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Museum Barberini Potsdam: Das neue Museum ermöglicht einen Schritt durchs Jahrhundert

Das Museum Barberini eröffnet mit drei formidablen Schauen – und macht Potsdam so vielleicht endlich zur „Künstlerstadt“.

Potsdam - Der Jahrhundertschritt: Verlässt man Potsdams neues Kunstmuseum nach einem ersten Ausstellungsbesuch, versteht man plötzlich, warum er gerade dort, im Hof des Museums Barberini, steht. Stehen muss. Als sich Mäzen Hasso Plattner vor der Öffnung hiermit fotografieren ließ, da hatte das noch recht selbstüberhoben wirken können, so ähnlich wie es wirkt, wenn er, der genau weiß, was er Potsdam mit dem Museumsneubau Gutes tut, jetzt zur Eröffnung großmütig sagt: „Der Unterschied zwischen Wilhelm II. und mir ist, dass ich den Impressionismus mag.“

Internationalität war nie Potsdams Stärke

Geschenkt. Wenn man das Ergebnis dessen, was dieser Mann für den Kunststandort Potsdam ermöglicht hat, ansieht, wenn man durch die Räume mit all den Werken der Großen verschiedenster Epochen geht, wenn man so von Jahrhundert zu Jahrhundert taumelt, vom Frankreich des 19. Jahrhunderts über das Deutschland des frühen 20. und die DDR bis in die zeitgenössische Kunst eines Sam Francis – dann ist hier tatsächlich das ganze, schwierige 20. Jahrhundert umspannt. Einen Schritt durchs Jahrhundert ermöglicht dieses Museum – und ja, es ist auch ein Jahrhundertschritt für Potsdams Kunstlandschaft. Denn Internationalität, das große Pfund dieses neuen Ausstellungsortes, war Potsdams Stärke nie. Die zieht erst jetzt hier ein – inhaltlich mit Karacho, äußerlich mit Eleganz.

Nun ist es ja nicht so, dass es in Potsdam nie ein Kunstmuseum gab, betont Plattner im Vorwort des prächtigen Katalogs, der anlässlich der Eröffnungsausstellung zum Impressionismus erscheint. Im Jahre 1763 eröffnete Friedrich II. in Sanssouci eine Bildergalerie – eine Torheit, wie er selbst es nannte. Aber: „Die Geschichte wäre sehr kurz, wollte man aus dem Leben der Menschen nur ihre vernünftigen Handlungen buchen.“ Etwas, das Plattner sicher unterschreiben würde.

Potsdams Traum, eine Zentrale des deutschen Kunstlebens zu werden

Womöglich erfüllt sich mit Plattners Museum jetzt ein Traum, den Kunstbegeisterte ganz konkret schon vor fast hundert Jahren in Potsdam träumten: den Traum, eine „Zentrale des deutschen Kunstlebens“ zu werden. Damals, 1921, starteten Künstler den Versuch, im als Beamten- und Militärstadt verschrienen Potsdam einen „Kunstsommer“ einzurichten, ein Festival zeitgenössischer Kunst. Prägend dabei war einer, der heute als „Klassiker der Moderne“ neben Künstlern wie Edvard Munch, Emil Nolde und Wassily Kandinsky im Museum Barberini zu finden ist: Max Liebermann.

Der Berliner Maler wurde im Rahmen des „Potsdamer Kunstsommers“ zusammen mit Lovis Corinth und Erich Heckel ausgestellt und war 1925 selbst als Juror am Kunstsommer beteiligt. Da war der Traum von Potsdam als Künstlerstadt schon wieder fast ausgeträumt: Aufgrund fehlender Unterstützung vonseiten der Stadt wurde der Versuch des „Potsdamer Kunstsommers“ eingestellt. Es bestätigte sich so, was ein Kritiker bissig schon 1921 formuliert hatte: „Eher läuft Wasser den Berg hinauf, als der Geist Potsdams sich zeitgenössisch einstellt.“

