit beschäftigt sich Hendrik Senf nicht, ihm geht es um den sportlichen Reiz. „Ich möchte immer besser werden. Mittelfristig ist mein Ziel, zur Regionalmeisterschaft zu kommen. Aber langfristig arbeite ich für meinen Traum: An den großen Games teilzunehmen. Bisher hat das noch kein Deutscher geschafft“, erklärt der Mann, der vor knapp vier Jahren mit der anspruchsvollen Sportart begann.

Potsdam beherbergt Brandenburgs einzige CrossFit-Box

Seine CrossFit-Wurzeln hat Senf in Potsdam, wo in der Wetzlarer Straße Brandenburgs einzige CrossFit-Box steht – wie die Studios genannt werden, weil das gesamte Equipment an Hanteln, Gewichten und Geräten in einen Container passen würde. Betrieben wird die Box seit Sommer 2013 von Jakob Herold, der zunächst als ambitionierter Triathlet von Berlin nach Potsdam kam, sich sein Betriebswirtschaftsstudium als Personal Trainer finanzierte und „dann den Markt für CrossFit erkannte“, erzählt er. Inzwischen gehören 150 feste Mitglieder zu seinem Kundenstamm, wöchentlich schuften 250 Aktive in der CrossFit-Box nahe der Nuthe-Schnellstraße, sogar die Bundesliga-Wasserballer des OSC Potsdam trimmen sich hier ein- bis zweimal die Woche. Die Workouts – Übungseinheiten – werden zudem zur individuellen Leistungssteigerung in verschiedenen Sportarten wie Rudern, Laufen, Triathlon, Schwimmen oder auch Fußball genutzt.

Der Ursprung der Sportart liegt in den USA, wo CrossFit im Jahr 1980 von einem ehemaligen Highschool-Turner entwickelt wurde, der später für die physische Polizei- und Militärausbildung angeheuert wurde. In Deutschland gab es einer Erhebung des Fitnessportals fitogram zufolge 2016 etwa 230 CrossFit-Boxen – bei wachsender Popularität. Wer unter dem Label CrossFit Trainingsmöglichkeiten anbietet, muss zum einen eine erforderliche Trainerausbildung absolvieren und zum anderen eine Lizenz erwerben – gegen eine Jahresgebühr von 3000 Dollar. Der Gesamtumsatz, den das US-Unternehmen durch die weltweit mit CrossFit assoziierten Firmen, generiert, soll vier Milliarden Dollar pro Jahr betragen.

Gemeinschaftsgefühl bei 60 Minuten Schweiß und Schmerzen 

„Die Lizenzen sollen auch belegen, dass die Trainer ausgebildet und qualifiziert sind“, sagt der Potsdamer CrossFit-Coach Herold, der in seiner Box mit fünf weiteren Trainern zusammenarbeitet. Und das nicht nur im Sinne einer ausgeprägten Fitness ihrer Kunden, sondern auch um sportlich erfolgreich zu sein. Vor einer Woche gewann das Potsdamer Team beim „WOD up“ gegen die Berliner CrossFit-Konkurrenz. Hinter dem Kürzel WOD verbirgt sich das Workout of the Day – eine CrossFit-Einheit, die etwa eine Stunde dauert.

60 Minuten Schweiß und Schmerzen. Als eine Gruppe. Das ist ein wichtiges Merkmal des Fitnesstrends. „Es entsteht beim Training ein Community-Gefühl. Alle quälen sich gemeinsam, was jedem einzelnen Rückhalt und Motivation liefert“, meint Hendrik Senf, der inzwischen sein sportliches Zuhause im CrossFit Aorta Berlin gefunden hat. Sein Coach befindet sich aber nicht dort. „Ich lasse mich für 260 Dollar im Monat von einem Top-Trainer aus den USA betreuen. Er schickt mir die Trainingspläne. Vor Ort helfen mir dann andere Coaches, indem sie zum Beispiel Techniktipps geben.“

Senf: "Man muss lernen, sich selbst richtig einzuschätzen"

CrossFit, betont er, sei „nicht mit dem normalen Training in einem Fitnessstudio zu vergleichen“. Deutlich intensiver gehe es zur Sache. Das wird auch kritisch gesehen. Durch Überforderung und schlechte Struktur bei den Plänen steige das Verletzungsrisiko, warnen Sportwissenschaftler. Hendrik Senf, der gerade eine solche akademische Ausbildung macht, rät: „Man sollte sichergehen, dass die Trainer wirklich gut ausgebildet sind. Und vor allem muss man auch lernen, sich selbst richtig einzuschätzen.“ Denn gerade der eigene Übermut kann Probleme bereiten.

Hendrik Senf spricht aus Erfahrung. Bei einem Wettkampf in Mexiko traute er sich an eine zu hohe Belastung, was ihm dann für längere Zeit Handgelenksbeschwerden einbrachte. Inzwischen sind sie auskuriert. Der Potsdamer strotzt vor unbändiger Fitness, sodass ihn nunmehr das Prädikat „Beast of Berlin“ schmückt.

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