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Landeshauptstadt: Dallas-Stars in Marquardt

Im Sommer 1986 drehte ein österreichisch-deutsches Filmteam im Schloss am Schlänitzsee einen Film über Johann Strauss. Heute Abend wird er noch einmal aufgeführt

Es war ein recht beeindruckendes Staraufgebot, das im Sommer 1986 in Marquardt arbeitete. Die Anwohner des kleinen Dorfes waren es bereits gewohnt, dass vor ihrer Haustür, insbesondere in Schloss und Park am Ufer des Schlänitzsees, Filme gedreht wurden. „Seit den 30er-Jahren sind hier immer wieder Drehteams zu Gast, Aufnahmen für insgesamt fast 50 Filme entstanden“, erinnert sich Ortschronist und Ortsvorsteher Wolfgang Grittner. Der heute 74-Jährige wohnt seit 43 Jahren direkt am Hauptweg des Schlossparks, wo am Freitag wieder ein Film der Reihe „Sommerkino im Schlosspark“ gezeigt wird: „Johann Strauß – der ungekrönte König“.

Die deutsch-österreichische Koproduktion über das Privatleben des Komponisten aus Wien, der für seine eingängigen Walzermelodien, Operetten und vor allem die „Fledermaus“ bereits zu Lebzeiten verehrt wurde, war durchaus etwas Besonderes: Grittner erinnert sich, dass sich die Marquardter in jenen Wochen, die das Team vor Ort war, die Nasen an den Saalfenstern des Schlosses plattdrückten, um einen Blick auf die Schauspieler zu erhaschen. Vor allem die schönen Frauen wollte man sehen. Davon gab es gleich mehrere am Set, Strauß selbst war schließlich dreimal verheiratet gewesen. Karin Dor, Audrey Landers und Mary Crosby verkörperten Ehefrauen eins bis drei. Einmal die Dallas-Stars Mary Crosby und vor allem Audrey Landers sehen, das wollten viele, sagt Grittner. „Die kannten wir alle, obwohl wir ja offiziell nicht Dallas gucken sollten“, sagt er. Auch Zsa Zsa Gabor spielte mit, damals frisch mit dem Prinzen von Anhalt verheiratet, fand Grittner später raus: „In dem Film konnte sie schon mal eine Adlige spielen.“

Den Walzerkönig gab der Schweizer Film- und Theaterschauspieler Oliver Tobias, der später eher fürs Fernsehen arbeite. Einzig der DDR-Schauspieler Rolf Hoppe übernahm eine tragende Rolle im Film, der ansonsten eher ohne Defa-Personal auskam. Die Kooperation fand zumeist hinter den Kulissen statt: Das sei eine übliche Praxis gewesen, so Sachiko Schmidt vom Filmmuseum. Die Defa wurde als Dienstleister in Anspruch genommen, ausländische Produktionsfirmen nutzten gern die günstigen Drehorte und buchten bei Bedarf Ausrüstung und Technikpersonal dazu.

Gute Bedingungen für den historischen Kostümfilm fanden die Österreicher im Sommer 1986 im unsanierten Schloss Marquardt, wo es vermutlich unkompliziert war, die Räume den gewünschten Erfordernissen für den Dreh anzupassen. „Da wurde immer wieder umdekoriert oder mal drübergestrichen“, beobachtete Wolfgang Grittner. Viel zu sehen gab es in den wenigen Wochen jedoch nicht, die Stars ließen sich von ihrem Wachpersonal abschirmen. Keine Chance für die Marquardter auf Fotos oder Autogramme. Immerhin, Grittner habe des öfteren Regisseur Franz Antel bei der Arbeit beobachten können. Temperamentvoll sei der herumgesprungen, sagt Grittner. „Der saß nie lange auf seinem Regiestuhl.“ Aber er hatte einen, mit seinem Namen drauf – dass es so was gibt, war Wolfgang Grittner damals neu.

Von den Dreharbeiten im Sommer 1986 sind vermutlich nur wenige Minuten in den Film eingeflossen. Die restlichen Dreharbeiten fanden in und um Wien statt. Spaß hatten die Marquardter trotzdem: Manchmal hörten sie bis ins Dorf hinein Walzer- und Operettenmelodien. „Das war schon schön“, sagt der Ortschronist.

Über Qualität und Unterhaltungswert des Musikfilms mag man heute, fast 30 Jahre später, geteilter Meinung sein. „Es wirkt aus heutiger Sicht alles recht klamaukig, aber so war es wohl auch gemeint. Strauß sollte als eine exaltierte Persönlichkeit dargestellt werden“, vermutet Sachiko Schmidt vom Filmmuseum. Das würde auch ein bisschen zu dem Regisseur Franz Antel passen: Der Österreicher drehte und produzierte unzählige Unterhaltungs- und Heimatfilme – in den 60ern und 70ern auch ein Dutzend Erotikkomödien.

Schloss Marquardt ist bis heute als Drehort gefragt – ob für Musikvideos bekannter Bands oder für Spielfilme. 2009 entstanden im romantischen Park Szenen für „Effi Briest“ mit Julia Jentsch und Sebastian Koch, 2010 wurden viele Fußballszenen von „Der ganz große Traum“ mit Daniel Brühl auf dem Sportplatz gedreht, und erst dieses Jahr das Andersen-Märchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen“.

Wer den ungekrönten König noch einmal sehen will, kann das am heutigen Freitag tun. Die Aufführung, eine Kooperation des Kultur- und Heimatvereins Wublitztal mit dem Filmmuseum Potsdam, findet auf einer Wiese im Schlosspark statt. Sitzgelegenheiten sind mitzubringen. Beginn 21 Uhr, Eintritt frei.

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