Landschaften von Renoir, Signac, Monet

Wie es um diesen Geist heute steht, darüber mag man streiten – aber 2017 ist Max Liebermann nun wieder in Potsdam zu sehen, in der illustren Gesellschaft seiner Vorbilder, der Impressionisten. Liebermanns „Blumenterrassen im Wannseegarten nach Süden“ von 1921 zeigen tiefrote, abgezirkelte Blumenrabatten vor einem schattigen Hintergrund. Fast preußisch-ordentlich nimmt sich das Gartenbild im Kontext der weltbekannten impressionistischen Vorbilder Liebermanns ein – die Landschaften von Pierre-Auguste Renoir, Camille Pissarro, Paul Signac und Claude Monet. In Liebermanns Gemälde zeigt sich, was beim Gang durch die drei Ausstellungen immer wieder bezaubert: Die thematischen Verquickungen oder Brückenschläge, die die Auswahl von Museumsdirektorin Orthud Westheider und Kurator Michael Philipp zwischen den verschiedenen Epochen aufgetan haben.

Während die schillernden „Klassiker der Moderne“ sich mit zwei Räumen begnügen müssen, erstreckt sich die große Kernausstellung „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“ über acht Räume und zwei Etagen. Thematisch geordnet geht es durch Wälder und Lichtungen, über Felder mit Mohnblumen und Strohballen in allen Jahreszeiten, an Strände und Flüsse, zu Hügelkuppen und in Pappelwäldchen, in zugewucherte Gärten. Und, natürlich, an algengrüne Seen, auf denen Seerosen blinken wie Rettungsangebote aus einem dunklen Traum.

Vieles davon glaubt man zu kennen: Und doch zwingen einem diese Naturmotive, wenn man sie in Potsdam jetzt vor sich sieht, einen ganz eigenen, verzauberten Blick auf, den man erst bemerkt, wenn beim Gang durch das stattliche Treppenhaus der Blick nach draußen fällt: Plötzlich sucht man über Potsdams Dächern die Farben von Eugène Boudin, den Baudelaire den „König der Himmel nannte“, sieht in der Havel Spiegelungen wie bei Berthe Morisot, in den Schneeresten auf der Freundschaftsinsel Alfred Sisleys „Straße von Louveciennes“. Auch das ist Impressionismus: In der Sensibilisierung auf die Details in der Natur, über die man schon vor 140 Jahren staunte, ein absolutes Fest des Seins, des Seins im Jetzt.

Schau "Künstler in der DDR" mit weiteren Highlights

Das Museum Barberini schafft ein weiteres Kunststück. Es zeigt die Schau „Künstler in der DDR“, mit der das Haus einen Einblick in seine eigene Sammlung offenbart, als Teil einer Motivsuche, die bei den Impressionisten begann – abgewandelt freilich. Aber auch Arno Rinks überirdische glänzende „Heimfahrt“ (1966) ist vom Licht und dem staunenden Blick auf die Natur bestimmt. Wolfgang Mattheuers Landschaften greifen in ihrer Düsternis das Bedrohliche der Seerosen auf – und treiben es wie in „Erlenweiher bei Steinsdorf“ weiter ins Gespenstische. In Mattheuers „Das graue Fenster“ (1969) lockt hinter dem offenen Fenster kein idyllischer Garten, sondern eine qualmende Industrielandschaft. Diese 18 Bilder sind als Appetizer für die große Schau „Hinter der Maske“ im Herbst gemeint, und gelungen.

Am erstaunlichsten aber ist, was sich im Lelbachsaal im ersten Stock abspielt. Hier stehen Güsse von Auguste Rodins „Bürgern von Calais“. Nachdenklich, schwermütig, mit bloßen Füßen scheinen sie durch den großen Saal zu schreiten, buckeln das Schicksal einer Stadt – und an ihnen vorbei blickt man durch große Fenster auf Nikolaikirche, Fachhochschule und Mercure, direkt in die Stadt, in der diese Bürger jetzt besuchsweise stehen. Hier, im Nebeneinander von Weltläufigkeit und klarem Bewusstsein für den eigenen, vielgesichtigen Standort, ist das Versprechen, das dieses neue Kunstmuseum für Potsdam birgt, am beflügelndsten.

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