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Karl Lauterbach (SPD) warnt vor Sorglosigkeit: „Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung“

© Michele Tantussi/REUTERS

„Lage ist objektiv schlechter als die Stimmung“: Lauterbach erwartet weiter steigende Corona-Fallzahlen

Der Gesundheitsminister warnte davor, die Situation zu unterschätzen. Es sei falsch, nun alle Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen über Bord zu werfen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor dem geplanten baldigen Wegfall von Corona-Beschränkungen in Deutschland vor Sorglosigkeit gewarnt. „Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin mit Blick auf wieder stark steigende Infektionszahlen.

Er bezeichnete die Lage als kritisch und wandte sich gegen pauschale Einschätzungen, dass die Omikron-Variante milder sei. Die Variante könne tödlich sein, das betreffe Ungeimpfte, „aber auch jene, die geimpft sind, können schwer erkranken und langfristige Folgen entwickeln“.

Und: „Wir können nicht zufrieden sein mit einer Situation, wo 200 bis 250 Menschen jeden Tag sterben.“ Dies sei eine unhaltbare Lage, auf die man reagieren müsse.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag den neunten Tag in Folge einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz auf nun 1439,0 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen.

Die Gesundheitsämter meldeten demnach 252.836 neue Fälle an einem Tag, registriert wurden zudem 249 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 1388,5 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 1196,4 (Vormonat: 1472,2).

Einschränkungen weiter möglich

Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes sehe deshalb vor, dass in Hotspots weiter Maßnahmen wie Masken- und Testpflichten ergriffen werden könnten, sagte Lauterbach. Hotspots könnten dabei durchaus große Gebiete sein und nicht nur einzelne Städte oder Regionen.

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Solche Schutzregelungen könnten dann „auch ein ganzes Bundesland betreffen“. Es werde dort gehandelt, wo es einen Ausbruch gebe, so Lauterbach.

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Im neuen Infektionsschutzgesetz, das nächste Woche im Bundestag beschlossen werden soll, wird aber kein konkreter Grenzwert für Hotspots genannt. Dies sei immer abhängig von der aktuellen Corona-Variante, weswegen die Länder hier Spielräume bräuchten. „Anders geht es nicht.“

Die Länder sollten sich am besten abstimmen. Ein Hotspot sei derzeit Köln, was wahrscheinlich mit dem Karneval zusammenhänge. Dadurch hätten beispielsweise an der Uniklinik planbare Operationen verschoben werden müssen.

RKI-Chef: Steigende Hospitalisierungsrate bei Menschen über 70

Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hält die derzeitige Corona-Lage in Deutschland für angespannt und mahnt zu großer Achtsamkeit. „Nach wie vor erkranken viel zu viele Menschen schwer an Covid und nach wie vor sterben auch zu viele Menschen an dieser Erkrankung. Und nach wie vor erleiden auch viele Menschen Langzeitfolgen von Covid“, sagte Wieler bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lauterbach.

Insbesondere in den höheren Altersgruppen steige die Hospitalisierungsrate, in etwa die Hälfte der derzeitigen Covid-Patienten auf Intensivstationen seien über 70 Jahre alt, so Wieler. Dies sei auch auf die schrittweisen Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen vielerorts und das damit verbundene veränderte Verhalten vieler Menschen zurückzuführen.

Begrenzte Datenlage zu Langzeitfolgen

Er ging auch besonders auf mögliche Langzeitfolgen nach einer Infektion ein, von denen Erwachsene, und - obgleich wohl seltener - auch Jugendliche und Kinder betroffen sein könnten. Ein Teil dieser Menschen bleibe längerfristig stark eingeschränkt. Die Datenlage zu den Langzeitfolgen sei aber noch begrenzt.

Lothar Wieler (l), Präsident des Robert-Koch-Instituts, und Karl Lauterbach (SPD) bei der gemeinsamen Pressekonferenz.
Lothar Wieler (l), Präsident des Robert-Koch-Instituts, und Karl Lauterbach (SPD) bei der gemeinsamen Pressekonferenz.

© Carsten Koall/dpa

„Die Lage ist also weiterhin angespannt, aber wir können das Infektionsgeschehen mit unserem Verhalten beeinflussen“, sagte Wieler. Erneut bekräftigte er seine Impfappelle und betonte, viele schwere Verläufe, Todesfälle und Langzeitfolgen könnten durch die Impfung vermieden werden. „Die Impfung ist und bleibt der beste und sicherste Weg zur Immunität“, sagte er. Er forderte auch alle Menschen auf, die weiteren bekannten Schutzmaßnahmen einzuhalten, Wachsamkeit zu bewahren und insbesondere auf besonders gefährdete Gruppen zu achten.

Lauterbach sagte, für den Herbst seien vier Szenarien denkbar, welche Varianten des Coronavirus in Deutschland dominieren. Unter allen Szenarien sei die zur Diskussion stehende allgemeine Impfpflicht notwendig, da das Genom des Coronavirus unabhängig von der Variante zu 96 Prozent identisch sei. „Wir brauchen die allgemeine Impfpflicht unbedingt“, sagte Lauterbach. Die Argumente dagegen seien wissenschaftlich falsch. (dpa, Reuters AFP).

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