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Landeshauptstadt: Besser als manche Fachwerkstatt

Hobby-Schrauber aus ganz Brandenburg kommen in die Kfz-Selbsthilfewerkstatt am Schlaatz. Dort gibt es Werkzeug und gute Tipps. Sogar einen Oldtimer kann man bestaunen.

Hier macht man sich noch selbst die Hände schmutzig: Schwitzend schieben vier Männer einen weißen Seat durch die Werkhalle und bugsieren ihn auf eine der vier Hebebühnen. Sie sind keine angestellten Handwerker, im Gegenteil, sie zahlen zehn Euro pro Stunde dafür, dass sie ihre eigenen Autos hier reparieren dürfen. Bei vielen hat sich die rustikale Kfz-Selbsthilfewerkstatt am Schlaatz mittlerweile als kostengünstige Alternative herumgesprochen.

Wer den ehemaligen Getränkemarkt gegenüber des Magnus-Zeller-Platzes betritt, merkt schnell: Das hier ist keine blitzblanke Vertragswerkstatt, sondern ein Treffpunkt für Hobby-Schrauber und Auto-Narren. Es geht entspannt zu: In der Ecke stapeln sich alte Reifen, das Radio läuft, rund um einen langen Tisch sitzen ausschließlich männliche Stammkunden und kühlen sich mit Getränken ab, daneben lümmelt sich träge ein großer Hund auf dem Sofa.

Leiter der Selbsthilfe-Werkstatt ist der gebürtige Potsdamer Henry Koch, ein braungebrannter Endvierziger mit diversen Arbeits-Kratzern an Händen und Armen. „Ich war bereits mit neun Jahren Schrauber“, sagt der gelernte Werkzeugmacher, „später habe ich vor allem an Motorrädern gewerkelt.“ Zu DDR-Zeiten war Koch zwischenzeitlich auch Sport-Rennfahrer, bis vor einigen Jahren leitete er ein Fuhrunternehmen auf dem Verkehrshof in Drewitz. Als das Geschäft bergab ging, begann der Hobby-Mechaniker seine große Lkw-Halle als Selbsthilfewerkstatt zu nutzen.

Ein Geschäftsmodell, das aufging: Zuerst nur nebenbei betrieben, sattelte Koch schließlich ganz auf die Werkstatt um und schaltete sogar mit Erfolg Radiowerbung, um sein Angebot bei anderen Schraubern publik zu machen. Eine normale Kfz-Werkstatt zu eröffnen war jedoch nicht möglich, dazu hätte Koch einen Meisterbrief gebraucht. Vor einem halben Jahr war ein Umzug fällig; das alte Grundstück wurde verkauft und die Halle abgerissen. Seine neue Bleibe am Schlaatz stellt für Koch jedoch eine deutliche Verbesserung dar: „Die Lage ist besser und außerdem bin ich selber der Eigentümer.“

Auch der Potsdamer Timm Schott hat heute einen Abstecher in die Selbsthilfewerkstatt gemacht: Mit seinem Vater baut er einen neuen Vorschalldämpfer in einen dunkelroten Citroën ein, der über ihm auf der Hebebühne schwebt; der alte Dämpfer war verschlissen. „Bei Kleinigkeiten komme ich oft hierher“, sagt der 32-Jährige und wischt sich den Schweiß aus der Stirn, „es ist einfach unkompliziert und Henry steht einem immer mit Fachwissen und kleinen Kniffen zur Verfügung.“ Auch er ist von frühester Jugend an passionierter Schrauber, genau wie sein Vater, der ihn auf diesen Weg gebracht habe: „Er hat mit ölverschmierten Händen in meine Wiege gegriffen und damit war ich angesteckt“, scherzt Schott.

Kleine Wehwehchen an Kupplung, Rädern und Bremsen sind für viele Kunden der häufigste Grund, die Selbsthilfewerkstatt aufzusuchen, doch auch „härtere Fälle“ lassen sich hier problemlos behandeln: Was besonders viele Kunden an der Selbsthilfewerkstatt schätzen, sind die Spezialwerkzeuge – zum Beispiel ein Bremsenentlüftungsgerät, eine mobile Presse oder Zahnriemenwerkzeuge – über die selbst manche Fachwerkstatt nicht verfügt: „Auch andere Werkstätten leihen sich manchmal Werkzeug von mir aus“, bestätigt Koch. Wer hierher kommt, sollte allerdings auch damit umgehen können: „Gewisse handwerkliche Fähigkeiten muss man schon haben“, so Koch.

Blickfang in der Werkhalle ist ein blauweißer Oldtimer von 1938 der längst vergessenen Marke „Wanderer“: Koch kümmert sich ausnahmsweise selbst um den Wagen, den ein Kunde aus Potsdam-Mittelmark ihm anvertraut hat, damit er durch den TÜV kommt: „Wir haben ihn handgereinigt, neue Zündkerzen eingebaut und den Unterbodenschutz erneuert“, zählt Koch einige der zahlreichen Reparaturen auf. Auch andere Gegenstände in der Werkstatt haben Geschichten zu erzählen: „Der ist aus einem ausgedienten S-Klasse-Mercedes“, sagt Koch über einen riesigen Fünf-Liter-Motor, der neben einer der Hebebühnen steht. „Den Wagen wurden wir im Ganzen nicht los, also haben wir alle Einzelteile verkauft – nur der Motor ist übrig geblieben.“

Obwohl es noch zwei andere Kfz-Selbsthilfewerkstätten in Potsdam gibt - „Potsdam Car“ in der Wetzlarer Straße und „Für Jedermann“ in der Friedrich Engels-Straße – kann Koch sich nicht über mangelnde Kundschaft beklagen: „Das Angebot wurde richtig heftig angenommen.“ Manche Kunden reisen sogar aus Berlin-Pankow oder aus Wittenberge im Norden Brandenburgs an – was ist der Grund für diesen Zulauf? „Die Leute kommen natürlich her, um Geld zu sparen“, sagt Koch, „und manche brauchen das Schrauben vielleicht auch als Ausgleich zum Bürojob.“

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