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Millionenförderung für Uni Potsdam: „Aus Daten Prinzipien erkennen“

An der Universität Potsdam wird ein neuer Sonderforschungsbereich zur Datenassimilation von der DFG mit über 7 Millionen Euro gefördert. Der Sprecher Sebastian Reich erklärt, worum es geht.

Herr Reich, Sie wollen in ihrem neuen Sonderforschungsbereich Daten „assimilieren“ – wie geht das?

Es geht um die nahtlose Verschmelzung von großen Datenmengen und Computermodellen und was man aus den immer größer werdenden Datenmengen herauslesen kann. Wir wollen aus Daten Modelle extrahieren, etwa für physikalische, geowissenschaftliche, biologische und kognitive Prozesse. Wir wollen aus Daten Prinzipien erkennen: Etwa beim Betrachten von Bildern erkennen, wie das geschieht, was zum Beispiel passiert, wenn man ein Bild schon einmal gesehen hat. Oder nehmen Sie die Meteorologie, hier werden die Beobachtungsdaten für Vorhersagen mit Modellen verknüpft.

Das wird ja bereits so gehandhabt, was ist Ihr neuer Ansatz?

Wir wollen Algorithmen der Datenassimilation neuen Anwendungsgebieten zugänglich machen, neben den Kognitionswissenschaften auch für die Biophysik und in der Medizin. Langfristiges Ziel ist eine personalisierte Medizin, hier geht es beispielsweise um eine optimale, auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Dosierung von Medikamenten. Damit ein Diabetespatient Insulin nicht über- oder unterdosiert, soll ein Modell mittels individueller Messdaten voraussagen, wie sich der Insulinspiegel entwickeln wird, wenn er bestimmte Nahrungsmittel zu sich genommen hat.

Dafür entwickeln Sie neue Algorithmen?

Ja. Zum einen wollen wir die mathematisch-algorithmischen Grundlagen für eine optimale Verschmelzung von Daten und Modellen schaffen, zum anderen konkrete Anwendungen betrachten. So soll es in den Geowissenschaften neben dem Wetter auch um Seismologie gehen.

Um Erdbeben vorhersagen zu können?

Das wäre vermessen. Wir werden auch mit Computermodellen keine Einzelereignisse vorhersagen können. Wann es genau an einem bestimmten Punkt ein Erdbeben geben wird, lässt sich bislang nicht ermitteln. Hier kann man anhand statistischer Modelle nur Gefährdungswahrscheinlichkeiten berechnen.

Je mehr Daten vorhanden sind, desto genauere Aussagen können Computer treffen. Lässt sich in Zukunft irgendwann alles prognostizierten?

Genauer schon, es gibt aber auch Grenzen der Vorhersagbarkeit. In der Finanzwelt werden komplexe Modelle, die die Markenentwicklung vorhersagen, schon seit Langem benutzt. Je mehr Daten vorhanden sind, desto genauer kann man diese Modelle bezüglich der aktuellen Marktsituation kalibrieren. Aber die Unsicherheit in den Vorhersagen bleibt eine große Herausforderung. Das liegt an der Begrenztheit sowohl der Modelle als auch der Daten. Mit Marktentwicklung befassen wir uns zwar nicht, aber die Unwägbarkeiten in Vorhersagen und wissenschaftlichen Schlussfolgerungen sind auch bei uns ein wichtiges Thema.

Inwiefern?

Die Unsicherheiten zu charakterisieren und die Grenzen der Modelle auszuloten, das ist auch ein Anliegen unseres Sonderforschungsbereichs: Algorithmen zu finden, die Modelle und Daten präziser kombinieren können. Dafür sind wir sehr interdisziplinär aufgestellt, unter unseren 17 Projektleitern sind Kollegen aus der Mathematik und Statistik, aber auch aus dem maschinellen Lernen und den Naturwissenschaften dabei. Unsere Arbeit wollen wir zudem auch an Schulen und Hochschulen öffentlich machen: Was Daten und Modelle sind, was man daraus machen kann und wo die Grenzen liegen, das wollen wir auch der breiten Öffentlichkeit vermitteln.

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Zur Person: Sebastian Reich (54) ist Professor für Numerische Mathematik an der Universität Potsdam und der University of Reading (England) sowie Sprecher des neuen SFB zur „Datenassimilation“.

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