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Kultur: Aufbruch und Niemandsland

Bilder aus Afrika in der Galerie M des Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler

Rastalocken, Sonnenbrille, cooler Blick, „3 Girls“ aus Afrika, gemalt von Michael Soi. Sie schauen dem Betrachter in der Ausstellung „Das Afrika Dreieck, oder was heißt hier eigentlich postkolonial?“ in der Galerie M des Brandenburgischen Verbands Bildender Künstler entgegen. Soi stammt aus Kenia. Er tritt in die Fußstapfen seines Vaters, der sich ebenfalls mit farbenfroher Malerei einen bekannten Namen als kenianischer Künstler gemacht hat. Afrika als einen Kontinent, der „seine ganze Zukunft noch vor sich hat“, möchte die Ausstellung zeigen. Die Ausstellungsstücke stammen aus dem gedachten geografischen Dreieck zwischen Kenia, Senegal und Potsdam.

Abseits der innerstaatlichen Verwerfungen auf dem rohstoffreichen Kontinent entwickele sich eine Kunst, die vital und lebensfroh sei und einen ganz anderen Rhythmus habe als tradierte europäische Kunst, betont der Kulturwissenschaftler Stefan Höppe bei seiner Einführungsrede. Mit munteren Trommel- und Flötenklängen eröffnete der Kunstverein lautstark die Ausstellung. Nicht nur die Werke geben einen Einblick in immer noch fremde Lebenswelten, sondern auch zwei begleitende Vorträge über Kindersoldaten und „soziale Transformationen in der Westsahara“.

„Erst nachdem ich wieder zurück in Deutschland war, konnte ich das dort Gesehene in Bilder fassen“, erzählt Bettina Schilling. 2008 nahm sie an einem in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut organisierten, einmonatigen Workshop in Senegal teil. Es kam zu einem Austausch mit afrikanischen Künstlern und der Dak’art, der senegalesischen Biennale, die in Dakar stattfindet. „Teilweise war es wie in einem Märchenland, so farbenfroh und lebendig. Auf der anderen Seite gab es aber auch viel Armut“, sagt Bettina Schilling. Die aus verschiedenen Materialien collagierten Bilder, die dann entstanden, sollten wie mit einer Fotolinse das fremde Leben fokussieren. Auf kreisrunden Flächen finden sich deshalb tanzende, farbige Männer und Frauen und eine Antilope, die neugierig zu einer dunklen Figur emporschaut.

Auch Bettina Semmer hat unmittelbare Eindrücke in Afrika gesammelt. Mit „Salambohas Familie“ zeigt sie Frauen in traditioneller arabischer Kleidung, die auf einem Teppich mit Blumenmuster liegen. In Tifariti, einem Ort „in the middle of nowhere“ in der Westsahara, hat sie ein Wandbild gemalt. „My brother – where are the disappeared Sahauri?“ war der Titel, es fragte nach den verschwundenen Sahauris. In der Westsahara herrscht seit nunmehr 21 Jahren ein Waffenstillstand zwischen Marokko und der „Polisario“, einer Vereinigung aus Stämmen der Sahara, die für das Gebiet zwischen der Westkünste Marokkos und Mauretanien die Unabhängigkeit beanspruchen. Nach dem Abzug der Spanier aus der Westsahara plante Marokko, das wegen seines Phosphats begehrte Gebiet zu okkupieren. Stammesfürsten, die seit Jahrhunderten mit ihren Karawanen durch die steinige Wüste gezogen waren, widersprachen. Die Uno versuchte erfolglos zu schlichten. Nun läuft eine mehrere Tausend Kilometer lange, verminte Grenze mitten durch die Wüste. Die etwa 400 000 Menschen umfassende Bevölkerung der Sahauris verbringt ein Leben im rechtlich ungesicherten Niemandsland und ist nahezu vollständig von internationaler Hilfe abhängig.

Aber auch bei den Sahauri gibt es Momente der Entspannung. Die dokumentiert Arthur Kisitu mit seinen Fotos des Wüstenvolkes. Eine der wichtigsten und auch zeitaufwendigsten Traditionen der Sahauri sei es, mehrmals am Tag Tee zuzubereiten und zu trinken. Das Leben kreise um gesüßten Tee. Der erste schmecke „bitter wie das Leben, der zweite geschmeidig wie der Tod und der dritte süß wie die Liebe“. Wie sich Menschen in einer nicht sonderlich komfortablen Ausgangslage mit Erfindungsreichtum und harter Arbeit eine Lebensgrundlage erarbeiten, zeigt Kisitu mit Fotoserien, die er in Katanga, einem Slum bei der Hauptstadt Ugandas, Kampala, geschossen hat. Kinder rutschen auf Autoblechen einen Geröllberg hinunter, vor einem Feuer auf einem Müllberg hocken zwei Männer. „Katanga ist ein Ort, an dem sich positive Energien und Kreativität bündeln“, behauptet Kisitu mit Blick auf seine Fotos. Ein Kampf des Geldes gegen die Menschlichkeit werde dort gegenwärtig geführt, denn das Stadtviertel solle in seiner jetzigen Form einer Erweiterung der dortigen Universität weichen. Die Planung hätte allerdings übersehen, dass damit immerhin das Schicksal von 20 000 bisherigen Einwohnern unter die Räder zu kommen drohe.

Zwei Jahre hielt sich Kisitu im dem Slum auf, um einen Einblick zu gewinnen, der über sensationslüsterne Schnappschüsse hinausgeht. So gewann er das Vertrauen von Aisha, einer alleinerziehenden Mutter, die mit dem Waschen von Kleidern das Einkommen für sich und ihre vier Kinder erwirtschaftet. „Erst war sie für mich nur die Waschfrau, jetzt ist sie für mich eine Heldin“, sagt Kisitu.

Die Ausstellung ist bis zum 10. Juni, mittwochs bis freitags 11-17 Uhr, samstags und sonntags 11-18 Uhr, in der Hermann-Elflein-Straße 18 zu sehen

Richard Rabensaat

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